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Gesamtliste der ADHS-Symptome nach Erscheinungsformen

Inhaltsverzeichnis

Gesamtliste der ADHS-Symptome nach Erscheinungsformen

Autor: Ulrich Brennecke
Review: Dipl.-Psych. Waldemar Zdero

Dieses Kapitel beschreibt die Gesamtheit der ADHS-Symptome, also die subjektiven oder beobachtbaren Auswirkungen von ADHS in den Bereichen Verhalten, Wahrnehmung und Empfinden.
Wir haben rund 45 Symptome gesammelt, die unmittelbar von ADHS ausgelöst werden können.
Symptomgesamtliste nach Erscheinungsformen.

DSM 5 beschränkt sich auf 8 besonders diagnoserelevante Symptome.
ADHS hat keine eindeutigen Symptome oder Biomarker und wird anhand der Anzahl und Intensität der Symptome diagnostiziert.
Die ADHS-Symptome bei Erwachsenen sind anders als bei Kindern und unterscheiden sich nach verschiedenen Präsentationsformen.
ADHS-Symptome decken sich mit funktionalen Stresssymptomen. Dennoch sind ADHS und schwerer chronischer Stress verschiedene Dinge. Eine Differentialdiagnose zwischen ADHS und chronischem Stress ist bei Erwachsenen aufgrund der langen beurteilbaren Zeit leicht, bei Kindern demgegenüber naturgemäß sehr viel schwieriger.

Von der Gesamtheit der 45 ADHS-Symptome sind die diagnoserelevanten Symptome nach DSM oder ICD zu unterscheiden. DSM 5 nennt hierfür lediglich 8 Symptome:

  1. Unaufmerksamkeit (Ablenkbarkeit und Konzentrationsprobleme, nicht aber Taskwechselprobleme)
  2. Vergesslichkeit
  3. Desorganisation
  4. Hyperaktivität
  5. Impulsivität
  6. Ungeduld
  7. Inneres Getriebensein
  8. Übermäßiges Reden

Diese 8 Symptome unterscheiden ADHS besonders gut von Nichtbetroffenen und von anderen Störungsbildern. Es sind weder die am häufigsten auftretenden ADHS-Symptome (nach unseren Daten berichten Erwachsene mit ADHS häufiger von Prokrastination als von Hyperaktivität bei ADHS-HI oder von Unaufmerksamkeit bei ADHS-I), noch sind es alle Symptome, die für die Behandlung von ADHS relevant sind (dies sind sämtliche 45 Symptome).
Dass DSM 5 wie ICD 10 nicht alle Symptome von ADHS erfassen, ist unstreitig. Beispielsweise werden emotionale Dysregulation und Lernprobleme nicht genannt.
Bis DSM IV waren die Kriterienkataloge ausschließlich auf Kinder zugeschnitten, obwohl lange schon bekannt war, dass sich die Symptome bei Erwachsenen verändern (Hyperaktivität lässt nach oder verschwindet, das Innere Getriebensein tritt in den Vordergrund).
ADHS bei Erwachsenen

Welche Symptome bei ADHS besonders hervortreten und daher für eine Diagnostik besonders geeignet sind, ist auch unter Experten umstritten.1

ADHS hat keine eindeutigen Symptome, die ausschließlich bei ADHS auftreten. Alle ADHS-Symptome können auch aus anderen Störungsbildern resultieren. Weiter tritt kein ADHS-Symptom bei allen Betroffenen auf. Es gibt ADHS ohne Aufmerksamkeitsprobleme (Kinder: ADHS-HI mit überwiegender Hyperaktivität; Erwachsene: ADHS-HI mit überwiegender innerer Unruhe und Erholungsunfähigkeit) und es gibt ADHS ohne Hyperaktivität (ADHS-I mit überwiegender Unaufmerksamkeit). ADHS-C (Unaufmerksamkeit und Hyperaktivität / innere Unruhe) ist am häufigsten. Unserer Auffassung nach stellen die Präsentationformen (früher: Subtypen) unterschiedliche phänotypische Stressreaktionen dar. Der ADHS-HI-Subtyp reagiert Stress (impulsiv) eher nach außen aus, der ADHS-I-Subtyp frisst Stress eher in sich hinein.2
Alle Präsentationsformen (Subtypen) haben dieselben zugrundeliegenden Störungsursachen und werden grundsätzlich auf die gleiche Weise behandelt und medikamentiert.

Früher wurde ADHS bei Erwachsenen oft verkannt, weil bei Erwachsenen mit ADHS-HI der ADHS-C Hyperaktivität in den Hintergrund tritt. Stattdessen treten innere Unruhe und Erholungsunfähigkeit stärker in den Vordergrund.

Mangels ADHS-exklusiver Symptome wird ADHS nicht diagnostiziert, indem ein bestimmtes Symptom festgestellt wird (kategorial), sondern anhand der Menge der zutreffenden Symptome und deren Intensität (dimensional).34 Mit anderen Worten: ADHS wird anhand der Anzahl von Symptomen aus dem ADHS-Cluster diagnostiziert, die bei einem Betroffenen häufig auftreten.
Am Beispiel einer Symptomsammlung von Barkley:

  • Nichtbetroffene haben im Schnitt 1 bis 2 von 18 Symptomen oft (rund 5 %)5
  • ADHS-Betroffene haben im Schnitt 12 dieser 18 Symptome oft (rund 66 %)5

Am Beispiel der 42 im ADxS.org-Online-Symptomtest Version 3 genannten Symptome:

  • Nichtbetroffene hatten im Schnitt 12 der 42 genannten Symptome oft, also rund 28 %.
  • ADHS-Betroffene hatten im Schnitt 30 der 42 der genannten Symptome oft, also rund 72 %.

Bei ADHS ist ein ganz normaler Bürotag so, als ob der Schreibtisch mitten in der belebtesten Fußgängerzone stünde, und direkt daneben alle 3 Minuten eine Straßenbahn entlangführe.
Obwohl das drastisch klingt, ist es gar nicht einfach, herauszufinden, ob einen das betreffen könnte. Mit was sollte man es vergleichen, wenn man gar kein anderes Leben kennt?
ADHS ist mehr als nur eine Störung des Reizfilters, wie sie unter anderem auch bei Schizophrenie, Manie oder Autismusspektrumsstörungen diskutiert wird. Neben der (bei ADHS stets enthaltenen) erhöhten Sensibilität (die als Reizfilterstörung verstanden werden kann) ist weiter die Informationsverarbeitung (vor allem das Arbeitsgedächtnis im dlPFC, das exekutive Funktionen (geplante Aufgaben) steuert und das Verstärkungssystem im Striatum, das Motivation, Antrieb und Inhibition – und damit auch die Hyperaktivität – reguliert) und die Stressregulation beeinträchtigt.

ADHS und Stress - ähnlich, aber nicht identisch

Alle ADHS-Symptome sind zugleich funktionale Symptome von “bloßem” schwerem akutem Stress, während bei anderen Störungsbildern einzelne dieser Stresssymptome dysfunktional geworden sind (z.B. funktional: erhöhtes Vorsichtsbedürfnis bei Stress / dysfunktional: Angststörung; funktional: erhöhtes Absicherungsbedürfnis bei Stress / dysfunktional: Zwangsstörung; funktional: Dysphorie nur bei Inaktivität / dysfunktional: Depression). Während alle ADHS-Symptome auch Stresssymptome sind, sind nicht alle Stresssymptome zugleich ADHS-Symptome. Mehr hierzu unter ADHS-Symptome sind Stresssymptome.
Die Vorteile funktionaler Stresssymptome bezeichnen wir als “Stressnutzen”. Stressnutzen – der überlebensfördernde Zweck von Stresssymptomen

Dennoch sind ADHS und schwerer chronischer Stress unterschiedliche Dinge. ADHS ist etwas grundsätzlich anderes als eine bloße Reaktion auf existierende Stressoren.
Während bei “bloß” schwerem akutem Stress die dadurch verursachten Symptome nach Wegfall der Stressoren (der Stressauslöser) wieder verschwinden, bestehen bei ADHS die Symptome auch ohne adäquaten Stressor fort.

Zwar kann ADHS unserer Auffassung nach durch eine (genetisch oder durch Gen-Umwelt-Interaktionen ausgelöste) chronische Überreagibilität bzw. ein mangelhaftes Abschalten der Stressregulationssysteme verursacht sein. Dies betrifft jedoch nur eine Teilgruppe der Betroffenen.
Für ADHS insgesamt gilt, dass ADHS und schwerer chronischer Stress ihre Symptome neurophysiologisch auf dieselbe Art und Weise vermitteln (Dopamin- und Noradrenalindefizit) und deshalb gleichartige Symptome zeigen. Die Ursachen für den Dopamin- und Noradrenalinmangel unterscheiden sich jedoch.

Aufgrund der Gleichartigkeit der Symptome sind ADHS und chronischem Stress nicht immer leicht zu unterscheiden. Die Symptomverwechselbarkeit ist der Grund, warum für eine ADHS-Diagnose ein Auftreten der Symptome über einen längeren Zeitraum und in mehreren Lebensbereichen erforderlich ist. Ob die von ICD hierfür geforderten 6 Monate bereits ausreichen, bezweifeln wir allerdings. Jemand, der seit einiger Zeit in einer schweren Lebenskrise steckt, also seit ein oder zwei Jahren schweren selbstwert- oder existenzbedrohenden (= cortisolergen) Stress hat, wird typischerweise während dieser ganzen langen Zeit Stresssymptome in einer Schwere und Häufigkeit haben, dass dies mit ADHS verwechselt werden kann. Andererseits dürften auch diesen Betroffenen Stimulanzien helfen, den verringerten Dopaminspiegel auszugleichen. Wir halten es für durchaus plausibel, dass Stimulanzien in einigen Jahren als Akutmedikation für schwere Stresszustände eingesetzt werden - als eine Art Schmerzmittel für die Seele.

Um ADHS von Symptomen von schwerem chronischem Stress zu unterscheiden, hilft die Betrachtung der jeweiligen Lebensgeschichte. Von der Ähnlichkeit der Symptome von ADHS und schwerem chronischem Stress und von der neurophysiologischen Vermittlung dieser Symptome zu unterscheiden ist, dass ADHS durch frühkindliche Stressbelastung verursacht werden kann, wenn diese eine genetische ADHS-Disposition aktiviert/manifestiert. Hat der/die Betroffene bereits in der Kindheit / Schulzeit dauerhaft die (damals noch kindes-)typischen Symptome von massivem cortisolergem Stress gehabt, ohne dass die gesamte Zeit entsprechende Stressoren gegeben waren, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit von ADHS auszugehen. Sind die Symptome jedoch in den ersten 12 Lebensjahren nicht erkennbar gewesen, und sind sie erstmals in den letzten 6 bis 12 Monaten aufgetreten, seit ein bestimmter Stressor besteht, ist eine “lediglich” akute Stressüberlastung wahrscheinlicher.

Insbesondere bei Frauen ist ein Late-onset-ADHS, das erstmals im Erwachsenenalter belastend in Erscheinung tritt, möglich. Mehr hierzu unter Geschlechtsunterschiede bei ADHS.
Ebenso ist es denkbar, dass ein latentes ADHS besteht, das der Betroffene normalerweise “mit Bordmitteln” bewältigt. Tritt nun jedoch noch ein chronischer Stressor hinzu, können auch weniger einschneidende Stresserfahrungen zusammen mit dem leichten (subklinischen) ADHS zu einer insgesamt behandlungsbedürftigen Gesamtbelastung führen, indem sich ihre Einflüsse auf den Dopamin- und Noradrenalinhaushalt summieren. Dies deckt sich mit Langzeitstudien, die bei zunächst eindeutig mit ADHS (oder instabiler PS) diagnostizierten Erwachsenen einige Jahre keine Diagnose mehr geben konnten. Dies erklärt zugleich den Sinn von jährlichen Auslassversuchen bei der Medikation.

Bei Kindern sehr viel schwerer zu unterscheiden, ob sie an ADHS oder an einer chronischen schweren Stressbelastung leiden (die aus dem schulischen Umfeld oder aus dem Elternhaus kommen kann), weil man nicht auf eine komplette Schulzeit und weitere Jahre zurückblicken kann. ADHS-Diagnosemethoden.

Weitere häufig auftretende Symptome stammen nicht aus ADHS selbst, sondern aus Störungen, die häufig zusammen mit ADHS auftreten, sogenannte typische Komorbiditäten.
Näheres hierzu auf der Seite ADHSKomorbidität und den Unterseiten zu einzelnen Komorbiditäten.
Um zu bestimmen, ob ein Symptom aus ADHS oder einer anderen Störung resultiert, bedarf es einer Differentialdiagnostik.
Näheres hierzu auf der Seite Differentialdiagnostik bei ADHS und den Unterseiten zu einzelnen Differentialdiagnosen.

In diesem Kapitel werden alle Symptome dargestellt, die durch ADHS originär verursacht werden können. Die Kenntnis der gesamten möglichen ADHS-Symptome ist für Betroffene und Behandler von besonderer Bedeutung.
Die anschließende Gesamtsammlung gliedert die ADHS-Symptome nach der Wahrnehmbarkeit von außen, nicht anhand ihrer neurophysiologischen Korrelate. Bei einigen Symptomen findet sich ein Verweis auf die Beschreibung der ursächlichen neurophysiologischen Mechanismen.
Symptome

Gesamtliste der ADHS-Symptome

  1. Motorische Symptome von ADHS
  2. Antriebsprobleme bei ADHS
  3. Impulsivität / Inhibitionsprobleme bei ADHS
  4. Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme bei ADHS
  5. Gedächtnis- und Lernprobleme bei ADHS
  6. Denkblockaden / Entscheidungsfindungsprobleme bei ADHS
  7. Exekutivprobleme / Planungs- und Organisationsschwierigkeiten bei ADHS
  8. Wahrnehmungssymptome bei ADHS
  9. Motivationsprobleme bei ADHS
  10. Emotionale Dysregulation / Emotionssymptome bei ADHS
  11. Kommunikationsprobleme bei ADHS
  12. Soziale Probleme bei ADHS
  13. Schlafprobleme bei ADHS
  14. Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit bei ADHS
  15. Reaktionszeitveränderungen bei ADHS
  16. Sexualverhalten bei ADHS
  17. Suchtprobleme bei ADHS
  18. Messi-Tendenz / Hoarding / nichts wegwerfen können bei ADHS
  19. Kreativität bei ADHS erhöht (?)
  20. Regulationsprobleme bei ADHS
  21. Persönlichkeitsmerkmale bei ADHS
  22. Erhöhte Muskelspannung

Wunderbar unterhaltsame und sympathische Sammlungen von Berichten Betroffener über ADHS-typische Verhaltensweisen finden sich im Netz.

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Diese Seite wurde am 11.09.2024 zuletzt aktualisiert.