Autor: Ulrich Brennecke
Review: Dipl.-Psych. Waldemar Zdero
Die Weltgesundheitsorganisation WHO weist in dem von ihr entwickelten ADHS-Screeningtest ASRS darauf hin: “Die Symptome dieser Krankheit werden oft als Stress verkannt.” Nigg formuliert: “…adversity can cause a child to look just like he has ADHD.” und sagt damit nichts anderes, als dass Stress sehr verwechselbare Symptome zu ADHS generieren kann. Einzelne Studien thematisieren ebenfalls den Zusammenhang zwischen Stress und ADHS-Symptomen.
Die meisten ADHS-Symptome sind deckungsgleich mit “ganz normalen” Symptomen von schwerem Stress. Dennoch sind ADHS und Stress keineswegs dasselbe. Chronischer unkontrollierbarer Stress, also schwere (und häufig psychische) Belastung, die als bedrohlich oder angsteinflößend wahrgenommen wird, kann nahezu identische Symptome auslösen, wie ADHS. Martin Winkler berichtet in einem Vortrag anekdotisch einen solchen Fall. Kognitive Beeinträchtigungen können durch psychischen wie durch physischen Stress hervorgerufen werden.
Umgekehrt sind allerdings nicht alle Stresssymptome zugleich ADHS-Symptome – auch wenn der Grad der Übereinstimmung recht beeindruckend ist. Wir stellen in diesem Beitrag nur ADHS-Symptome vor, die zugleich Stresssymptome sind.
Dass ADHS-Symptome auch durch andere Ursachen als ADHS hervorgerufen werden können, wird seit jeher berücksichtigt, indem bei der ADHS-Anamnese eine Differentialdiagnostik erfolgt. ⇒ Differentialdiagnostik bei ADHS
Die Erscheinungsform der entsprechenden ADHS-Symptome haben wir kursiv hinzugefügt.
Die Quellenangaben beziehen sich jeweils auf das Symptom als Stresssymptom.
Unter ⇒ Symptome von ADHS haben wir bei jedem ADHS-Symptom auch die Quellenangaben aus der Stress-Fachliteratur integriert, die belegen, dass das jeweilige Symptom zugleich als Stresssymptom bekannt ist.
Stresssymptome haben einen Nutzen bei der Bewältigung von Herausforderungen. Unter ⇒ Stressnutzen – der überlebensfördernde Zweck von Stresssymptomen erläutern wir den Begriff Stressnutzen und beschreiben den Stressnutzen des jeweiligen Stresssymptoms.
ADHS vermittelt seine Symptome, indem es Verschiebungen derjenigen Neurotransmitter bewirkt, die auch Stresssymptome vermitteln. Bei ADHS kann eine Störung der Stresssysteme (z.B. der HPA-Achse) Ursache der Symptomatik sein (wie z.B. beim ADHS-Tiermodell der SHR, bei der die Abschaltung der HPA-Achse defekt ist, sodass diese chronisch überaktiviert bleibt). Es gibt jedoch auch andere Ursachenpfade. Bei ADHS reagieren Betroffene auch ohne externen Stressor mit Symptomen von erheblichem Stress (die dann ADHS-Symptome genannt werden). Mehr hierzu in unserem Beitrag ⇒ ADHS als chronifizierte Stressregulationsstörung. Um Missverständnisse zu vermeiden: das bedeutet nicht, dass ADHS lediglich eine Folge von noch andauerndem chronischem Stress wäre und mit einer Beseitigung des Stressors enden würde. Ebendies ist der wesentliche Unterschied zwischen ADHS und chronischem Stress: Stress geht mit dem Stressor, ADHS bleibt.
1. Kognitive Symptome¶
1.1. Aufmerksamkeitsprobleme¶
Aufmerksamkeitsprobleme als Stresssymptome.
- Fast jede psychische Störung bewirkt Aufmerksamkeitsprobleme, z.B.:
- Psychose
- Tourette
- Manie
- Panikstörungen
- Zwangsstörungen
Für ADHS spezifisch ist die (Aufmerksamkeits-)Beeinträchtigung, ein vorausgedachtes zukünftiges gerichtetes Handeln durchzuführen. ADHS-Betroffene werden zwar von unwichtigen Reizen aus der Umwelt abgelenkt, die selektive Aufmerksamkeit sei dagegen kaum beeinträchtigt.
Unserer Auffassung nach sind Taskwechselprobleme jedoch bei ADHS häufig und eine Folge der Beeinträchtigung der Steuerbarkeit der Aufmerksamkeitsausrichtung.
Die bei akutem Stress erhöhten Noradrenalin- und Dopaminwerte beeinträchtigen ab einem bestimmten Maß die Funktionalität des PFC. Während leicht erhöhte Noradrenalinwerte die Denkfähigkeit erhöhen, wird diese durch sehr hohe Noradrenalinwerte vermindert und die Verhaltenssteuerung wird vom PFC auf den posterioren Cortex übertragen.
Stress beeinflusst unmittelbar
-
Arousal
- Wachsamkeit
- fokussierte Aufmerksamkeit.
1.2. Konzentrationsprobleme¶
Konzentrationsprobleme als Stresssymptome.
Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme.
Bei ADHS identisch.
1.3. Vergesslichkeit¶
Vergesslichkeit bzw. Gedächtnisprobleme als Stresssymptom:
- implizites Gedächtnis beeinträchtigt
- deklaratives Gedächtnis beeinträchtigt
- Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt
- Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme
Alle genannten Symptome treten auch bei ADHS auf, jedoch nicht bei allen Betroffenen.
1.4. Denkblockaden¶
Denkblockaden sind ein Stresssymptom.
Zur Änderung der Funktionen des PFC durch den bei Stress sehr erhöhten Noradrenalinspiegel siehe unter 1.1. Aufmerksamkeitsprobleme. Die Abschaltung des PFC durch sehr hohe Noradrenalin- und Dopaminspiegel bei starkem Stress blockiert
- das analytische Denkvermögen
- Entscheidungsprozesse
Denkblockaden sind ein typisches ADHS-Symptom.
1.5. Grübeln; Gedanken konzentrieren sich auf den Stressor¶
Grübeln ist ein Stresssymptom.
-
bei ADHS: Gedankenkreisen
1.6. Verschlechterte Eigenwahrnehmung bis zur Erholungsunfähigkeit¶
-
Geringe emotionale Selbststeuerung, Spontaneität der Gefühle oder Vermeiden von Gefühlen (Coolness, emotionale Dysregulation) ist ein Stresssymptom.
-
bei ADHS: nicht genießen können
-
bei ADHS und Prokrastination: Aversion gegen Achtsamkeit / verringerte Achtsamkeit
-
siehe auch: Alexithymie unter Gefühle
1.7. Verzögerungsaversion / Delay Aversion¶
Verzögerungsaversion ist ein Stresssymptom. Sie wird als Impulsivitätsreaktion verstanden. Sie korreliert mit Impulsivität bei Stress, bei Frauen zugleich mit steigender Herzrate.
Stress verringernde Maßnahmen verringern zugleich die Verzögerungsaversion.
Ausdrucksformen:
- Ungeduld
- Nicht warten können
Tritt bei ADHS identisch auf.
Obwohl nicht in den Symptomlisten von ICD 10 / DSM IV enthalten, ist Verzögerungsaversion eines der Kernsymptome von ADHS.
1.8. Delay Discounting / Abwertung späterer Belohnung¶
Delay Discounting ist ein Stresssymptom. Dies wird auch Discounting of Delayed Rewards, Temporal Discounting oder Reward Prediction Error (RPE) bezeichnet.
Belohnungen, die sofort erfolgen, werden im gleichen Maße bevorzugt wie von Menschen ohne Stress.
Belohnungen, die zeitlich entfernt sind, werden als unattraktiver betrachtet als von Menschen ohne Stress.
Delay Discounting hat verschiedene Ausdrucksformen:
1.8.1. Prokrastination¶
1.8.2. Suchttendenzen¶
1.8.3. Unordnung¶
1.8.4. Selbstregulationsfähigkeit beeinträchtigt¶
Selbstregulationsfähigkeit ist ein noch größerer Prädiktor für beruflichen Erfolg als Intelligenz.
1.9. Entscheidungsprobleme¶
Entscheidungsprobleme sind bekannte Stresssymptome.
bei ADHS identisch
-
ADHS-HI: impulsive, nicht durchdachte, spontane Entscheidungen
-
ADHS-I: Schwierigkeiten, Entscheidungen zu treffen
2. Verhalten¶
2.1. Erhöhte lokomotorische Aktivität (Bewegungsdrang, Bewegungsunruhe)¶
Hyperaktivität ist ein Stresssymptom.
Eine erhöhte lokomotorische Aktivität ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Bei ADHS-HI heißt dieses Symptom Hyperaktivität (tritt vornehmlich bei Kindern auf).
2.2. Unruhe¶
(Innere) Unruhe und Rastlosigkeit sind Stresssymptome.
Innere Unruhe ist ein typisches Symptom für den nahenden Endzustand eines Burnouts.
Bei ADHS-HI: inneres Getriebensein, immer etwas tun müssen (vornehmlich Erwachsene)
2.3. Aggressionen¶
Aggression ist ein Stresssymptom.
Bei ADHS-HI (mit Hyperaktivität) tritt Aggression häufig als Komorbidität auf.
2.4. Antriebsschwäche¶
Antriebsschwäche ist ein Stresssymptom
Antriebsschwäche ist ein typisches Symptom für den nahenden Endzustand eines Burnouts.
Bei ADHS: Dysphorie bei Inaktivität
2.5. Sozialer Rückzug¶
Sozialer Rückzug ist als typisches Symptom von schwerem Stress bekannt.
Eine Einschränkung der sozialen Kontakte bei Stress wird darauf zurückgeführt, dass
- keine positive oder sogar negative Resonanz erwartet wird (Vermeidung oder Aggression, siehe den Beitrag zu Rejection Sensitivity)
- das Sicherheits- und Kontrollbedürfnis zu groß ist (zu große Nähe, Ambivalenz, Nähe-Distanz-Pendel)
Ein erhöhtes Rückzugsverhalten ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Eine zunehmende Einschränkung sozialer Kontakte ist ein typisches Symptom für einen Burnout.
Bei ADHS ist sozialer Rückzug häufig.
2.6. Leistungsfähigkeit beeinträchtigt¶
Bei schwerem Stress ist die Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Behinderung von Anstrengung, wegen mangelnder Zufriedenheit durch Erfolg oder fehlender Erwartung von Erfolg (Antriebslosigkeit, Wegschalten, Verweigerung) sind Stresssymptome.
Leichte Erschöpfbarkeit, Kraftlosigkeit und Tagesmüdigkeit sind typische Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.
Tritt bei ADHS identisch auf.
2.7. Medikamenten- / Nikotin- / Alkoholmissbrauch (Sucht)¶
Medikamenten- / Nikotin- / Alkoholmissbrauch (Sucht) ist ein Stresssymptom
Rauchen korreliert mit Stress.
Bei ADHS:
-
deutlich erhöhte Quote an Rauchern
-
häufige Komorbidität mit Suchterkrankungen
2.8. Riskantere Entscheidungen¶
Riskantere Entscheidungen sind ein Stresssymptom.
Tritt bei ADHS-HI (mit Hyperaktivität) identisch auf:
-
Risikoaffinität
-
spontane, unüberlegte Entscheidungen
2.9. Impulsivität¶
Impulsivität ist ein Stresssymptom.
Tritt bei ADHS-HI (mit Hyperaktivität) identisch auf.
2.10. Sexuelle Probleme / Libidoverlust (kein ADHS-Symptom)¶
Sexuelle Probleme / Libidoverlust sind ein Stresssymptom
Eine Unterdrückung der Libido ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Sexuelle Probleme oder Lustlosigkeit sind keine typischen ADHS-Symptome, kommen bei ADHS jedoch vor.
Bei ADHS wird eine gestörte Sexualität eher als häufige Komorbidität genannt. Sexualität wird weiter als Suchtgegenstand und Mittel zum Spannungsabbau bei ADHS erwähnt. Eine Studie fand bei ADHS-Betroffenen weniger sexuelle Befriedigung, mehr sexuelles Verlangen, mehr sexuelle Dysfunktion und riskanteres sexuelles Verhalten.
Die Anzahl der Sexualpartner bei ADHS ist typischerweise erhöht, der erste Sex findet im Durchschnitt früher statt als bei Nichtbetroffenen. Ein Rückgang der Libido wird zuweilen in Verbindung mit Medikation bei ADHS oder Depressionen genannt.
3. Emotionale Symptome¶
3.1. Stimmungsschwankungen (häufig traurig / depressiv)¶
Stimmungsschwankungen sind ein Stresssymptom.
Häufige Traurigkeit ist als Stresssymptom bekannt.
Häufiges deprimiert sein / Depressionen sind ebenso Stresssymptome.
Verzweiflung ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH. Lärm oder Filme lösen dagegen selten cortisolergen Stress aus.
Bei ADHS: Dysphorie bei Inaktivität als Hauptsymptom; daneben tritt echte Depression häufig als Komorbidität auf.
3.2. Selbstwertprobleme¶
Selbstwertprobleme sind typische Symptome bei schwerem Stress.
- niedriger Selbstwert
- Selbsthass
- suizidale Tendenz
- Schuld und Scham
Dies gilt ebenso für Lustlosigkeit, die man als Äquivalent der Dysphorie bei Inaktivität und dem Gefühl, deprimiert zu sein betrachten könnte.
Insbesondere eine als unkontrollierbar wahrgenommene Bedrohung des Selbstwertes führt zu Cortisolausschüttung.
Minderwertigkeits- und Versagensgefühle sind typische Symptome für den Endzustand eines Burnouts.
Bei ADHS: emotionale Dysregulation ist ein typisches Symptom.
3.3. Reizbarkeit¶
Eine häufige Gereiztheit ist ein Stresssymptom. Gereiztheit ist ein typisches Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.
Bei ADHS und extravertierter Persönlichkeit (ADHS-HI, ADHS-C): häufig
3.4. Ärger / Wut¶
Ärger / Wut sind bekannte Stresssymptome.
Bei ADHS und extravertierter Stressphänotypik (ADHS-HI, ADHS-C): häufig
3.5. Lustlosigkeit/Motivationsprobleme¶
Lustlosigkeit/Motivationsprobleme sind häufige Stresssymptome. Lustlosigkeit wird hier als emotionale Seite der Antriebslosigkeit dargestellt.
Zu Antriebslosigkeit siehe oben unter 2.4.
Motivations- und Antriebsprobleme sind bei ADHS häufig.
3.6. Gefühl der Überforderung¶
Überforderungsgefühl ist ein Stresssymptom.
Bei ADHS tritt dies ebenfalls häufig auf.
3.7. Angst/Ängstlichkeit¶
Eine erhöhte Ängstlichkeit ist ein Stresssymptom.
Verstärkte Ängstlichkeit, erhöhte Furchtkonditionierbarkeit sowie erhöhte Vorsicht in unbekannten Umgebungen, im Offenfeld, im elevated plus maze und bei Konflikten sind eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Bei ADHS ist Ängstlichkeit häufig erhöht, besonders bei ADHS-I. Angststörungen sind eine häufige Komorbidität von ADHS und können sich aus einem unbehandelten ADHS entwickeln.
3.8. Erhöhte Sensibilität¶
Eine erhöhte Sensibilität ist ein Stresssymptom.
ADHS beinhaltet stets eine (zumindest partielle) Hochsensibilität.
3.8.1. Schreckhaftigkeit¶
Verstärkte Schreckreaktionen sind eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
3.8.2. Erhöhte Wachheit / Aufmerksamkeit¶
Erhöhte Wachheit und Aufmerksamkeit ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
3.8.3. Erhöhte akustische Wahrnehmung¶
Eine erhöhte akustische Wahrnehmung ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
3.8.4. Reizüberflutung¶
Reizüberflutung ist ein Stresssymptom.
Erhöhte Sensibilität kann auch als Hochsensibilität bezeichnet werden.
Bei ADHS: zu weit offener Reizfilter.
3.9. Alexithymie (verringerte Gefühlswahrnehmung)¶
- Verringerte Wahrnehmung der eigenen Gefühle
- Geringe emotionale Selbststeuerung, Spontaneität der Gefühle oder Vermeiden von Gefühlen (Coolness, emotionale Dysregulation)
- Gefühlsverflachung (bei bestehend bleibender Kränkbarkeit) ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.
Im Gegensatz zu vielen anderen hier genannten Symptomen scheint Alexithymie kein unmittelbar neurophysiologisch vermitteltes Symptom darzustellen, sondern eher eine häufige Folge eines unsicher-vermeidenden Bindungsstils zu sein bzw. mit diesem einherzugehen.
Gefühlsarmut / innere Leere / Alexithymie ist bei ADHS ein mögliches Symptom.
3.10. Frustrationsintoleranz¶
Frustrationsintoleranz ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.
Frustrationsintoleranz ist ein typisches ADHS-Symptom.
3.11. Leichtere Kränkbarkeit¶
Eine erhöhte Kränkbarkeit ist ein typisches Symptom für den Endzustand eines Burnouts.
Eine verstärkte Kränkbarkeit ist ein sehr häufiges ADHS-Symptom. Wir bezeichnen es dort als Rejection Sensitivity.
4. Körperliche Symptome¶
Somatische Beschwerden könnten die einzige Stressart sein, die bei ADHS-Betroffenen signifikant geringer auftritt als bei Nichtbetroffenen. Dieser Umstand wäre höchst erstaunlich und ohne genauere Erforschung und Erklärung nicht einleuchtend. Auf Schlafstörungen trifft dies bekanntlich nicht zu. Unsere eigenen Untersuchungen deuten jedoch – zu unserem eigenen Erstaunen – ebenfalls darauf hin, dass bei erwachsenen ADHS-Betroffenen die somatischen Stresssymptome deutlich unterrepräsentiert sind. Ausnahmen bestehen nur bei Schlafstörungen (sehr deutlich) und Erschöpfungszuständen und Muskelspannung (noch deutlich). Alle anderen somatischen Stresssymptome sind dagegen (noch deutlich) geringer als bei Nichtbetroffenen.
4.1. Schlafstörungen¶
Schlafstörungen sind ein Stresssymptom.
Erhöhte Wachheit und verringerter Tiefschlaf ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Als Stresssymptom werden auch häufige Albträume genannt.
Schlafstörungen treten bei ADHS sehr häufig auf.
4.2. Muskelzuckungen¶
Muskelzucken ist ein Stresssymptom.
Bei ADHS: häufig ähnliche Muskelzuckungen wie ein leichte Form von restless legs beim einschlafen
4.3. Erhöhte Muskelspannung¶
Eine erhöhte Muskelspannung ist ein Stresssymptom.
Erhöhter Muskeltonus kann z.B. zu Rückenschmerzen bis hin zu Wirbelblockaden führen.
Im Kampf schätzt ein erhöhter Muskeltonus vor Verletzungen.
4.4. Erhöhte Schmerzempfindlichkeit¶
Eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit ist ein Stresssymptom.
4.5. Erschöpfungszustände¶
Erschöpfungszustände sind ein Stresssymptom.
4.6. Herz-Kreislauf Beschwerden¶
Herz-Kreislauf-Beschwerden sind ein Stresssymptom.
ADHS-HI und ADHS-C (weniger ADHS-I) korrelieren häufig mit erhöhtem Blutdruck und einer Anfälligkeit für Herzbeschwerden.
4.7. Appetitlosigkeit / Heißhunger¶
Essstörungen sind ein Stresssymptom.
Appetitlosigkeit ist eine unmittelbare Wirkung des Stresshormons CRH.
Adipositas (Fettsucht) tritt bei ADHS mindestens doppelt so häufig auf wie bei Nichtbetroffenen. Essstörungen sind bei ADHS-Betroffenen bis zu 8 mal so häufig wie bei Nichtbetroffenen. Mehr hierzu im Beitrag ⇒ ADHS, Übergewicht und Essstörungen.
4.8. Kopfschmerzen¶
Kopfschmerzen sind ein bekanntes Stresssymptom.
4.9. Bauchschmerzen¶
Bauchschmerzen sind ein häufiges Stresssymptom, vor allem bei Kindern.
Übelkeit ist ebenfalls als Stresssymptom bekannt.
4.10. Häufige Erkältungen¶
Häufige Erkältungen sind ein Stresssymptom.
Eine erhöhte Infektanfälligkeit ist ein typisches Symptome für den nahenden Endzustand eines Burnouts.
Stresshormone (Adrenalin, CRH, ACTH) sind in der Lage, für eine bestimmte Zeit das Immunsystem künstlich anzukurbeln. Für die Gattung des Homo sapiens war es schlicht überlebensförderlich, wenn in Situationen der Not, in denen das Überleben mit hohem Aufwand erkämpft werden musste, nicht gerade einfache (vermeidbare) Krankheiten auftraten. Die Stresshormone Adrenalin und CRH bewirken deshalb eine (zeitlich begrenzte) entzündungsfördernde Erhöhung der Aktivität des Immunsystems.
Diese Erhöhung ist jedoch zum einen kräfteraubend und führt zum zweiten in der ersten Stresspause dazu, dass der Körper sich nun die erforderliche Regeneration nimmt und die aktive Krankheitsbekämpfung angeht – z.B. durch Fieber und andere Mechanismen, mit denen der Körper sich gegen Krankheitserreger schützt.
Dies ist der Grund, warum viele Menschen im Laufe der ersten Urlaubswoche krank werden – wenn der Stress nachlässt.
Cortisol hat neben seinen Stresssymptom-vermittelnden Wirkungen zugleich die Aufgabe, die Stressreaktion zu beenden (indem es die am Anfang der Stresskette ausgeschütteten Hormone hemmt und damit seine eigene Ausschüttung zeitlich begrenzt). Cortisol verringert zugleich die entzündungsfördernde Wirkung von Adrenalin und CRH und fördert stattdessen andere Immunreaktionen, die sich vornehmlich gegen Bakterien und Parasiten richten. Je nachdem, in welcher Richtung die Stresssysteme aus dem Gleichgewicht geraten sind, können überschießende Entzündungen (z.B. der Darmschleimhaut bei Morbus Crohn oder der Haut bei Neurodermitis) oder überschießende Immunreaktionen gegen externe Erreger (z.B. Allergien) auftreten.
4.11. Zunehmende Atemfrequenz¶
Hecheln ist ein Stresssymptom.
Eine erhöhte Atemfrequenz ist nicht als ADHS-Symptom bekannt.