Header Image
9. Motivationsprobleme bei ADHS

Inhaltsverzeichnis

9. Motivationsprobleme bei ADHS

Autor: Ulrich Brennecke
Review: Dipl.-Psych. Waldemar Zdero

Motivation ist eine Handlungsbereitschaft als aktivierendes Moment zur Erreichung eines bestimmten Ziels. Die Umsetzung der Motivation (Handlungsbereitschaft) zur Handlung erfolgt durch den Antrieb.1 Eine weitere Definition von Motivation ist der Prozess der Initiierung, Steuerung und Aufrechterhaltung physischer und psychischer Aktivitäten, einschließlich der Mechanismen zur Bevorzugung einer Aktivität und zur Steuerung der Stärke und Beharrlichkeit von Reaktionen.2

Motivationsprobleme der intrinsischen wie extrinsischen Motivation sind ein typisches Symptom von ADHS.3
Aufmerksamkeitsprobleme bei ADHS sind primär ein Problem der mangelnde Selbstmotivierbarkeit. Während intrinsisch interessante Themen die Aufmerksamkeit wecken können, schaffen intrinsisch nicht interessante Themen Aufmerksamkeitsprobleme. Dies trifft ebenso auf motorische Unruhe zu. Ein Zeitraffervideo, das einen Betroffenen bei der Beobachtung eines intrinsisch interessierenden und eines intrinsisch nicht interessierenden Videos zeigt, verdeutlicht, dass Hyperaktivitätsprobleme bei ADHS motivational verursacht sein können.

Prokrastination, Abwertung späterer Belohnungen und Verzögerungsaversion sind eng mit ADHS und Stress verbunden.

Prokrastination (Aufschieberitis) ist ein häufiges ADHS-Symptom, bei dem man Aufgaben und Handlungen unnötig lange aufschiebt.
Bei ADHS-Betroffenen ist nicht die grundsätzliche Fähigkeit zur Priorisierung beeinträchtigt, sondern es ist ein unpassendes Priorisierungsprogramm aktiviert, das dazu führt, dass unwichtige Dinge nicht von wichtigen unterschieden werden können. Prokrastination kann auch als Stresssymptom betrachtet werden. Unter Stress konzentrieren sich Betroffene auf die Dinge, die im Hier und Jetzt wichtig sind, und blenden alles andere aus. Dies kann dazu führen, dass Dinge, die nicht sofort erledigt werden müssen, als weniger wichtig und lohnenswert empfunden werden.

Die Abwertung späterer Belohnungen, auch als Delay Discounting bezeichnet, ist ein weiteres Symptom von ADHS. Betroffene bewerten spätere Belohnungen geringer als Personen ohne ADHS. Sofortige Belohnungen werden genauso geschätzt wie von Nichtbetroffenen. Dies hängt möglicherweise mit einer Dysfunktion des Belohnungssystems im Gehirn zusammen.

Verzögerungsaversion zeigt sich darin, dass ADHS-Betroffene Warten als unangenehm empfinden und Schwierigkeiten haben, intrinsisch als interessant oder wichtig erachtete Dinge aufzuschieben oder sich Geduld zu üben. Verzögerungsaversion korreliert mit anderen Symptomen von ADHS wie innere Unruhe und Frustrationsintoleranz. Verzögerungsaversion ist nicht allein auf eine Inhibitionsproblematik zurückzuführen, sondern hängt auch mit emotionaler Dysregulation zusammen. Stressreduzierende Maßnahmen können die Verzögerungsaversion verringern.

9.1. Prokrastination (Aufschieberitis)

9.1.1. Prokrastination als ADHS-Symptom

Wir betrachten Prokrastination als eine Folge der Abwertung von entfernteren Belohnungen (Delay Discounting) einerseits und einer veränderten Wahrnehmung, was intrinsisch interessant empfunden wird, andererseits. Prokrastination könnte den Gegenpol von Verzögerungsaversion im Sinne einer Regulationsstörung darstellen.

9.1.2. Prokrastination: Dinge erst in letzter Minute erledigen können

Dinge erst in letzter Minute erledigen zu können, ist eine andere Beschreibung von Prokrastination. Die Erklärung ergibt sich aus dem Stressnutzen von Prokrastination, dass bei existenzbedrohendem Stress Dinge, die nicht unmittelbar sofort erforderlich sind, ausgeblendet werden, um die Konzentration auf die Dinge zu lenken, die jetzt akut wichtig sind. Wer in akuter Not unwichtige Dinge von wichtigen unterscheiden kann, hat einen Überlebensvorteil. Es war nun einmal nicht so hilfreich beim Überleben, während der Flucht vor dem Säbelzahntiger die schönen Blumen am Wegesrand zu bewundern oder die reifen Früchte vom Busch dahinter als Vorrat für den Winter mitnehmen zu wollen.

Das Problem bei ADHS ist nicht eine grundsätzlich falsche Priorisierung (im Sinne einer generellen “technischen” Unfähigkeit dazu), sondern ein unpassendes Priorisierungsprogramm (Stressreaktionen ohne adäquate Stressoren). Bei ADHS-Betroffenen ist nicht die neurophysiologische Fähigkeit beeinträchtigt, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden, sondern es ist ein Notprogramm aktiviert, ohne dass hierfür ein angemessener Anlass bestünde. Dieses Notprogramm ist (für alle höheren Lebewesen) bei akutem überlebensbedrohlichem Stress sinnvoll. In diesem Fall wird der Fokus auf die Dinge verschoben, die im unmittelbaren Hier und jetzt wichtig sind – alles andere wird ausgeblendet bzw. verschoben.

Die eigentliche Fähigkeit zu Konzentration und Aufmerksamkeit ist bei ADHS nicht beeinträchtigt. Es ist die Lenkbarkeit der Aufmerksamkeit, die bei Betroffenen anders funktioniert als bei Nichtbetroffenen.

9.1.3. Prokrastination: Nicht anfangen können

ADHS-Betroffene haben häufig ein Problem, mit Dingen anzufangen. Dies kann bis zu einer völligen Blockade reichen, mit Dingen zu beginnen.
Ursache dürfte sein, dass bei ADHS das Motivationssystem des Gehirns, das Striatum, einen verringerten (extrazellulären) Dopamin und Noradrenalinspiegel aufweist.
Während bei Nichtbetroffenen die Motivation, Dinge zu beginnen, über den Dopaminspiegel im Belohnungszentrum des Gehirns alleine durch Umwelteinflüsse gesteuert wird, ist bei ADHS dieses Steuerungselement, der extrazelluläre Dopaminspiegel, aufgrund genetischer Disposition in einer Schieflage. In der Folge fühlen manche ADHS-Betroffene eine überhöhte Abneigung, mit etwas anzufangen, die nicht die Umweltbedingungen repräsentiert. (Andere Betroffene können eine überhöhte Affinität haben, Dinge anzufangen, und dafür eher das Problem, sie nicht fertig machen zu können. Dies ist an anderer Stelle zu erörtern.)

Emotionen sind eine starke Steuerungsquelle für menschliches Verhalten. Auch das Gefühl “ich will das nicht” vermittelt eine Bedeutung. Ähnliche Begriffe sind “Automatik”, “Bahnung des Verhaltens” oder “Autobahnen im Kopf”.
Solche Bewertungen sind lebensnotwendig. Menschen sind nicht in der Lage, ständig die gesamte Umwelt kognitiv zu analysieren und ihr gesamtes Verhalten bewusst zu steuern. Hierfür ist der PFC, der eher wie ein Mikroskop einzelne Aspekte der Außenwelt genauer anschauen kann, nicht ausgelegt. Mit einem Mikroskop lassen sich hervorragend Erkenntnisse über einzelne kleine Aspekte der Umwelt erkennen. Für die Steuerung aller Entscheidungen ist es dagegen ungeeignet, weil die Menge der dabei entstehenden Informationen um Dimensionen zu groß wäre.

Die Antriebschwäche, Dinge anzufangen, ist eine solche subjektiv wahrgenommene Bedeutung / Automatik. Derartige Automatiken können trügerisch sein (so wie man auch nie alles glauben sollte, was man denkt, wenn man nachts wachliegt…). Bei ADHS ist diese Bewertung fehlerhaft.
Das zu wissen, kann Betroffenen helfen. Es ändert nichts daran, dass sich die Abneigung auch weiter genauso unerfreulich anfühlt - der Moment selbst wird dadurch nicht leichter. Zu wissen jedoch, dass sich eben nur der erste Schritt so anfühlt und es danach einfacher sein wird, als es sich vorher anfühlt, kann manchen eine Hilfe dabei sein, dem Gefühl, das diese dysfunktionales Antriebsschwäche verursacht, nicht völlig ausgeliefert zu sein.

Der Satz: Wenn du Schwierigkeiten hast, etwas anzufangen, fang es einfach an, klingt zunächst nach Verdummungsrhetorik, wie sie ADHS-Betroffen zu allzu häufig ertragen müssen.
Hier ist ausnahmsweise jedoch ein bisschen etwas dran, weil das Anfangen selbst bereits in eine Tätigkeit führt, die Dopamin ausschüttet, was dann die Fortsetzung der Tätigkeit deutlich leichter macht, als es zuvor wirkte.
So berichten Betroffene beispielsweise von ihren ADHS-betroffenen Kindern, die sich nicht aufraffen können, die Zähne zu putzen, dass ein gemeinsames Beginnen die Hemmung überwindet und das Fortsetzen der Tätigkeit dann leichter fällt, als es zuvor subjektiv erschien.

9.1.4. Prokrastination als Stresssymptom

Viele Quellen, insbesondere aus der Managementliteratur, berichten davon, dass Prokrastination über den dadurch entstehenden Zeitdruck Stress verursacht.
Medizinische Untersuchungen belegen jedoch, dass Prokrastination auch eine Folge von Stress sein kann,4 wenn auch die Korrelation etwas schwächer ist als mit Angst, Depression oder Fatigue.56

Der evolutionsbiologische Stressnutzen von Prokrastination ist unserer Ansicht nach wie bei der Genussunfähigkeit eine Konzentration auf den wichtigsten Stressor. Unwichtigere Dinge werden in ihrer subjektiven Bedeutung abgewertet, die unmittelbar wichtigen Dinge werden aufgewertet, wie es in überlebensrelevanten Situationen richtig wäre. Die Bewertung, was für das eigene Überleben wichtig und was unwichtig ist, muss zwangsläufig stets durch das betroffene Lebewesen selbst vorgenommen werden. In überlebensbedrohlichen Situationen ist es hilfreich, die eigenen Bedürfnisse (das Überleben) stärker zu bewerten als die Bedürfnisse und Anforderungen anderer (extrinsische Motive). Daher folgt die Aufmerksamkeit den persönlichen Interessen, während weniger interessante Anforderungen abgewertet werden. Mehr hierzu unter Stressnutzen – der überlebensfördernde Zweck von Stress.
In der Folge werden alle Dinge, die nicht jetzt sofort ganz zwingend erledigt werden müssen, von Stressbelasteten wie von ADHS-Betroffenen als weniger wichtig und lohnenswert empfunden werden als von Nichtbetroffenen.
Subjektiv unangenehme Dinge werden dadurch verhältnismäßig stärker aufgeschoben und oft erst in letzter Minute erledigt – erst dann rutschen sie in den stressbedingt auf das Hier und Jetzt verschobenen Fokus. Bis dahin sind sie zu weit weg, um interessant genug zu sein, um in den Fokus zu geraten.
Starker Stress sagt: jetzt erst mal überleben – genießen und erholen kannst Du Dich später.
Bei einer gesunden (kurzzeitigen) Stressreaktion ist dies richtig und hilfreich.

9.2. Abwertung späterer Belohnung (Delay Discounting / Reward Discounting)

Weitere Bezeichnungen von “Delay Discounting” sind “Temporal Discounting”, “Intertemporal Choice” oder “Impulsive Choice”.7

Abwertung späterer Belohnungen / Delay Discounting kann als eine Umkehrung von Verzögerungsaversion / Delay Aversion (Abneigung gegen Warten, Ungeduld) betrachtet werden. Beides kann als Ausdruck einer stressbedingt veränderten Motivationslage aufgefasst werden. Ein Review betrachtet Delay Discounting als eine Unterform von Impulsivität.8 Die Kernbotschaft lautet: Überleben ist jetzt. Jetzt ist der Zeitpunkt, sich gegen relevante Gefahren zu wehren, alles was später ist, ist derzeit unwichtig. Alles, was wichtig ist, muss sofort passieren, Alles was nicht so wichtig ist, dass es nicht sofort passieren muss, kann warten, bis der Stressor besiegt ist.

9.2.1. Abwertung späterer Belohnung als ADHS-Symptom

ADHS-Betroffene leiden typischerweise an einer Belohnungsaufschub-Aversion: Lieber eine kleinere Belohnung sofort als die größere Belohnung später.8910 Hinzu treten inkonsistente Entscheidungsmuster.11

Für jeden Menschen sind sofortige Belohnungen intuitiv lohnenswerter als spätere Belohnungen. Die Abnahme des Wertes von späteren, zeitlich verzögerten Belohnungen ist jedoch bei ADHS-Betroffenen erheblich höher als bei Nichtbetroffenen. Während sofortige Belohnungen von ADHS-Betroffenen genauso bewertet werden wie von Nichtbetroffenen, bewerten ADHS-Betroffene später eintretende Belohnungen als erheblich niedriger bzw. weniger attraktiv als Nichtbetroffene.

ADHS-Betroffene zeigen daher eine signifikant schwächere Motivation durch Belohnungen, die in der Zukunft liegen. Es besteht ein stärkerer Anreiz durch sofort verfügbare Belohnungen.

Erscheinungsformen der Bevorzugung sofortiger Belohnung / Abwertung verzögerter Belohnung sind:

  • Suchtprobleme

Sucht und Streben nach sofortiger Belohnung

Der stärkere Anreiz von Sofortbelohnung scheint mit einer Suchtaffinität zusammenzuhängen.
ADHS-Betroffene haben im Verstärkungszentrum des Gehirns (dem Striatum) möglicherweise signifikant weniger Dopamin D2 und D3 Rezeptoren als Nichtbetroffene. Die Anzahl dieser Rezeptoren korrelierte dabei in einer Studie mit Aufmerksamkeit: je weniger D2 und D3 Rezeptoren im Belohnungszentrum, desto geringer ist die Aufmerksamkeitsfähigkeit der Betroffenen.12 Aufmerksamkeitsprobleme könnten danach die selbe Ursache haben wie die Probleme des Belohnungssystems.
Eine andere Studie deutet dagegen auf eine erhöhte D2-Rezeptordichte im Striatum bei ADHS-Betroffenen hin.13

  • Prokrastination
    Die Abwertung von Aufgaben, die nicht unmittelbar wichtig sind, ist eine verwandte Reaktion.

9.2.2. Abwertung späterer Belohnung als Stresssymptom

Auch Discounting of Delayed Rewards oder Temporal Discounting genannt14151617

Belohnungen, die sofort erfolgen, werden von Stress-Betroffenen genauso bewertet wie von Menschen ohne Stress.
Belohnungen, die zeitlich weiter entfernt sind, werden als noch unattraktiver betrachtet als von Menschen ohne Stress.

Ausdrucksformen:

  • Prokrastination
  • Suchttendenzen
  • Unordnung
  • schlechtere Selbstregulationsfähigkeit
    • Selbstregulationsfähigkeit ist ein noch besserer Prädiktor für beruflichen Erfolg als Intelligenz

Suchtprobleme stehen in engem Zusammenhang mit der Bevorzugung sofortigen Belohnung. Psychische oder körperliche Anstrengungen sind nicht notwendig, um die Belohnung zu erhalten. Das Suchtmittel führt zur sofortigen Belohnung, z.B. Entspannung. Suchtprobleme sind typische Stresssymptome

  • Medikamenten- / Nikotin- / Alkoholmissbrauch (Sucht)1819
  • Rauchen korreliert mit Stress15

9.3. Verzögerungsaversion (Delay Aversion)

Verzögerungsaversion (Delay Aversion) kann als das Spiegelbild von Abwertung späterer Belohnungen (Delay Discounting) beschrieben werden und den Gegenpol von Prokrastination im Sinne einer Regulationsstörung darstellen.
Verzögerungsaversion tritt bei Kindern wie bei Erwachsenen mit ADHS auf. Verzögerungsaversion ist ein zeitlich überdauerndes motivationales Defizit, das durch erhöhte subjektiv motivierende Anreize verringert oder beseitigt werden kann.20

9.3.1. Verzögerungsaversion bei ADHS

9.3.1.1. Ungeduld; Warten wird als unangenehm empfunden
  • wenn andere nur langsam verstehen, treibt das in den Wahnsinn
  • Eltern erregen sich bei langsamem Verständnis ihrer Kinder bei Hausaufgaben21
  • Aufgaben werden begonnen, ohne sich vorher die Anweisung anzuhören oder die Anleitung zu lesen.
    Dies ist eines der 9 häufigsten Symptome für ADHS bei Erwachsenen.22
    • Bedienungsanleitungen vor Inbetriebnahme von Geräten werden allenfalls diagonal gelesen
    • Aufbauanleitungen von Möbeln werden ungern gelesen
  • besonders starke Abneigung gegen Staus, Warteschlangen; bis hin dazu, dass diese aggressiv machen können,21 wobei letzteres wohl den ADHS-I-Subtyp weniger betreffen dürfte
  • Schwierigkeiten zu warten, bis man an der Reihe ist
  • innere Unruhe, wenn man nicht selbst handeln, sondern das Handeln anderer begleiten soll
    • z.B. Tendenz, Aufgaben anderer selbst auszuführen, statt es diese (ggf. langsamer / schlechter, weil erst lernend) machen zu lassen
  • Tendenz, andere zu unterbrechen
  • Antworten erfolgen, bevor Frage zu Ende angehört wurde
  • Überbordende Ideen müssen schnell mitgeteilt werden, bevor sie drohen, vergessen zu werden21
  • Schneller Autofahren als andere21
    Dies ist ebenfalls eines der 9 treffsichersten Symptome von ADHS bei Erwachsenen.22

Anmerkung: Diese Verhaltensweisen finden sich auch bei Betroffenen von z.B. akuter (Hypo)Manie, bipolarer Störung, narzisstischer oder zwanghafter Persönlichkeitsstörung.

Dass Langeweile als extrem unangenehm empfunden wird, dürfte eher einer Dysphorie bei Inaktivität zuzuschreiben sein

9.3.2. Korrelation von Verzögerungsaversion mit anderen Symptomen

Nach dem aktuellen Datenstand des ADxS-Symptomtests (Juni 2020, n = 1.889) scheint Verzögerungsaversion nicht allein aus einer Inhibitionsproblematik zu resultieren, wie sie Impulsivität zugrunde liegt, sondern korreliert deutlich stärker mit Innerer Unruhe und Frustrationsintoleranz als mit Impulsivität und als Impulsivität mit diesen. Ebenso scheint die Korrelation mit emotionaler Dysregulation im Vergleich zu Impulsivität erhöht.
Interessanterweise scheint die Korrelation von Verzögerungsaversion zu Prokrastination erheblich geringer als zu Impulsivität und die Korrelation von Prokrastination zu Impulsivität gleich zu der zu Verzögerungsaversion.

Symptome Verzögerungsaversion / Ungeduld Impulsivität
Innere Unruhe 0,85 0,69
Frustrationsintoleranz 0,79 0,57
Impulsivität 0,67
Verzögerungsaversion / Ungeduld 0,67
Belohnungsaufschubprobleme 0,58 0,46
Erholungsunfähigkeit 0,57 0,45
Unaufmerksamkeit 0,56 0,53
Hyperaktivität 0,55 0,59
erhöhte Sensibilität 0,53 0,43
Rejection Sensitivity 0,53 0,41
Prokrastination 0,34 0,34

Stand Juni 2020. n = 1.889- Die angegebenen Werte geben die Korrelation der Symptome relativ zueinander wieder.Es handelt sich um einen nicht validierten Online-Selbsttest (Screening).

9.3.2. Verzögerungsaversion als Stresssymptom

Verzögerungsaversion wird auch als Impulsivitätsreaktion verstanden. Es korreliert mit Impulsivität bei Stress, bei Frauen zugleich mit steigender Herzrate.2324

Stress verringernde Maßnahmen verringern zugleich die Verzögerungsaversion.14


  1. Mayer: Glossar Psychiatrie / Psychosomatik / Psychotherapie / Neurologie / Neuropsychologie: Motivation

  2. Zimbardo (2004): Psychologie, zitiert nach Mayer: Glossar Psychiatrie / Psychosomatik / Psychotherapie / Neurologie / Neuropsychologie: Motivation

  3. Smith, Langberg, Cusick, Green, Becker (2019): Academic Motivation Deficits in Adolescents with ADHD and Associations with Academic Functioning. J Abnorm Child Psychol. 2019 Nov 18. doi: 10.1007/s10802-019-00601-x.

  4. Kim, Hong, Lee, Hyun (2017): Effects of time perspective and self-control on procrastination and Internet addiction. J Behav Addict. 2017;6(2):229-236. doi:10.1556/2006.6.2017.017

  5. Klein, Brähler, Dreier, Reinecke, Müller, Schmutzer, Wölfling, Beutel (2016): The German version of the Perceived Stress Scale – psychometric characteristics in a representative German community sample. BMC Psychiatry. 2016 May 23;16:159. doi: 10.1186/s12888-016-0875-9. PMID: 27216151; PMCID: PMC4877813.

  6. Beutel, Klein, Aufenanger, Brähler, Dreier, Müller, Quiring, Reinecke, Schmutzer, Stark, Wölfling (2016); Procrastination, Distress and Life Satisfaction across the Age Range – A German Representative Community Study. PLoS One. 2016 Feb 12;11(2):e0148054. doi: 10.1371/journal.pone.0148054. PMID: 26871572; PMCID: PMC4752450.

  7. Mitchell (2019): Linking Delay Discounting and Substance Use Disorders: Genotypes and Phenotypes. Perspect Behav Sci. 2019 Jul 10;42(3):419-432. doi: 10.1007/s40614-019-00218-x. PMID: 31976442; PMCID: PMC6768927.

  8. Levitt, Sanchez-Roige, Palmer, MacKillop (2020): Steep Discounting of Future Rewards as an Impulsivity Phenotype: A Concise Review. Curr Top Behav Neurosci. 2020;47:113-138. doi: 10.1007/7854_2020_128. PMID: 32236897.

  9. de Castro Paiva, de Souza Costa, Malloy-Diniz, Marques de Miranda, Jardim de Paula (2019). Temporal Reward Discounting in Children with Attention Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD), and Children with Autism Spectrum Disorder (ASD): A Systematic Review. Dev Neuropsychol. 2019 Sep;44(6):468-480. doi: 10.1080/87565641.2019.1667996. REVIEW

  10. Yu, Sonuga-Barke, Liu (2018): Preference for Smaller Sooner Over Larger Later Rewards in ADHD: Contribution of Delay Duration and Paradigm Type. J Atten Disord. 2018 Aug;22(10):984-993. doi: 10.1177/1087054715570390. Epub 2015 Feb 11. PMID: 25672671.

  11. Gabrieli-Seri O, Ert E, Pollak Y (2022): Symptoms of Attention Deficit/Hyperactivity Disorder Are Associated with Sub-Optimal and Inconsistent Temporal Decision Making. Brain Sci. 2022 Sep 28;12(10):1312. doi: 10.3390/brainsci12101312. PMID: 36291246; PMCID: PMC9599375.

  12. Volkow, Wang, Newcorn, Kollins, Wigal, Telang, Fowler, Goldstein, Klein, Logan, Wong, Swanson (2011): Motivation deficit in ADHD is associated with dysfunction of the dopamine reward pathway; Mol Psychiatry. 2011 Nov;16(11):1147-54. doi: 10.1038/mp.2010.97.

  13. Ilgin, Senol, Gucuyener, Gokcora, Sener (2001): Is increased D2 receptor availability associated with response to stimulant medication in ADHD. Dev Med Child Neurol. 2001 Nov;43(11):755-60. n = 9

  14. Buhusi, Olsen, Yang, Buhusi (2016): Stress-Induced Executive Dysfunction in GDNF-Deficient Mice, A Mouse Model of Parkinsonism. Front Behav Neurosci. 2016 Jun 21;10:114. doi: 10.3389/fnbeh.2016.00114. eCollection 2016

  15. Fields, Leraas, Collins, Reynolds (2009): Delay discounting as a mediator of the relationship between perceived stress and cigarette smoking status in adolescents.Behav Pharmacol. 2009 Sep;20(5-6):455-60. doi: 10.1097/FBP.0b013e328330dcff

  16. Braun, Helmeke, Poeggel, Bock (2005): Tierexperimentelle Befunde zu den hirnstrukturellen Folgen früher Stresserfahrungen. In: Egle, Hoffmann, Joraschky (Hrsg.) Sexueller Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung. 3. Aufl, S. 44 – 58

  17. Eckerle (2010): Neurobiologische Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Hochbegabung und psychischen Störungen (z.B. ADS) in der Adoleszenz.

  18. Hebold, Stress und Stressverarbeitung bei Kindern und Jugendlichen, in: Schluchter, Tönjes, Elkins (Hrsg.), (2004): Menschenskinder! Zur Lage von Kindern in unserer Gesellschaft. Band zur Vortragsreihe des Humanökologischen Zentrums der BTU Cottbus, Seite 86

  19. Satow (2012): Stress- und Coping-Inventar (SCI); PSYNDEX Test-Nr. 9006508; Test im Testinventar des Leibniz‐Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID).

  20. Marx (2014): Das Konzept der Verzögerungsaversion bei Personen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Entwicklungsaspekte, Bedingungsfaktoren und differentialdiagnostische Befunde. Dissertation.

  21. Krause, Krause (2014): ADHS im Erwachsenenalter, S. 61

  22. Barkley, Benton (2010): Das große Handbuch für Erwachsene mit ADHS, Seite 22

  23. Diller, Patros, Prentice (2011): Temporal discounting and heart rate reactivity to stress. PR.Behav Processes. 2011 Jul;87(3):306-9. doi: 10.1016/j.beproc.2011.05.001.

  24. da MattaI, GonçalvesIIi, BizarroI (2012): Delay discounting: concepts and measures; Psychology & Neuroscience; On-line version ISSN 1983-3288; Psychol. Neurosci. vol.5 no.2 Rio de Janeiro July/Dec. 2012 http://dx.doi.org/10.3922/j.psns.2012.2.03

Diese Seite wurde am 11.09.2024 zuletzt aktualisiert.