6. Denkblockaden / Entscheidungsfindungsprobleme bei ADHS
Autor: Ulrich Brennecke
Review: Dipl.-Psych. Waldemar Zdero
Denkblockaden sind eine vorübergehende Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit, die oft durch akuten Stress verursacht wird. Sie treten bei ADHS mit Hyperaktivität/Impulsivität (ADHS-HI, ADHS-C) als auch bei ADHS mit überwiegender Unaufmerksamkeit (ADHS-I) etwa gleich häufig auf.
Entscheidungsfindungsprobleme scheinen häufiger bei ADHS-I aufzutreten. Hohe Noradrenalinspiegel blockieren den präfrontalen Kortex (PFC). Diese Blockade führt zu Entscheidungsproblemen, da der PFC für die Abwägung von Optionen wichtig ist. Denkblockaden können auch Symptome von starkem Stress sein.
- 6.1. Denkblockaden als ADHS-Symptom
- 6.2. Entscheidungsfindungsprobleme als ADHS-Symptom
- 6.3. Neurophysiologische Korrelate von Denkblockaden und Entscheidungsfindungsproblemen
- 6.4. Denkblockaden als Stresssymptome
6.1. Denkblockaden als ADHS-Symptom
Denkblockaden sind eine phasenweise Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit (formale Denkstörung), die meist durch eine große akute Stressbelastung hervorgerufen wird.
Ein typisches Beispiel von Denkblockaden sind Prüfungsblackouts.
Denkblockaden treten bei ADHS-HI wie bei ADHS-I etwa gleich häufig auf.
6.2. Entscheidungsfindungsprobleme als ADHS-Symptom
Entscheidungsfindungsprobleme meint Probleme mit dem Treffen von Entscheidungen, nicht Probleme mit der Qualität oder Richtigkeit getroffener Entscheidungen.
Entscheidungsprobleme scheinen bei ADHS-I deutlich häufiger aufzutreten als bei ADHS. Dies deutet darauf hin, dass die verschiedenen Erscheinungsformen unterschiedliche neurophysiologische Korrelate haben.
Während ADHS-HI verstärkt mit einer zu spontanen, zu impulsiven Entscheidungsfindung korreliert, ist bei ADHS-I die Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen häufig massiv beeinträchtigt. Selbst einfache Entscheidungen können das Gefühl einer Überforderung auslösen.
Eine Studie fand, dass die Entscheidungsqualitätsprobleme von Jugendlichen mit ADHS weniger aus einer Risikoaffinität als aus einer suboptimalen, weil weniger komplex bewertenden Entscheidungsfindung resultierten, die nicht alle entscheidungsrelevanten Faktoren berücksichtigte.1
6.3. Neurophysiologische Korrelate von Denkblockaden und Entscheidungsfindungsproblemen
Hohe Noradrenalinspiegel blockieren den PFC via Alpha-1-Adrenozeptoren und verlagern die Verhaltenssteuerung auf posteriore Gehirnregionen.2345 Da der PFC für die Abwägung multipler Entscheidungsoptionen sehr wichtig ist, führt eine Blockade des PFC naturgemäß zu erhöhten Entscheidungsfindungsproblemen.
Entscheidungsfindungsprobleme sind von Schwierigkeiten der Zeitwahrnehmung abzugrenzen.6
Genaueres hierzu siehe unter ⇒ Neurophysiologische Korrelate von Denkblockaden und Entscheidungsproblemen
6.4. Denkblockaden als Stresssymptome
Denkblockaden sind auch als Symptome von schwerem Stress bekannt.78 Die ausgeprägteste Form ist die Denksperrung.
Dekkers, Huizenga, Popma, Bexkens, Zadelaar, Jansen (2019): Decision-Making Deficits in Adolescent Boys with and without Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder (ADHD): an Experimental Assessment of Associated Mechanisms. J Abnorm Child Psychol. 2019 Dec 28. doi: 10.1007/s10802-019-00613-7. ↥
Ramos, Arnsten (2007): Adrenergic pharmacology and cognition: focus on the prefrontal cortex. Pharmacol Ther. 2007 Mar; 113(3):523-36., Kapitel 6 ↥
Birnbaum, Gobeske, Auerbach, Taylor, Arnsten (1999): A role for norepinephrine in stress-induced cognitive deficits: α-1-adrenoceptor mediation in prefrontal cortex. Biol. Psychiatry 46, 1266–1274. ↥
Ramos, Colgan, Nou, Ovadia, Wilson, Arnsten (2005). The beta-1 adrenergic antagonist, betaxolol, improves working memory performance in rats and monkeys. Biol. Psychiatry 58, 894–900. ↥
ähnlich: Arnsten (2000): Stress impairs prefrontal cortical function in rats and monkeys: role of dopamine D1 and norepinephrine alpha-1 receptor mechanisms. Prog Brain Res. 2000;126:183-92. ↥
Shapiro, Huang-Pollock (2019): A diffusion-model analysis of timing deficits among children with ADHD. Neuropsychology. 2019 May 16. doi: 10.1037/neu0000562. ↥
Bartsch (2015): Störungen der Gedächtnisfunktion, Seite 44, zitiert nach Schmidtke (2013), Funktionelle Gedächtnis und Konzentrationsstörungen ↥