Grundsätzlich sollten bereits im Rahmen einer ADHS-Diagnostik die Blutspiegel von Schilddrüsenhormonen, Vitaminen und Mineralstoffen abgeklärt werden. Die Beseitigung von Mangelzuständen bei Vitaminen und Mineralstoffen kann durchaus dazu beitragen, eine ADHS-Symptomatik zu lindern, insbesondere bezüglich:
- D3 (vor allem in den Wintermonaten)
- B12
- B6
- B9 (Folat)
- Zink
- Eisen
- Magnesium
- Folsäure
Die Hoffnung, ADHS-Symptome allein mittels Vitaminen, Mineralstoffen oder anderen in diesem Beitrag behandelten Mitteln angemessen zu beseitigen, ist indes leider nur eine Illusion. Selbst ein tatsächlich bestehendes Vitamin- oder Mineralstoffdefizit, das adäquat behoben wird, bringt in der Regel lediglich eine Effektstärke von 0,2 zur Verbesserung der ADHS-Symptome, während die Standardmedikamente MPH oder AMP eine Effektstärke von 1 bis 1,4 zeigen.
1. Vitamine und Mineralstoffe sind kein Spielzeug¶
Vorsicht bei der Einnahme von rezeptfreien Medikamenten, Vitaminen oder Mineralstoffen!
Ein Überschuss an Vitaminen und Mineralstoffen ist genauso schädlich wie ein Mangel. Daher gilt:
- erst messen (jährlich wiederholen)
- dann nur das Defizit auffüllen.
So wie bei jedem Ding, das eine Wirkung hat, kann diese positiv oder negativ sein.
Vitamine oder Mineralstoffe können nicht nur die erhoffte positive Wirkung haben, sondern - unpassend eingesetzt - auch massive Nebenwirkungen.
So wie Stimulanzien, die Dopamin und Noradrenalin erhöhen, bei Menschen, deren Dopamin oder Noradrenalin bereits zu hoch ist, negativ wirken kann, können auch Vitamine oder Mineralstoffe, von denen bereits genug vorhanden sind, erhebliche Gefahren ausgehen.
Ein anderes Beispiel: Um ins Gehirn zu gelangen, müssen Wirkstoffe die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Werden nun unbedacht Stoffe eingenommen oder kombiniert, die dieselben Transporter verwenden, können andere Stoffe vom Transport ausgeschlossen werden. So kann eine Kombination bestimmter Aminosäuren, die mit Tyrosin und Phenylalanin um die gleichen Blut-Hirn-Schranke-Transporter konkurrieren, die beiden genannten vom Transport ausschließen. Da Tyrosin für die Dopamin- und Noradrenalinsynthese notwendig ist, würde das zu einem Dopamin und Noradrenalinmangel führen - und damit ADHS-Symptome verursachen. Daher kann eine Einnahme von Tryptophan, L-Methionin, Histidin, Threonin, Glycin, Lysin, Arginin, Leucin, Isoleucin oder Valin ohne eine gleichzeitige Einnahme von Tyrosin oder Phenylalanin nachteilig sein. Mehr hierzu unter Tyrosin im Beitrag Dopaminbildung und Einlagerung
So wie jeder bei seinem eigenen Job weiß, dass die Dinge meist sehr viel komplizierter sind, als ein Außenstehender sich dies vorstellen kann, sollte dies jeder auch für den Bereich der Medizin erkennen und nicht ohne den Rat eines erfahrenen Arztes Eigenbehandlungen versuchen.
2. Alternative Heilmethoden sind nur so lange alternativ, bis sie wirken¶
Manche Medikamente haben allein deswegen einen Markt, weil bestimmte “herkömmliche” Medikamente aus überzeugter Ablehnung des “herkömmlichen” an sich abgelehnt werden. Dass bei dieser Überzeugung lediglich ein Dogma durch ein anderes ersetzt wird, ist offenkundig. Es sollte beachtet werden, dass es auf allen Märkten – auf dem Markt für “alternative” Behandlungsangebote genauso wie auf dem Markt für “herkömmliche” Behandlungsangebote – Marktteilnehmer gibt, die lediglich ihren wirtschaftlichen Vorteil im Auge haben. Daher muss auch bei “alternativen” Behandlungsmethoden auf eine solide wissenschaftliche Basis geachtet werden.
Genau genommen ist eine nachweisbar wirksame “alternative” Behandlung ein Widerspruch in sich – würde eine alternative Behandlungsweise einen wissenschaftlich oder empirisch nachweisbaren signifikanten Behandlungserfolg verzeichnen, wäre sie nicht mehr alternativ, sondern etabliert. Lediglich in dem Zeitraum zwischen Vorstellung einer neuen Behandlungsmethode und dem Nachweis ihrer Wirksamkeit könnte eine alternative Behandlungsmethode, sofern sie wirksam ist, noch nicht etabliert sein. In dieser Zeit ist sie dann zwar nicht herkömmlich – aber es ist sehr viel mehr Lotto, ob sie überhaupt wirkt und dass keine unerwünschten Nebenwirkungen auftreten.
Es mag sein, dass Hersteller etablierter Mittel kein Interesse an einer Verbreitung neuer, konkurrierender Behandlungsformen haben. Das ist aber auch nicht ihre Aufgabe. Sie haben jedoch schlicht keinen Einfluss darauf, ob Ärzte oder Therapeuten (die vornehmlich ein Interesse am Behandlungserfolg und kaum an der Verwendung ganz bestimmter Behandlungsformen hierzu haben) eine andere Behandlungsart anwenden oder nicht.
Es ist vielmehr die Aufgabe der Anbietern neuer (und nur bis zum Nachweis ihrer Wirksamkeit “alternativer”) Behandlungsformen selbst, die Wirksamkeit und Sicherheit der von ihnen angebotenen Behandlungsweisen nachzuweisen und zu kommunizieren. Und dafür reichen einzelne Studien - gar noch von den Herstellern selbst finanziert - keineswegs.
Es besteht allerdings ein Unterschied in Bezug auf die Marketingetats unterschiedlicher Behandlungsformen. Je allgemeiner und verbreiteter Wirkstoffe sind, desto mehr Anbieter gibt es hierfür. Studien über die Wirksamkeit von Wirkstoffen sind teuer. Einzelne Anbieter von weitverbreiteten Wirkstoffen können sich derartige Studien in der Regel nicht leisten, besonders, wenn es sich um patentfreie Wirkstoffe handelt.
3. Eigeninteresse von Studien erkennen¶
Wie bei allen Studien zu Medikamenten sollte sorgfältig abgewogen werden, ob die Autoren einer Studie besondere Vorteile an der Propagierung der bestimmten Medikamente haben.
Passend hierzu gibt es immer wieder Studien, die durch massive Vitamin- oder Mikronährstoffgaben in Doppelblindstudien positive Ergebnisse zeigen.
Beispielsweise lag die Effektstärke einer Studie mit 0,46 bis 0,67 vergleichsweise (um nicht zu sagen: verdächtig*) hoch – und doch immer noch deutlich unter derjenigen, die mit geeigneten Medikamenten erreicht werden kann (MPH 1, AMP 1,1). Gleichwohl wäre es erfreulich, diese Wirkung zusätzlich generieren zu können.
Die in der zitierten Studie gegebenen Dosen liegen jedoch teilweise sehr weit oberhalb der empfohlenen Tagesdosen, was das Risiko von Überdosierungsnebenwirkungen nach sich zieht.
Da es sich zudem um ein markengeschütztes Präparat handelt, sollten die Ergebnisse mit besonderer Vorsicht beurteilt werden. Belastbar sind Untersuchungsergebnisse erst, wenn diese in verschiedenen Studien durch verschiedene Forscherteams wiederholt werden können. Studien von Markenprodukten werden in aller Regel durch den Hersteller finanziert, der wiederum derartige Studien lediglich dann veröffentlicht, wenn sie positiv ausfallen. Da Studien häufig eine Ungenauigkeitsbandbreite haben, bedarf es oft lediglich einer höheren Anzahl von Studien, unter denen lediglich die positiven veröffentlicht werden. Des erläutert, warum Studien, die durch Hersteller von Wirkstoffen oder gar Markenprodukten finanziert werden, mit besonderer Vorsicht zu betrachten sind.
Wir stellen in diesem Abschnitt Vitamine, Mineralstoffe und weitere Mittel vor, die von der Fachliteratur in Bezug auf ADHS genannt wurden.
1. Vitamine bei ADHS
2. Mineralstoffe bei ADHS
3. Ungesättigte Fettsäuren und weitere Stoffe bei ADHS