Nortriptylin bei ADHS
Nortriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum.
Handelsnamen sind Nortrilen (EU, CH), Aventyl (USA, CDN), Pamelor (USA)
Nortrilen wurde im Jahr 2017 in Deutschland vom Markt genommen und ist seither nur noch über das europäische Ausland (teurer) zu beziehen. Nach Berichten einzelner Betroffener soll das aus Holland reimportierte Nortrilen nicht so gut wirken wie das zuvor in Deutschland erhältliche.
Nortriptylin wirkt vorwiegend noradrenerg als Noradrenalinwiederaufnahmehemmer.1
Daneben wirkt es schwächer auch serotonerg als Serotoninwiederaufnahmehemmer (in deutlich geringerem Maße als Imipramin).
Nortriptylin wird zuweilen als augmentierendes Mittel bei ADHS verwendet. Es kann die Wirkung von Stimulanzien unterstützen.
Beim Einsatz gegen ADHS ist eine sehr viel niedrigere Dosierung erforderlich als es bei einem Einsatz als Antidepressivum sonst üblich wäre.
Dosierung als Antidepressivum: 20 – 225 mg / Tag
Dosierung bei ADHS: 1 mal 10 mg bis 2 mal 20 mg/Tag
(Dosierungsanweisungen des behandelnden Arztes sind allein maßgeblich!)
Nortriptylin wirkt im Vergleich zu Imipramin eher aktivierend / antriebsteigernd. Nortriptylin ist daher für ADHS-I (ohne Hyperaktivität) angezeigt. Die Gabe von Nortriptylin bei ADHS-HI-Betroffenen (mit Hyperaktivität) kann Aggressionen oder Hibbeligkeit auslösen.
Nortriptylin kann in sehr seltenen Fällen als Nebenwirkung Depressionen auslösen. Dies kann insbesondere durch Überdosierung oder durch schnelles an- und absetzen ausgelöst werden.
Etliche ADHS-Betroffene berichten, dass Nortriptylin in den ersten Tagen der Einnahme sehr gut wirkt. Die Wirkung sei wie bei Imipramin, dass der “grüne Bereich” zwischen Überlastung und Unterforderung breiter wird. Nach 2 bis 4 Wochen lässt diese Wirkung jedoch nach.
Dies könnte auf eine Down- oder Upregulation von Rezeptoren hindeuten.
Ein Betroffener berichtete, dass eine Einnahme für jeweils 2 Tage mit einer folgenden Pause von 2 Tagen dem Nachlassen der Wirkung entgegenwirkte. Dies könnte möglicherweise darauf hindeuten, dass bei ADHS eher ein Problem der phasischen als der tonischen Noradrenalinverfügbarkeit bestehen könnte.
Mehr hierzu unter ⇒ Interaktion Cortisol – Locus coeruleus und weiteren Abschnitten im Beitrag ⇒ Noradrenalin.
Wie aus der Verwendung von SSRI bekannt, ist eine längere Einnahme von Serotoninwiederaufnahmehemmern regelmäßig mit einer Rezeptoranpassung (Up- oder Downregulation) verbunden, da die Wirkung als Antidepressivum dort ganz üblich erst nach einigen Wochen einsetzt. Anders ist dies bei einer geringen SSRI-Gabe zur Verringerung von Impulsivitätsproblemen, die eine sofortige Wirkung vermittelt.
Möglicherweise sind die berichteten Anpassungsreaktionen auch Folge einer zu hohen Dosierung.
Nortryptilin soll als Nebenwirkung mit einer Gewichtszunahme verbunden sein.2
Dies eröffnet die theoretische Option, durch eine Kombinationsmedikation einem zu starken Gewichtsverlust bei Stimulanzien entgegenzuwirken.
Häßler (2009): substanzgebundene Alternativen in der Therapie von ADHS, Seite 174, in: Häßler (Hrsg) das ADHS Kaleidoskop – State of the Art und bisher nicht beachtete Aspekte von hoher Relevanz; medizinisch wissenschaftliche Verlagsgesellschaft ↥
Otasowie, Castells, Ehimare, Smith (2014): Tricyclic antidepressants for attention deficit hyperactivity disorder (ADHD) in children and adolescents. Cochrane Database Syst Rev. 2014 Sep 19;(9):CD006997. doi: 10.1002/14651858.CD006997.pub2. PMID: 25238582., METASTUDIE ↥