Alle beschriebenen Medikamente sollten stets nur durch erfahrene Ärzte verschrieben werden. Unsere Ausführungen sind nur als Anstöße für ein persönliches Arztgespräch gedacht.
Da die ADHS-Symptome ganz überwiegend aus dem dopaminergen und dem noradrenergen System stammen, ist eine kombinierte Medikation mit dopaminergen und noradrenergen Mitteln empfehlenswert.
Medikamente bei ADHS wirken leider nicht in einer heilenden Art und Weise. Sie wirken lediglich als Korrektur der neuronalen Fehlfunktionen – wie eine Brille, die eine bestehende Fehlsichtigkeit korrigiert, solange sie getragen wird.
1. Stressreaktion beeinflussende Medikamente¶
Mit Beeinflussung der Stressreaktion meinen wir nicht sedierende oder andere allgemeine Effekte, sondern Auswirkungen von Medikamenten auf die Reaktion der Stressregulationssysteme.
1.1. Anxiolytika¶
Anxiolytika (angsthemmende Medikamente) verringern schon bei Einzelgaben ganz allgemein die Reaktivität der Stresssysteme.
1.2. Antidepressiva¶
Einzelgaben von Antidepressiva haben teils hemmende, teils aktivierende Auswirkungen auf die Stresssysteme.
1.3. Stimulanzien¶
Eine stimulierende Wirkung allein ist für eine Wirksamkeit bei ADHS nicht ausreichend. So sind Pseudoephedrin und Ephedrin zwar Stimulanzien, sind jedoch bei ADHS wirkungslos. Weiter ist L-Methylphenidat 6-mal so stimulierend wie D-MPH, dennoch ist nur D-MPH bei ADHS wirksam.
1.3.1. Stimulanzien und Stressresistenz¶
Stimulanzien regen die Reaktivität der Stresssysteme an.
Stimulanzien sind in der Lage, die Aufmerksamkeitssteuerung von ADHS-Betroffenen durch Anhebung der Motivierbarkeit der von Nichtbetroffenen anzugleichen. Dies könnte (mit-)erklären, warum Stimulanzien bei ADHS-HI und ADHS-C ebenso hilfreich sind wie bei ADHS-I. Mehr zur abweichenden Funktion des DMN bei ADHS und dessen Normalisierung durch Stimulanzien samt weiterer Quellenangaben unter ⇒ DMN (Default Mode Network) im Beitrag ⇒ Neurophysiologische Korrelate von Hyperaktivität.
1.3.2. Stimulanzien und Emotionen¶
Barkley erläuterte in einem Vortrag, dass Stimulanzien die Emotionen dämpfen können, indem sie das limbische System hemmen. Je höher die Dosierung, desto stärker würde das limbische System (u.a. die Amygdala) gehemmt. Dies verringert naturgemäß Affekte.
Eine zu hohe Dosierung von Stimulanzien führe daher zu eingeschränkten Emotionen.
Er berichtet weiter, dass aus diesem Grunde immer häufiger Mischmedikamentierungen angewendet werden, um den großen Vorteil von Stimulanzien zu bewahren und die Nachteile zu begrenzen.
1.3.3. Langzeitcompliance – Phasen der Medikamenteneinnahme¶
Es wird häufig beobachtet, dass Stimulanzien von ADHS-Betroffenen einige Jahre (ca. 1,5 bis 3 Jahre) nach der Erstverschreibung abgesetzt werden. Einige Jahre später (etwa 4 bis 6 Jahre nach der Erstverschreibung) kommt es wieder zu einer erhöhten Einnahme.
Unsere Hypothese ist, dass diese Rückkehr zu einer erhöhten Einnahme möglicherweise auch unter anderem durch folgenden Mechanismus vermittelt werden könnte:
Stimulanzien erhöhen nachgewiesenermaßen die Neuroplastizität, indem Dopamin und andere neurotrophe Faktoren erhöht werden. Dies ermöglicht besseres Lernen (iSv Wissensaneignung) und eine bessere Adaption von Erfahrungen im Sinne einer Verinnerlichung / Automatisierung von funktionalen Verhaltensweisen als Anpassungsprozess an Umwelterfahrungen. Mehr hierzu unter ⇒ Neurophysiologische Korrelate von Lernproblemen bei ADHS.
Eine Einnahme von Stimulanzien ermöglicht nun eine Anpassung der funktionalen Verhaltensweisen an die aktuellen Anforderungen.
Ist diese Anpassung nach einigen Jahren ausreichend geschehen, führt ein kurzfristiges Absetzen von Stimulanzien nicht zu unmittelbar defizitären Verhaltensweisen, da die aktuell abgespeicherten Verhaltensmuster nun auf die aktuelle Umgebung angepasst sind und daher im Moment auch ohne Medikamente weiter funktionieren.
Bei fortgesetzter Nichteinnahme der Medikamente unterbleibt jedoch die stets weiter erforderliche Anpassung der Verhaltensweisen an neue Umweltanforderungen. Mit den sich nach und nach ändernden Umweltanforderungen werden die abgespeicherten Verhaltensweisen, die auf frühere Umweltanforderungen hin optimiert waren, zunehmend dysfunktional. Haben die Schwierigkeiten wieder ein bestimmtes Maß erreicht, wird durch den Leidensdruck erinnert, dass gegen diese Schwierigkeiten die Medikamente am Anfang sehr gut geholfen haben, was zu einer erneuten Medikamenteneinnahme führt.
Die selbstberichteten Gründe für eine Unterbrechung der Medikamenteneinnahme sind bei Eltern häufig ein Misstrauen gegenüber Medikamenten (Sorge vor Nebenwirkungen, Gewichtsverlust, Wachstumsverzögerungen) während jugendliche Betroffene selbst völlig andere Motive angeben, nämlich den Wunsch, sich ohne Medikamente frei zu entfalten.
2. Dopaminerg wirkende Medikamente¶
Dopaminerge Medikamente haben bei ADHS die führende Rolle, da die meisten Symptome durch Dopamin(wirk)mangel im dlPFC und Striatum hervorgerufen werden.
Dopaminerge Medikamente haben begleitend zu psychotherapeutischen Maßnahmen den weiteren Nutzen, dass sie die Neuroplastizität des Gehirns erhöhen und damit die Therapiewirksamkeit unterstützen bzw. eine Therapiefähigkeit herstellen.
Dopamin wird zu etwa 5 % in Noradrenalin verstoffwechselt, sodass dopaminerge Medikamente stets zugleich einen (wenn auch geringen) noradrenergen Einfluss haben.
Dopaminerge Medikamente adressieren das vordere Aufmerksamkeitszentrum.
⇒ Das dopaminerge und das noradrenerge Aufmerksamkeitszentrum.
3. Noradrenerg wirkende Medikamente¶
Noradrenalin wird im Nucleus coeruleus gebildet und steuert unter anderem das hintere Aufmerksamkeitszentrum im parietalen Kortex.
⇒ Das dopaminerge und das noradrenerge Aufmerksamkeitszentrum.
3.1. Noradrenalinspiegel erhöhende Medikamente¶
Noradrenalinwiederaufnahmehemmer erhöhen die Menge des verfügbaren Noradrenalins. Reine Noradrenalinwiederaufnahmehemmer sind die “zweite Wahl” neben den dopaminerg und noradrenerg wirksamen Stimulanzien. Sie können jedoch eine Medikation mit MPH gegebenenfalls unterstützen.
MPH, Amphetaminmedikamente und Atomoxetin wirken jeweils dopaminerg und noradrenerg, wobei Atomoxetin nur im PFC noradrenerg und dopaminerg wirkt , während MPH zusätzlich auch im Striatum dopaminerg wirkt.
⇒ Wirkung von Atomoxetin anders als MPH
3.2. Wirkung noradrenerger Medikamente¶
Die Wirkung noradrenerger Medikamente wird von ADHS-Betroffenen subjektiv so beschrieben, dass sich der “grüne Bereich” zwischen Unterforderung (die ADHS-Betroffene innerlich abschalten lässt), und Überforderung (die ADHS-Betroffene in den Stress treibt), größer wird. Die Ausgeglichenheit erhöht sich. Affektdurchbrüche (Wutausbrüche, emotionale Überreaktionen) verringern sich.
Noradrenerge Medikamente verbessern die ADHS-Symptome
- Affektdurchbrüche (Wutausbrüche)
- emotionale Impulskontrolle
- Wachheit
-
Vigilanz
Dopaminerge Medikamente können diese Symptome nicht direkt beeinflussen (allenfalls durch das Noradrenalin, das aus dem Abbau von Dopamin entsteht).
Ebenso sollen Amphetaminmedikamente hier hilfreich sein.
Eine augmentierende optimale Einstellung mit noradrenergen Medikamenten kann subjektiv den Gewinn, den Methylphenidat bewirkt, verdoppeln. (Einzelne) Betroffene berichten, dass eine optimal eingestellte Dosierung in Kombination mit Stimulanzien bei ihnen die Symptome des ADHS komplett beseitigte. Leider war diese Wirkung zeitlich begrenzt, was auf eine Up- oder Downregulation von Rezeptoren hindeutet (siehe 2.4.).
3.3. Ansprechgeschwindigkeit noradrenerger Medikamente¶
Primär noradrenerge Medikamente müssen in der Regel 2 bis 3 Wochen angeflutet werden, bis sie wirken.
Ein Absetzen noradrenerger Medikamente sollte über denselben Zeitraum ausschleichend erfolgen, um Depressionen zu vermeiden.
Aufgrund des langsamen Dosierungsansprechens sollten noradrenerge Medikamente weder kurzfristig erhöht, ausgelassen noch abgesetzt werden.
Die Ansprechgeschwindigkeit entspricht der Serotonin-Wiederaufnahme-hemmender Medikamente.
3.4. Dauerwirkung noradrenerger Medikamente problematisch¶
Die Wirkung von noradrenergen Medikamenten kann nach einiger Zeit etwas nachlassen (anders als die von Stimulanzien).
Wir vermuten, dass die meisten noradrenergen Medikamente tonisch wirken, d.h. eine langfristige Erhöhung des NE-Spiegels bewirken. Die ADHS-Symptome verbessern sich jedoch nur durch einen phasisch erhöhten Noradrenalinspiegel. Ein tonisch erhöhter NE-Spiegel ist sogar kontraproduktiv.
Viele ADHS-Betroffene haben einen kurzfristigen positiven Effekt noradrenerger Medikamente festgestellt (z.B. Nortryptilin), der bereits bei den ersten Tabletten wirkte, aber nach wenigen Tagen wieder verschwand. Auch von Atomoxetin berichteten einzelne Betroffene dies als individuelle Reaktion.
Daran schließt der Hinweis von Scheidtmann an, dass noradrenerge Medikamente (z.B. Antidepressiva) bei der motorischen Rehabilitation (dann) nicht helfen, wenn sie als Dauermedikation benutzt werden, da trizyklische Antidepressiva die noradrenergen Rezeptoren dauerhaft stimulieren und dies dazu führt, dass die Sensitivität des Rezeptors (insbesondere in Bezug auf Lernvorgänge) dadurch verloren gehe.
Dies deckt sich mit der Erfahrung zum Einsatz noradrenerg wirksamer trizyklischer Antidepressiva bei ADHS. Hier wird oft berichtet, dass anfangs eine sehr gute Ansprache besteht, die bei anhaltender Medikation jedoch nachlässt.
Während dopaminerge Medikamente problemlos je nach Bedarf stunden- oder tageweise abgesetzt oder kurzfristig erhöht eingenommen werden können, ist bei noradrenergen Medikamenten davor zu warnen. Noradrenerge Medikamente bergen bei Überdosierung und sprunghaften Dosierungsschwankungen das Risiko von Depressionen.
Ein klar strukturierter Tagesablauf, bei dem sich Aktivität und Pausen sinnvoll abwechseln, soll das noradrenerge System trainieren und die Produktion von Noradrenalin wieder normalisieren helfen.
3.5. Kontraindikationen¶
Benzodiazepine verringern die Aktivität des Locus coeruleus und reduzieren damit die Produktion und den Transport von Noradrenalin in andere Gehirnteile. Daher müssten sie bei ADHS ganz allgemein kontraindiziert sein. Erstaunlicherweise sind sie jedoch kurzfristig hilfreich: Aufgrund ihres bei üblicher Dosierung bereits nach 14 Tagen eintretenden massiven Abhängigkeitspotentials sollten sie jedoch nicht verschrieben werden. MPH und Amphetaminmedikamente haben dagegen kein Abhängigkeitspotential.
Daneben bestehen weitere Neben- und Wechselwirkungen.
4. Serotonerge Medikamente¶
4.1. Allgemeines zu SSRI¶
4.1.1. Ansprechgeschwindigkeit serotonerger Medikamente¶
Obwohl der Serotoninspiegel durch serotonerge Medikamente sehr kurzfristig verändert wird, müssen serotonerge Medikamente in der Regel 2 bis 3 Wochen angeflutet werden, bis sie wirken. Deshalb ist anzunehmen, dass der Serotoninspiegel selbst nicht die eigentliche Wirkung vermittelt.
Die Erhöhung von Serotonin in der Synapse durch Serotoninwiederaufnahmehemmer aktiviert Feedback-Mechanismen: Serotonin-1A und Serotonin-B-Autorezeptoren hemmen beide die Serotoninübertragung. Wird diese Hemmung länger aufrechterhalten, werden die inhibitorischen Serotonin-Autorezeptoren desensibilisiert, was ihren hemmenden Einfluss verringert. Dadurch steigt die serotonerge Neurotransmission. Da die Desensibilisierung der Serotonin-1-Autorezeptoren Zeit benötigt, ist der Wirkungseintritt in diesem Maße verzögert.
Als weitere Wirkmechanismen werden adaptive Down- bzw. Upregulation von Rezeptorsystemen oder neuroplastische Prozesse angenommen.
Ein Absetzen serotonerger Medikamente sollte mindestens über denselben Zeitraum ausschleichend erfolgen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Nach anderen Berichten kann das Absetzen serotonerger Medikamente bis über ein halbes Jahr andauern. Uns liegt inzwischen eine Vielzahl an Berichten von ADHS-Betroffenen vor, die von einer Antidepressiva-Medikation nur wenig Nutzen hatten, die aber massive Nebenwirkungen insbesondere beim Absetzen von Antidepressiva erlitten, die an Massivität die Nebenwirkungen von ADHS-Medikamenten ein vielfaches überstiegen haben.
Aufgrund des langsamen Dosierungsansprechens sollten serotonerge Medikamente nicht kurzfristig erhöht, ausgelassen oder abgesetzt werden.
4.1.2. SSRI und σ-Rezeptoren¶
SSRI nach Bindungsstärke am σ1-Rezeptor absteigend sortiert:
- Fluvoxamin
- weniger affin, aber hochselektiv am Serotonin-Transporter
- Sigma-1-Agonist
- behebt depressionstypische kognitive Einbußen
- verbessert psychotische Symptome
- verstärkt das Nervenwachstumsfaktor-induzierte Neuriten-Wachstum in PC12-Zellen
- Sertralin
- Sigma-1-Antagonist
- behebt depressionstypische kognitive Einbußen
- verschlechtert psychotische Symptome
- verringert das Nervenwachstumsfaktor-induzierte Neuriten-Wachstum in PC12-Zellen
- Fluoxetin
- Citalopram
- Escitalopram ist das wirksame S-Enantiomer des racemischen Citalopram.
- Paroxetin (fast gar keine Bindung)
- Paroxetin wirkt auch anticholinerg
kann dadurch Konzentrationsschwierigkeiten und Vergesslichkeit auslösen
4.1.3. SSRI-Einmalgaben erhöhen Angst und Risiko von Panikanfällen¶
Einmalgaben von Escitalopram erhöhen das Risiko von Panikanfällen. Angst und Anspannung war ebenso erhöht durch eine Einmalgabe von Chlorimipramin/Chlomipramin/Clomipramin, einem trizyklischen Antidepressivum, das primär als Serotoninwiederaufnahmehemmer aber auch als Antagonist des Histamin-H1-Rezeptors, des Muskarinischen Acetylcholinrezeptors und des A1-Adrenozeptors wirkt.
4.1.4. SSRI erhöhen Oxytocin¶
SSRI erhöhen den Blutspiegel von Oxytocin. Möglicherweise moderiert dies einen Teil der antidepressiven Wirkungen von SSRI.
4.2. Anmerkungen zu Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI) bei ADHS¶
SSRI (Serotoninwiederaufnahmehemmer) sollten bei ADHS mit einigem Bedacht eingesetzt werden.
4.2.1. Unterschied Dysphorie als reguläres ADHS-Symptom und zu behandelnde Depression¶
Viele Behandler erkennen Dysphorie bei Inaktivität nicht als originäres ADHS-Symptom, sondern verwechseln Dysphorie bei Inaktivität mit einer Dysthymie oder einer Depression und behandeln deshalb ADHS-Betroffene unsachgemäß so, als hätten sie eine echte Depression.
Dysphorie bei Inaktivität ist jedoch ein funktionales Stresssymptom (der Stimmungsabfall bei Inaktivität zielt darauf ab, dass der Betroffene aktiv bleiben soll bis der Stressor besiegt ist) und bei ADHS typisch. Es ist kein Symptom einer Dysthymie oder Depression.
Zur Differenzialdiagnostik von Depression und Dysphorie bei Inaktivität ⇒ Depression und Dysphorie bei ADHS.
In der Praxis zeigt sich, dass eine Behandlung mit einer (gegenüber einer Verwendung als Antidepressivum) deutlich verringerten Menge von Escitalopram die dysphorische Stimmung verbessern kann. Hier können Mengen von 2 bis 5 mg am Tag bereits ausreichen (anstelle von 10 bis 20 als Antidepressivum).
Eine völlig ausreichend aufhellende Wirkung hat indes oft bereits die Umstellung der ADHS-Behandlung von Methylphenidat auf Amphetaminmedikamente (Elvanse), die daher deutlich zu bevorzugen ist.
Anders als bei ADHS-HI sollte bei ADHS-I von einer Behandlung einer Dysphorie mit SSRI abgesehen werden. Bei ADHS-I sollten SSRI lediglich bei einer schweren Depression erwogen werden.
4.2.2. SSRI verbessern Aufmerksamkeit nicht¶
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer bewirken im Gegensatz zu Stimulanzien keine Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten. In einer Kohortenstudie von n = 766.244 Probanden wurde eine relevante Verbesserung von Prüfungsergebnissen von ADHS-Betroffenen unter Stimulanzien-Medikation festgestellt. Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer hatten auf die Prüfungsergebnisse dagegen keinen Einfluss.
4.2.3. SSRI erhöhen die Aktivität der DAT¶
Citalopram / Escitalopram scheint die Aktivität der DAT zu verstärken, was bei ADHS nachteilig wäre.
Ein Hauptproblem von ADHS (nach diesseitiger Vermutung vornehmlich bei ADHS-HI) ist der zu geringe Dopaminspiegel im Striatum, der maßgeblich von einer zu hohen Anzahl Dopamintransporter verursacht wird, die das ausgeschüttete Dopamin präsynaptisch bereits wieder aus dem synaptischen Spalt aufnehmen, bevor es postsynaptisch andocken kann. Aktivere DAT verstärken daher die Symptome von ADHS.
Bestehen zudem (wie bei ADHS häufig) Schlafprobleme, sollen Medikamente, die den Serotoninspiegel erhöhen, ebenfalls nachteilig sein.
4.2.4. SSRI erhöhen Cortisolstressantwort: bei ADHS-HI vorteilhaft, bei ADHS-I nachteilig¶
Escitalopram in höherer Dosierung (20 mg), nicht aber bei 10 mg, erhöht die Cortisolantwort auf akuten Stress. Gleiches wurde für andere SSRI sowie für die Gabe des Serotoninvorstoffes Tryptophan berichtet.
Escitalopram erhöhte bei 10 wie bei 20 mg Angst weder vor noch während eines Stresstests, verlängerte sie jedoch danach.
Bei der Behandlung komorbider Depression bei ADHS sollte unbedingt bewusst sein, dass eine Erhöhung der Cortisolantwort auf Stress bei ADHS-HI-Betroffenen (die häufig eine zu flache Cortisolantwort besitzen, weshalb die HPA-Achse nicht abgeschaltet wird) vorteilhaft sein kann, bei ADHS-I-Betroffenen jedoch (die sehr häufig eine überhöhte Cortisolantwort haben) aus diesem Gesichtspunkt nachteilig sein kann.
SSRI bewirken eine Up-Regulation der Mineralocorticoid- und Glucocorticoid-Rezeptor-mRNA-Level, was die (trotz überhöhter Cortisolstressreaktion) bei manchen Depressions-Subtypen zusammengebrochene negative Feedbackregulation der HPA-Achse wieder herstellen kann.
Bei ADHS-I ist diese Herunterregulierung der HPA-Achse nicht defekt.
Dieser Unterschied könnte erklären, warum SSRI bei melancholischer / psychotischer Depression trotz der an sich nicht erwünschten Erhöhung der Cortisolstressantwort positiv wirken können.
Solange bei ADHS-I ohne entsprechend starke Depression keine Desensibilisierung der GR vorliegt, ist eine Behandlung mit SSRI jedenfalls nicht angezeigt.
ADHS-HI, das eine abgeflachte Cortisolstressantwort hat, ist nicht mit melancholischer und psychotischer, sondern mit atypischer oder bipolarer Depression assoziiert, die ebenfalls eine abgeflachte Cortisolstressantwort aufweisen. Hier könnte eine (niedrigere: 2 bis 5 mg) SSRI-Augmentation insbesondere zur Behandlung von Impulsivitätsproblemen helfen.
Trotzdem ist fraglich, ob die langfristige Wirkung von SSRI (Escitalopram), das bei ca. 50 % der Depressions-Betroffenen die Aktivität der HPA-Achse normalisiert, auch beim ADHS-I-Subtyp greift.
- Die Depressions-Liga empfiehlt SSRI besonders bei atypischer Depression, die wie der ADHS-HI-Subtyp die externalisierende Stressausdrucksform darstellt und mit abgeflachter Cortisolstressantwort korreliert.
- Das Handbuch der Psychopharmakotherapie weist darauf hin, dass bei schwerer (hier: melancholischer) Depression (die wie der ADHS-I-Subtyp eine internalisierende Stressphänotypik mit einer überschießenden Cortisolantwort auf einen akuten Stressor zeigt) eine Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva (vornehmlich Amitryptilin und Clomipramin) oder SSNRI (hier Duloxetin und Venlafaxin) der Behandlung mit SSRI überlegen ist.
- Die nicht optimale Wirkung von SSRI wird weiter bei der Vorstellung des SSRI Sertralin thematisiert, welches besser als andere SSRI bei einer schweren melancholischen Depression wirken solle.
- Ebenso äußert sich Ritzmann in der schweizerischen pharma-Kritik kritisch zu SSRI bei melancholischer Depression.
4.2.5. SSRI bei Impulsivitätsproblemen bei ADHS-HI¶
Wir haben in einem Einzelfall eine positive Wirkung auf Impulsivitätsprobleme beobachten können, wie sie typisch bei ADHS-HI auftreten. Impulsivität korreliert neurophysiologisch mit einem geringen Serotoninspiegel. Hier kann bereits eine sehr geringe Dosis Escitalopram (2 bis 5 mg – gegenüber einer Nutzung als Antidepressivum mit 10 bis 20 mg / Tag .) zu einer Verringerung der Impulsivität beitragen, was gegebenenfalls erlaubt, die Dosierung der parallel verwendeten Stimulanzien herabzusetzen.
Impulskäufe, wie sie vornehmlich bei ADHS-I auftreten, könnten unserer Auffassung nach dagegen eher dem Drang nach sofortiger Belohnung geschuldet sein und eher einer spontanen Bedürfnisbefriedigung (wie auch Sucht) zuzuschreiben sein als einer durch einen niedrigen Serotoninspiegel induzierten externalisierenden Impulsivität.
4.2.6. SSRI verbessern ADHS-Symptome nicht¶
SSRI zeigten bei ADHS keine Wirkung
In einer aufwendigen Doppelblindstudie mit dem serotonergen Antidepressivum Vortioxetin wurde nach 6 Wochen keine Verbesserung der ADHS-Symptomatik im Vergleich zu Placebo festgestellt.
Der aktualisierte europäische Konsensus zur Diagnose und Behandlung von ADHS bei Erwachsenen kommt folgerichtig zu dem Ergebnis, dass SSRI keine effektive Wirkung auf ADHS haben.
Wir kennen Berichte etliche ADHS-Betroffene, die SSRI eingenommen haben. Bei keinem ergab sich ein positiver Effekt auf ADHS. Häufig wurden insgesamt negative Effekte genannt.
Besonders nachteilig sind die mehrwöchige Dauer bis zum Eintritt einer etwaigen (antidepressiven) Wirkung und noch mehr die teils erheblichen Ausdosierungsnebenwirkungen, die teils eine sehr langsame Ausdosierung erfordern (ganz besonders bei Venlaflaxin).
Eine Hypothese lautet, dass der Einsatz von SSRI bei ADHS durch eine Kombination mit 5-HT1A-Antagonisten verbessert werden könnte. Die Autoren stellen dar, dass die inhibitorischen somatodendritischen 5-HT1A-Autorezeptoren, die die Feuerrate von 5-HT-Neuronen reduzieren, erst durch eine langfristige SSRI-Medikation desensibilisiert werden. Die Autoren vermuten, dass die bisherigen Studien keine ausreichend lange Medikation beobachtet haben und verweisen auf pharmakologische Studien an Tierpräparaten, bei denen die Wirkung von SSRI erfolgreich verbessert wurde, indem die inhibitorischen 5-HT1A-Autorrezeptoren vor der Verabreichung des SSRI Fluoxetin antagonisiert worden waren.
Dieser Hypothese steht allerdings entgegen, dass auch Kohortenstudien, die eine langfristige Verwendung von Medikamenten beobachten, die keine Verbesserung der Aufmerksamkeit durch SSRI feststellen konnten.
4.2.6. SSRI und Stimulanzien: Risiko von Serotoninsyndrom¶
Eine Kombination von SSRI und Stimulanzien sollte im Hinblick auf das Risiko eines Serotoninsyndroms mit Vorsicht gehandhabt werden.
Bei normaler Medikamentendosierung ist die serotonerge Wirkung von Stimulanzien allerdings begrenzt.
Ein Serotonin-Syndrom kann durch Überdosierung serotonerger Medikamente, durch eine Kombination mehrerer serotonerger Medikamente, durch Metabolisierungs-Kreuzwirkungen oder durch Kreuzwirkungen mit Opioiden entstehen. Es macht sich meist innerhalb von 24 Stunden bemerkbar und klingen meist 24 Stunden nach Weglassen des auslösenden Medikamente wieder ab.
Symptomschwere kann sehr schwanken.
Mögliche Symptome:
- Angst
- Unruhe / Unrast
- Schreckhaftigkeit
- Delirium mit Verwirrung
- Somnolenz
- Zittern / Muskelspasmen / Muskelzucken
- Muskelstarre / Krampfanfälle
- Klonus (Aufeinanderfolgende reflektorische Muskelkontraktionen nach einem Dehnungsreiz)
- schneller Herzschlag
- Bluthochdruck
- hohe Körpertemperatur
- Schwitzen
- Schüttelfrost
- Erbrechen
- Durchfall
- Unterleibsschmerzen
5. Wirkung von SNRI bei Depressionen¶
Quelle mit weiteren Nachweisen: Büchs.
Serotonin- und Noradrenalinwiederaufnahme hemmende Antidepressiva erhöhen die Glucocorticoid- und Mineralocorticoid-Rezeptorexpression und -funktion. Dies führt zu einer Wiederherstellung der gestörten negativen Rückkopplung der HPA-Achse und der Normalisierung ihrer bisherigen Hyperaktivität.
SSRI-, SNRI- und Monoaminoxidasehemmer stimulieren Cortisol und ACTH unmittelbar, bei Gesunden wie bei Depressiven.
Die Normalisierung der Hyperaktivität der HPA-Achse bei depressiven Patienten erfolgt durch
- Up-Regulation der Mineralocorticoid- und Glucocorticoid-Rezeptor-mRNA-Level.
- dies könnte erklären, warum SSRI und SNRI auch bei schwerer (typischerweise melancholischer oder psychotischer) Depression von ADHS-I-Betroffenen positiv wirken können. Bei melancholischer und psychotischer Depression sind die GR desensibilisiert. Dies ist bei ADHS-I (ohne Depression) nicht der Fall (obwohl ebenso die Cortisolstressantwort überhöht ist).
Mehr hierzu unter ⇒ Dexamethason-Suppressions-/CRH-Stimulationstest (DEX/CRH-Test)
-
Down-Regulation der Proopiomelanokortin-mRNA-Expression (Vorstufe der ACTH-Synthese) in der Hypophyse
- Dämpfung der CRH-Genexpression und CRH-mRNA-Synthese im Nucleus paraventricularis
Die eher langsame und graduelle Verringerung der Hyperaktivität der HPA-Achse durch genetische Mechanismen ist von den akuten und direkten pharmakoendokrinologischen Effekten von Mirtazapin auf das HPA-System zu unterscheiden.
6. Anmerkungen zu trizyklischen Antidepressiva bei ADHS¶
Trizyklische Antidepressiva zählen als Mittel fünfter Wahl bei ADHS-HI. Trizyklische Antidepressiva wirken sehr breitbandig. Sie wirken typischerweise auch
-
noradrenerg
- als Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (recht stark)
-
dopaminerg
- als Dopamin-Wiederaufnahmehemmer
Trizyklische Antidepressiva haben in zahlreichen doppelblinden Placebo-kontrollierten Studien bei Kindern und Erwachsenen in Bezug auf hyperaktiv impulsives Verhalten gleichwertige Ergebnisse wie Stimulanzien bewiesen. Eine Kombinationstherapie von Stimulanzien und trizyklischen Antidepressiva kann effektiver sein als eine Monotherapie, insbesondere bei Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und oppositionellen Symptomen, wobei auf regelmäßige kardiologische Untersuchungen geachtet werden muss.
TZA dürften bei Nonresponding von
- beiden Stimulanzien-Arten (Methylphenidat und Amphetamin-Medikamenten)
- Guanfacin
- Atomoxetin
ein Mittel der fünften Wahl darstellen.
Bei komorbiden Ängsten, Depression und Dysphorie sind trizyklische Antidepressiva klassischerweise hilfreich. Bei komorbidem Einnässen (Enuresis) wird Imipramin empfohlen.
Eine weitere kurze Zusammenfassung zu Studien über trizyklische Antidepressiva und anderen Nichtstimulanzien bei ADHS-HI findet sich bei Budur et al 2005.
Bei einer Behandlung mit trizyklischen Antidepressiva ist eine regelmäßige Kontrolle von EKG, Blutdruck und Pulsfrequenz erforderlich.
Einzelne trizyklische (Trimipramin) und ähnliche Antidepressiva (Trazodon) haben sch als sehr empfehlenswert bei Schlafproblemen bei ADHS gezeigt. Gegenüber normalen Schlafmitteln droht keine Abhängigkeitsgefahr.
7. Allgemeine Hinweise zu Antipsychotika bei ADHS¶
7.1. Dopaminerge Wirkung von Antipsychotika¶
Neuroleptika / Antipsychotika wirken als D2-Rezeptor Antagonisten, d.h. sie blockieren den D2-Rezeptor. Sie sind jedoch nicht in der Lage, die bei Psychosen / Schizophrenie präsynaptisch erhöhte Dopamin-Ausschüttung zu normalisieren, sondern sie blockieren vielmehr den postsynaptischen D2-Rezeptor. Die Blockade erfolgt reversibel, also mit einer gewissen Halbwertszeit, sodass eine Einnahme in regelmäßigen Abständen erfolgen muss. Atypische Neuroleptika der 2. Generation scheinen dabei im temporalen Kortex, Typika im temporalen Kortex und im Striatum blockierend zu wirken (Stone et al 2009).
Sekundär scheinen Antipsychotika allerdings auch D2-Autorezeptoren zu adressieren, wodurch die Dopaminausschüttung angeregt wird
Dies wird bei der Behandlung von Psychosen mit Antipsychotika als unerwünschte Nebenwirkung betrachtet, sodass von einer nachrangigen Wirkung auszugehen sein dürfte.
Atypische Antipsychotika sollen neben der Blockade von D2-Rezeptoren im limbischen System zudem D1-Rezeptoren im PFC anregen, weshalb sie in Ausnahmefällen als ADHS-Medikament erfolgreich sein können.
Grundsätzlich dürften Antipsychotika / Neuroleptika bei ADHS - dopaminerg betrachtet - wenig hilfreich sein, da diese primär eine verringerte Dopaminwirkung anstreben, während ADHS gerade durch ein Dopamindefizit gekennzeichnet ist. Der Nutzen bei ADHS ergäbe sich eher durch den Nebeneffekt, der bei der Behandlung von Psychosen als unerwünschte Nebenwirkung auftritt.
Eine Studie fand, dass Antipsychotika bei ADHS off-label vor allem in Bezug auf komorbide Verhaltensstörungen gegeben werden, kaum jedoch in Bezug auf ADHS selbst.
7.2. σ-adrenerge Wirkung von Antipsychotika¶
Antipsychotika (D2-Antagonisten) sollen gleichwohl in niedriger Dosierung eine positive Wirkung bei ADHS haben, obwohl diese die Aufnahme von Dopamin verringern. Die häufigste off-label-Nutzung von Antipsychotika (25 %) betrifft ADHS. Die Wirkung (in niedriger Dosierung) bei ADHS wird allerdings nicht der dopaminergen Wirkung, sondern der Blockade des σ-Adreno-Rezeptors (Antagonismus) zugeschrieben, welcher die Freisetzung von Dopamin im Nucleus accumbens sowie die Dopaminaufnahme positiv stimuliere.
Das Ziel eines σ-Adreno-Rezeptor-Antagonismus dürfte jedoch mit dem für ADHS zugelassenen σ-2A-Adreno-Rezeptor-Antagonisten Guanfacin sinnvoller zu erreichen zu sein. Sieh hierzu unter Guanfacin bei AD(H)S.
Nach der Geburt nimmt die Dichte der D1 und D2 Rezeptoren im Striatum zunächst zu. Die Zunahme von D2-Rezeptoren nach der Geburt ist bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen.
In der Adoleszenz sinkt die Anzahl dieser Rezeptoren auf 40 % des Ausgangsniveaus ab. Diese Abnahme ist bei Männern wiederum deutlich stärker als bei Frauen.
Eine Blockade von Dopaminrezeptoren erhöht die Ausschüttung von Acetylcholin. Acetylcholin ist an der Entstehung von Extrapyramidalsymptomen mitverantwortlich.
Je mehr Dopaminrezeptoren vorhanden sind, desto größer ist der acetylcholinerge Überschuss, der im Falle einer Blockade dieser Rezeptoren entsteht. Eine Gabe von typischen Antipsychotika (= typische Neuroleptika, z.B. Haloperidol), die als D2 Antagonisten die Dopamin-D2-Rezeptoren blockieren, bewirkt bei Betroffenen mit hoher Anzahl von Dopaminrezeptoren ausgeprägtere acetylcholinerge Nebenwirkungen wie Extrapyramidalsymptome (vornehmlich Störungen von Muskeltonus und Bewegungsabläufen) oder Akathisie (Sitzunruhe). Der acetylcholinerge Überschuss bei Betroffenen mit hoher Anzahl von Dopaminrezeptoren erklärt weiter den häufigen Konsum von anticholinerg wirkenden und sedierenden Substanzen sowie den häufigen Kokainkonsum.
Werden durch Kokain (als Droge) 70 % des Dopaminrezeptoren besetzt, wird das Dopaminniveau im synaptischen Spalt erhöht und parallel die Acetylcholinausschüttung vermindert. Es entsteht eine subjektive Hochgefühlswahrnehmung. Kokain wie auch Anticholinergika bewirken bei den Betroffenen eine subjektive Beruhigung sowie eine Verminderung der motorischen Unruhe und der Extrapyramidalsymptome aufgrund der Verringerung der acetylcholinergen Ausschüttung. Gleichzeitig werden, insbesondere bei Kokain, durch den mittels Dopamintransporterblockade induzierten Dopaminüberschuss psychotische Symptome verstärkt.
8. Monoaminoxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)¶
Monoamine sind
-
Katecholamine
-
Dopamin
-
Noradrenalin
- Adrenalin
- Serotonin
- Melatonin
- Histamin
- Thyronamin
- Spurenamine
- β-Phenylethylamine
- Tyramin
- Tryptamin
Monoaminoxidase (MAO) bewirkt den Abbau von Monoaminen durch Desaminierung.
Monoaminoxidase-Hemmer verringern den Abbau der Monoamine und erhöhen damit ihre Verfügbarkeit.
MAO-A baut in Gehirn und Darm Noradrenalin und Serotonin ab. MAO-B baut in Gehirn und Leber Dopamin ab. MAO-A bewirkt peripher vornehmlich im Darm den Abbau von Tyrosin aus der Nahrung, während MAO-B den Tyrosinabbau in der Leber bewerkstelligt. Gemeinsam bewirken sie, dass Tyrosin aus der Nahrung nicht im Körper zu Monoaminen umgebaut wird.
Tyrosin ist Ausgangssubstanz für die Biosynthese von DOPA, Dopamin, Katecholaminen, Melanin, Thyroxin und Tyramin.
Aufgrund der peripheren Tyrosinabbauwirkung von MAO muss bei Einnahme von irreversibel wirkendem MAO-Hemmern eine tyrosinarme Diät (z.B. kein Käse, kein Rotwein) durchgeführt werden. Andernfalls würde zu viel Tyrosin im Körper abgebaut und zu überhöhten Spiegel an den heraus entstehenden Abbauprodukten führen. Risiko: u.a. Herzprobleme.
MAO-Hemmer:
- Selegelin
- irreversibler MOA-B-Hemmer.
Irreversibel bedeutet, dass MAO erst neu synthetisiert werden muss, damit sie wieder wirken kann.
- Moclobemid
- reversibler selektiver MAO-A-Hemmer.
Reversibel bedeutet, dass die Wirkung nicht dauerhaft ist.
- Tranylcypromin
- irreversibler Hemmer von MAO-A und MAO-B
- Griechischer Bergtee (Sideritis scardica) scheint als als MAO-Hemmer in Bezug auf Dopamin, Noradrenalin und Serotonin zu wirken.
9. Medikamentenverträglichkeit und Hochsensibilität bei ADHS¶
ADHS beinhaltet nach unserer Wahrnehmung und nach den Daten des ADxS-Symptomtests stets auch eine Hochsensibilität, die zuweilen sehr stark ausgeprägt sein kann.
Hochsensible Menschen (auch ohne ADHS) reagieren auf Medikamente häufiger empfindlich und zuweilen paradox.
Beispiele:
- Schmerzmittel können
- gar nicht wirken
- bereits in geringster Dosierung wirken
- Beruhigungsmittel können Aktivierung bewirken
- Narkosemittel können unvorhergesehene Wirkung haben
Wir haben von Fällen gehört, in denen Narkosemittel in deutlich geringerer Dosierung wirken sollen. Es besteht mithin die Gefahr einer Überdosierung. Wir würden uns freuen, wenn uns Anästhesisten von einschlägigen Erfahrungen berichten könnten.
- Koffein kann intensiver wirken (insbesondere bei Einnahme von Methylphenidat)
- Nikotin kann müde machen, anstatt zu aktivieren
Ein Betroffener berichtet uns, dass ein Einschlafritual zwei Zigaretten oder ein Zigarillo ist: danach bleiben ihm 20 bis 30 Minuten, während der er aufgrund des Nikotins sehr müde ist und gut einschlafen kann
- eine geringe Dosis an Stimulanzien (1/3 bis 1/2 einer tagsüber genommenen Einzeldosis) hilft etlichen ADHS-Betroffenen beim Einschlafen gegen das Gedankenkreisen
10. Kreuzwirkungen von ADHS-Medikamenten¶
Bei ADH)S-Medikamenten (vor allem bei Trizyklischen Antidepressiva, MAO-Hemmern und Medikamenten, die den Alpha-2-Adrenozeptor adressieren) sind Kreuzwirkungen leider häufig und müssen unbedingt beachtet werden.
Eine viel zu wenig beachtete Kreuzwirkung von Stimulanzien betrifft Koffein. Rund die Hälfte aller Betroffenen erleidet bei der Eindosierung von Stimulanzien durch Koffein Kreuzwirkungen, die siech wie eine Stimulanzien-Überdosierung oder wie erhebliche Stimulanzien-Nebenwirkungen anfühlen können, selbst wenn Koffein alleine vorher problemlos vertragen wurde. Daher sollte bei der Eindosierung von Stimulanzien unbedingt konsequent vermieden werden. Nach abgeschlossene Eindosierung ist Koffein selbst bei gleichen Kreuzwirkungen weniger gefährlich, weil die Kreuzwirkungen dann problemlos dem Koffein zugeordnet werden können. Betroffene, die berichten, Stimulanzien “nicht zu vertragen” und bei der Eindosierung Koffein nicht konsequent weggelassen haben, sollten eine neue - langsame - Eindosierung ohne Koffein in Erwägung ziehen.
Eine recht umfassende Darstellung von Kreuzwirkungen bei ADHS-Medikamenten sowie Vorsorgemaßnahmen bei der Verordnung und Einnahme der jeweiligen Präparate findet sich bei Steinhausen et al.