Liebe Leserinnen und Leser von ADxS.org, bitte verzeihen Sie die Störung.

ADxS.org benötigt in 2024 rund 58.500 €. In 2023 erhielten wir Spenden von rund 29.370 €. Leider spenden 99,8 % unserer Leser nicht. Wenn alle, die diese Bitte lesen, einen kleinen Beitrag leisten, wäre unsere Spendenkampagne für das Jahr 2024 nach einigen Tagen vorbei. Dieser Spendenaufruf wird 23.000 Mal in der Woche angezeigt, jedoch nur 75 Menschen spenden. Wenn Sie ADxS.org nützlich finden, nehmen Sie sich bitte eine Minute Zeit und unterstützen Sie ADxS.org mit Ihrer Spende. Vielen Dank!

Seit dem 01.06.2021 wird ADxS.org durch den gemeinnützigen ADxS e.V. getragen. Spenden an den ADxS e.V. sind steuerlich absetzbar (bis 300 € genügt der Überweisungsträger als Spendenquittung).

Falls Sie lieber etwas aktiv beitragen möchten, finden Sie hier Ideen zum Mitmachen oder zur tätigen Unterstützung.

8268€ von 58500€ - Stand 29.02.2024
14%
Header Image
Diagnostische ADHS-Symptome nach DSM, ICD, Wender-Utah u.a.

Diagnostische ADHS-Symptome nach DSM, ICD, Wender-Utah u.a.

Die nachfolgend aufgelisteten Symptomkataloge sind alternative Klassifikationen von ADHS. Sie dürfen nicht schematisch angewendet werden, was sich bereits aus der Tatsache ergibt, dass mehrere alternative Symptomlisten bestehen.
Es handelt sich nicht um Behandlungsleitfäden.

Das DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) ist ein seit 1952 herausgegebener Katalog der American Psychiatric Association (APA), der amerikanischen psychiatrischen Gesellschaft. Die 5. Ausgabe, DSM 5, erschien im Mai 2013.1 Die überarbeitete Fassung DSM-5-TR von 2022 veränderte die ADHS-Kriterien nicht und ergänzte im Übrigen nur einige wenige Sätze.2

ICD ist der Katalog der World Health Organisation (WHO), der internationalen Gesundheitsorganisation. Aktuell ist ICD 10. ICD 11 ist in Vorbereitung.
Der DSM IV nahm dabei die Katalognummern des ICD 9 zu psychiatrischen Krankheiten auf und ist insoweit ein eigener Teil des ICD. DSM und ICD entstanden aus dem Bedürfnis, statistisch zu erfassen, welche Krankheiten wie häufig auftreten.

DSM und ICD sind daher nicht wirklich Instrumente zur Diagnose von Krankheiten, sondern dienen mehr der statistischen Erfassung und Einordnung von Diagnosen. Insbesondere gegenüber Krankenkassen sind derartige statistische Einordnungen von hoher Bedeutung. In Bezug auf die medizinische Diagnose aus dem Blickwinkel einer optimalen Behandlung darf ihnen dagegen nicht die gleiche Bedeutung zugemessen werden.

ACHTUNG: DSM und ICD benennen lediglich die diagnoserelevanten Symptome. Neben den diagnoserelevanten Symptomen gibt es noch weitere Symptome, die häufig originär aus einer Störung (hier: aus ADHS) resultieren, die aber auch aus anderen Störungsbildern entstehen können, weshalb sie nicht diagnoserelevant sind.

Die Gesamtheit aller Symptome ist behandlungsrelevant. Bei der Behandlung allein auf die Symptome von DSM oder ICD abzustellen wäre daher ein ärztlicher bzw. therapeutischer Fehler.
Symptomgesamtliste nach Erscheinungsformen

1. DSM

Während DSM-IV ADHS noch in die Gruppe der Verhaltensstörungen einordnete, hat DSM 5 ADHS der Gruppe der neurologischen Entwicklungsstörungen (Neurodevelopmental Disorders) zugeordnet. Bei DSM 5 wurde weiter das Alter, bis zu dem erste Symptome aufgetreten sein müssen, auf 12 Jahre angehoben, die Anzahl der erforderlichen Symptome ab dem Alter von 17 Jahren von 6 auf 5 verringert und ASS gilt nun nicht mehr als Ausschlussdiagnose. Anstelle des Begriffs der Subtypen trat der Begriff der Präsentationsformen (Erscheinungsformen). Weiter betont DSM 5 stärker, dass die Symptome in verschiedenen Lebensberiechen auftreten müssen und dass mehrere (Fremd)Beurteiler einbezogen werden sollten.

1.1. DSM 5

Unaufmerksamkeit

  • schafft es oft nicht, genau auf Einzelheiten zu achten oder macht Flüchtigkeitsfehler bei Schularbeiten, der Arbeit oder anderen Tätigkeiten
  • hat oft Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit längere Zeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten
  • scheint oft nicht zuzuhören, wenn direkt angesprochen
  • folgt Anweisungen oft nicht vollständig und schafft es oft nicht, Schularbeiten, lästige Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz zu vollenden (Verlust von Konzentration; Ablenkung)
  • hat oft Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren (z. B. unordentliches, planlos-desorganisiertes Arbeiten; hält Termine und Fristen nicht ein)
  • vermeidet oft, mag nicht oder ist widerwillig bei Aufgaben, die längere geistige Anstrengung erfordern (z. B. Mitarbeit im Unterricht; Ausfüllen von Formularen)
  • verliert oft Gegenstände, die für Aufgaben oder Aktivitäten nötig sind (z. B. Schulmaterial, Stifte, Bücher, Werkzeug, Portemonnaie, Schlüssel, Schreibarbeiten, Brille, Mobiltelefon)
  • ist oft leicht von äußeren Reizen oder irrelevanten Gedanken abgelenkt
  • ist oft vergesslich bei täglichen Aktivitäten (z. B. bei Besorgungen, Bezahlen von Rechnungen, Einhalten von Verabredungen)

Hyperaktivität/Impulsivität

  • hampelt oft mit Händen oder Füßen, schlägt mit ihnen Takt oder windet sich auf dem Sitz
  • verlässt oft seinen Platz in Situationen, wo dies stört
  • läuft oft herum oder klettert in unpassenden Situationen (bei Jugendlichen oder Erwachsenen genügt ein subjektives Gefühl der Unruhe)
  • ist oft nicht in der Lage, ruhig zu spielen oder an Freizeitaktivitäten ruhig teilzunehmen
  • ist oft „auf dem Sprung“ oder handelt „wie getrieben“ (z.B.: kann nicht länger ruhig an einem Platz bleiben, bzw. fühlt sich dabei sehr unwohl, z.B. in Restaurants)
  • redet oft übermäßig viel
  • platzt oft mit einer Antwort heraus, bevor die Frage fertiggestellt ist oder beendet die Sätze anderer
  • kann nur schwer warten, bis er/sie an der Reihe ist (z.B. beim Warten in einer Schlange)
  • unterbricht oder stört andere häufig (z.B. platzt in Gespräche, Spiele oder andere Aktivitäten hinein; benutzt die Dinge anderer Personen ohne vorher zu fragen; bei Erwachsenen: unterbricht oder übernimmt Aktivitäten anderer)

Eine ADHS-Diagnose ist nur dann möglich, wenn zudem alle allgemeinen und speziellen Beobachtungen vorliegen:

Notwendige allgemeine Beobachtungen

  • Es handelt sich um ein durchgehendes Muster von Unaufmerksamkeit und/oder Hyperaktivität/lmpulsivität, welches das Funktionsniveau oder die Entwicklung beeinträchtigt
  • Mehrere Symptome dieses Musters traten bereits vor dem Alter von 12 Jahren auf
    • Barkley empfiehlt, diese Zahl zu ignorieren und berichtet aus seinen Longitudinalstudien, bei denen Betroffene teils noch im Alter zwischen 18 und 24 erstmals ADHS-Symptome zeigten.3 Da der Durchschnitt der Betroffenen im Alter von 12 Jahren ADHS-Symptome entwickelt, bedeutet dies, dass die Hälfte der Betroffenen die ersten ADHS-Symptome erst nach diesem Alter entwickelt.4 Auch nach unsere Beobachtung gibt es viele Betroffene, bei denen die Symptome erst im Erwachsenenalter auffällig wurden (besonders bei Frauen auch noch nach dem 30. Lebensjahr).
  • Mehrere Symptome dieses Musters bestehen in zwei oder mehr verschiedenen Lebensbereichen (z.B. zu Hause, in der Schule oder bei der Arbeit; mit Freunden oder Verwandten; bei anderen Aktivitäten)
  • Es sind deutliche Hinweise dafür vorhanden, dass sich die Symptome störend auf die Qualität des sozialen, schulischen oder beruflichen Funktionsniveaus auswirken oder dieses reduzieren
  • Die Symptome können nicht durch eine andere psychische Störung besser erklärt werden (z. B. Schizophrenie oder psychotische Störung, affektive Störung, Angststörung, dissoziative Störung, Persönlichkeitsstörung, Substanzintoxikation oder -entzug)
    • Barkley weist darauf hin, dass diese Störungsbilder häufig komorbid zu ADHS auftreten.5

Notwendige spezielle Beobachtungen

  • Für Unaufmerksamkeit und für Hyperaktivität/Impulsivität müssen jeweils mindestens vorliegen:
    • für Kinder und Jugendliche (bis 16 Jahren): sechs von neun Symptomen
    • für Jugendliche (ab 17 Jahren) und Erwachsene: fünf von neun Symptomen .
      (siehe hierzu Anmerkungen)
  • Die Symptome sind während der letzten 6 Monate beständig in einem mit dem Entwicklungsstand nicht zu vereinbarenden Ausmaß aufgetreten
  • Die Symptome wirken sich direkt negativ auf soziale und schulische oder berufliche Aktivitäten aus
  • Die Symptome sind nicht ausschließlich ein Ausdruck von Trotz, Feindseligkeit oder Verständnisschwierigkeiten.

Stimmungsstabilität und emotionale Fehlregulierung werden von DSM 5 als assoziierte Merkmale betrachtet, die die Diagnose unterstützen.6

Anmerkungen:
Der aktualisierte europäische Konsens zur Behandlung und Diagnose von ADHS von 2018 weist darauf hin, dass inzwischen zwingende Beweise vorliegen, wonach ein cut-off von 4 Symptomen bei Erwachsenen für eine korrekte ADHS-Diagnose richtiger wäre.678

1.2. DSM IV (veraltet, betraf nur Kinder)

  • Mindestens 6 Symptome
    • aus dem Bereich Unaufmerksamkeit
      oder
    • dem Bereich Hyperaktivität/Impulsivität
      oder
    • aus beiden Bereichen zusammen.
  • Einige der Symptome vor dem 7. Lebensjahr.
  • Aufgrund der Symptomatik Beeinträchtigungen in mindestens zwei Lebensbereichen.
  • Symptome nicht besser durch eine andere psychische Störung oder eine medizinische Erkrankung erklärbar.

Unaufmerksamkeit

  • Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler
  • Hat oft Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder beim Spielen aufrechtzuerhalten
  • Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere sie/ihn ansprechen
  • Hält häufig Anweisungen anderer nicht durch und kann Arbeiten nicht zu Ende bringen
  • Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben zu organisieren
  • Hat eine Abneigung gegen Aufgaben, die länger dauernde geistige Anstrengung erfordern
  • Verliert häufig Gegenstände, der sie/er für Aktivitäten benötigt
  • Lässt sich öfter durch äußere Reize ablenken
  • Ist bei Alltagsaktivitäten häufig vergesslich

Hyperaktivität

  • Zappelt häufig mit Händen oder Füßen und rutscht auf dem Stuhl herum
  • Steht in der Klasse oder in anderen Situationen, in denen sitzen bleiben erwartet wird, häufig auf
  • Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist (bei Jugendlichen oder Erwachsenen kann dies auf ein subjektives Unruhegefühl beschränkt bleiben)
  • Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen
  • Ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals, als wäre er/sie getrieben
  • Redet häufig übermäßig viel

Impulsivität

  • Platzt häufig mit den Antworten heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist.
  • Kann nur schwer warten, bis sie/er an der Reihe ist.
  • Unterbricht und stört andere häufig (platzt z. B. in Gespräche oder Spiele anderer hinein).

1.3. ADHS und Subtypen im DSM

  • DSM III-R unterschied nicht nach Subtypen.
  • DSM IV unterschied ADHS nach Subtypen.
  • DSM V (Mai 2013) hat die Unterteilung in Subtypen wieder aufgegeben, da diese unterschiedliche ADHS-Arten suggerieren. Es sind jedoch nur unterschiedliche Erscheinungsformen (Präsaentationsformen).
  • ICD unterscheidet ebenfalls nicht nach Subtypen.

Nach diesseitiger Auffassung ist eine Unterscheidung nach Subtypen für die Diagnose und das Verständnis von ADHS essentiell; für die Behandlung sind die Unterschiede dagegen zumindest derzeit noch nicht durchgreifend. Wir betrachten die Subtypen mit Hyperaktivität/Impulsivität (ADHS-HI, ADHS-C) und Träumerle, überwiegend unaufmerksam (ADHS-I) als unterschiedliche Symptomatik ein und der selben zu Grunde liegenden Störung, je nach der individueller Stressphänotypik (der Art, wie Stress sich manifestiert) der Betroffenen.
SCT, Sluggish Cognitive Tempo wird heute als eigenständiges Störungsbild begriffen, auch wenn dieses eine sehr hohe Überdeckung mit ADHS aufweist.
Da sich Aufmerksamkeitssymptome beim Menschen entwicklungsbedingt frühestens im Alter von 6 bis 7 Jahren und spätestens im Alter von 14 bis 15 Jahren feststellen lassen, ist ADHS-C (Hyperaktivität/Impulsivität + Aufmerksamkeitsprobleme) häufig lediglich die alters- und entwicklungsbedingte Folgestufe des ADHS-HI-Subtyps (reine Hyperaktivität).
Die Subtypen von ADHS: ADHS-HI, ADHS-I, SCT und andere

2. ICD 10

ICD 11 wird für den 1.1.2022 erwartet.

Aufmerksamkeitsstörung

  • ist unaufmerksam gegenüber Aufgabendetails, macht Sorgfaltsfehler bei Aufgaben
  • ist häufig nicht in der Lage, Aufmerksamkeit beim Spiel oder bei Aufgaben aufrechtzuerhalten
  • hört häufig scheinbar nicht, was ihm/ihr gesagt wird
  • kann Aufgaben und Pflichten häufig nicht erfüllen (nicht aufgrund oppositionellen Verhaltens)
  • ist beeinträchtigt, Aufgaben und Pflichten zu organisieren
  • vermeidet ungeliebte Aufgaben, die Durchhaltevermögen erfordern
  • verliert häufig Dinge, die zur Durchführung von Aufgaben wichtig sind (z.B. Stifte)
  • wird häufig von externen Stimuli abgelenkt
  • ist im Verlauf der alltäglichen Aktivitäten oft vergesslich

Über mindestens 6 Monate treten mindestens 6 der genannten 9 Symptome auf.

Überaktivität

  • fuchtelt häufig mit Händen und Füßen oder windet sich auf Sitzen
  • verlässt den Platz im Klassenraum oder in anderen Situationen, in denen Sitzenbleiben erwartet wird
  • läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend ist
  • ist häufig unnötig laut beim Spielen oder hat Schwierigkeiten bei leisen Freizeitbeschäftigungen
  • anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität, die durch den sozialen Kontakt oder Verbote nicht durchgreifend beeinflussbar ist

Über mindestens 6 Monate treten mindestens 3 der genannten 5 Symptome auf

3. ICD 11

ICD 11 ist bislang nicht verabschiedet. Die Entwurfsfassung der ICD 11 in Bezug auf ADHS übernimmt nun die Subtypen des überwiegend Hyperaktiv/Impulsiven Typs, des überweigend unaufmerksamen Typs und des Mischtyps.

4. Wender-Utah-Kriterien für Erwachsene

Wender-Utah ist ein spezieller Symptomkatalog zu ADHS im Erwachsenenalter

Für eine Diagnose im Erwachsenenalter müssen die Symptome Aufmerksamkeitsstörung und motorische Hyperaktivität sowie zwei weitere der insgesamt 7 Symptomgruppen gegeben sein.9

Aufmerksamkeitsstörung

  • Unvermögen, Gesprächen aufmerksam zu folgen
  • Erhöhte Ablenkbarkeit
  • Vergesslichkeit

Motorische Hyperaktivität

  • Innere Unruhe
  • Unfähigkeit, sich zu entspannen
  • Unfähigkeit, sitzende Tätigkeiten durchzuführen
  • Dysphorie bei Inaktivität

Affektlabilität

  • Wechsel zwischen neutraler und niedergeschlagener
    Stimmung
  • Dauer von einigen Stunden bis maximal einigen Tagen

Desorganisiertes Verhalten

  • Unzureichende Planung und Organisation von Aktivitäten
  • Aufgaben werden nicht zu Ende gebracht

Affektkontrolle

  • Andauernde Reizbarkeit, auch aus geringem Anlass
  • Verminderte Frustrationstoleranz und kurze Wutausbrüche

Impulsivität

  • Unterbrechen anderer im Gespräch
  • Ungeduld
  • Impulsiv ablaufende Einkäufe
  • Unvermögen, Handlungen im Verlauf zu verzögern

Emotionale Überreagibilität

  • Unfähigkeit, adäquat mit alltäglichen Stressoren umzugehen, Reizüberflutung, Black-Outs

5. Erwachsenenkriterien nach Hallowell / Ratey

Die Autoren des Buches “Zwanghaft zerstreut”, Edward M. Hallowell und John Ratey, haben die nachfolgenden Merkmale zur Erkennung von ADHS bei Erwachsenen vorgeschlagen. Die Merkmale werden dort anhand von Beispielen plastisch erläutert.10

Grundvoraussetzung ist, dass die Symptome bereits seit der Kindheit auftreten und dass andere organische oder psychische Störungen nicht besser geeignet sind, die Symptome zu erklären.

  • Gefühl von Leistungsschwäche bzw. davon, die gesteckten Ziele nicht erreicht zu haben
  • Schwierigkeiten mit der Organisation des Alltags
  • Chronisches Aufschieben von Dingen,
    Mühe, eine Sache anzufangen
  • Viele Projekte gleichzeitig verfolgen,
    Schwierigkeiten, eine Sache durchzuziehen
  • Neigung, zu sagen, was einem in den Sinn kommt, ohne nötige Überlegung, ob Zeitpunkt oder Gegebenheiten hierfür passend sind
  • Häufige Jagd nach hochgradiger Stimulierung
  • Mangelnde Toleranz gegenüber Langeweile
  • Leichte Ablenkbarkeit,
    Probleme, Aufmerksamkeit zu fokussieren,
    Neigung, mitten auf einer Seite oder in einem Gespräch abzuschalten oder in Gedanken abzuschweifen
    nicht selten verbunden mit Fähigkeit, auch zu hyperfokussieren
  • Probleme, sich an Verfahrensregeln oder Procedere zu halten
  • Ungeduld, geringe Frustrationstoleranz
  • Impulsivität beim Reden wie beim Handeln
  • Neigung, sich unaufhörlich Sorgen zu machen, Suche nach Themen der Besorgnis, während zugleich wirkliche Gefahren missachtet oder übersehen werden
  • Unsicherheitsgefühl
  • Stimmungsschwankungen / Stimmungslabilität
  • Motorische oder innere Unruhe
  • Verringertes Selbstwertgefühl
  • Unzutreffende Selbstbeurteilung
  • Familiär gehäuftes Auftreten von ADHS

Häufig kreativ, intuitiv, intelligent (kein Symptom, aber oft typisch).

6. Grenzen von DSM und ICD

6.1. DSM und ICD benennen lediglich diagnostische Symptome, nicht alle Symptome

Häufig ist von einer Diagnose nach DSM IV, DSM 5 oder IDC 10 / ICD 11 die Rede.
Diese Bezeichnung führt ein Stück weit in die Irre. DSM und ICD sind mindestens ebensosehr Statistikkataloge wie Diagnosemanuale. Keinesfalls sind sie bindende oder allein gültige Diagnosemaßstäbe, auch wenn sie häufig als solche missverstanden werden.

DSM und ICD nennen ausschließlich diejenigen Symptome von ADHS, die besonders gut geeignet sind, um ADHS von anderen Störungsbildern und von Nichtbetroffenen zu unterscheiden.
Für die Behandlung un Therapie von ADHS ist es unerlässlich, die gesamten Symptome zu kennen, die ADHS verursachen kann.
Eine Liste mit über 40 ADHS-Symptomen findet sich unter Symptomgesamtliste nach Erscheinungsformen.

Wir erleben es leider immer wieder, dass Ärzte oder Therapeuten nicht einmal Prokrastination, das am häufigsten durch ADHS verursachte Symptom, als ein von ADHS verursachbares Symptom erkennen. Prokrastination kann auch durch andere Störungsbilder verursacht werden. Das entschuldigt indes nicht, zu negieren, dass ADHS Prokrastination verursachen kann.
Wenn Ärzte oder Therapeuten nicht alle Symptome kennen, die aus einer Störung (hier: ADHS) originär verursacht werden können, kann das dazu führen, dass Betroffene aus einer (ADHS-)Therapie noch zerstörter herauskommen als sie hineingingen, weil ihnen Symptome ihrer Störung als von ihnen persönlich zu verantwortende Fehler vorgeworfen werden, anstatt mit ihnen daran zu arbeiten, das Symptom der Störung zu bekämpfen. Das Gleiche gilt für viele weitere Symptome, wie Rejection Sensitivity (Kränkbarkeit; gibt sich bei vielen Betroffenen unmittelbar mit Wirkungseintritt von Stimulanzien), emotionale Dysregulation, Ängstlichkeit, die ebenfalls originäre (gemeint ist: kann unmittelbar durch ADHS ausgelöst werden) Symptome von ADHS sein können.
Sehr häufig wird auch das originäre ADHS-Symptom der Dysphorie bei Inaktivität, das zusammen mit den ebenfalls häufigen ADHS-Symptomen Anhedonie und Antriebslosigkeit häufig bei ADHS auftritt, als Depression fehldiagnostiziert.

6.2. Statistik ändert keine Krankheiten

Die Änderungen von DSM I bis DSM 5 haben die statistische Erfassung von Krankheiten verändert, aber nicht deren Existenz. Krankheit ist nach unserem Verständnis eine subjektive Beeinträchtigung des Wohlbefindens von Menschen, die so stark ist, dass entweder der Betroffene für sich daran etwas ändern möchte, was eine Behandlung rechtfertigt, oder dass er Dritte so sehr in Mitleidenschaft zieht, dass eine Behandlung objektiv geboten erscheint.
Ob die Beeinträchtigung des Wohlbefindens im DSM oder ICD aufgeführt ist oder bei einer Krankenkasse eine Abrechnungsnummer hat, ist für das Krankheitsempfinden der Betroffenen oder die Beeinträchtigung der Umwelt herzlich irrelevant. Umgekehrt ist unserer Ansicht nach nicht entscheidend, ob Symptome, die ein Mensch hat, in DSM oder ICD aufgeführt sind, wenn weder der Betroffene noch Dritte damit ein Problem haben.

Krause zitieren den Vorsitzenden der Redaktion des DSM IV, den Psychiater Frances Allen, mit der überaus richtigen und wichtigen kritischen Feststellung: Das DSM muss einfach bleiben, aber die Psychiatrie muss es nicht. Die DSM-Diagnostik sollte nur einen kleinen Teil der Gesamtbeurteilung ausmachen“. Und weiter kritisiert Allen: Aus einer nuancierten Psychiatrie ist eine Checklisten-Psychiatrie geworden, die individuelle Unterschiede einebnet…“.11

6.3. DSM / ICD sind Hilfen, keine Bibeln

Die Diagnosekriterien von DSM und ICD sind wertvolle Hilfen bei der Feststellung, zu welcher Gruppe die Beeinträchtigung des Betroffenen gehört. Wer aber nur die DSM- oder ICD-Symptome abfragt und zum alleinigen Maßstab einer Behandlung macht, zeigt damit, dass er sich mit dem eigentlichen Problem nicht wirklich auskennt oder aber den Patienten nicht ernst nimmt.

Dass DSM und ICD nur Statistiktools und Diagnosemanuals sind und nicht als allein entscheidende Diagnosekriterien herangezogen werden können, ergibt sich, wie bereits erwähnt, daraus, dass die beiden Systeme schon viele Iterationen mit recht unterschiedlichen Kriterien hinter sich haben und sich zudem untereinander unterscheiden. Dabei hat sich nicht das ADHS an sich verändert, sondern lediglich die jeweiligen Verständniskonzepte von DSM und ICD. Zudem fehlen in DSM wie ICD nach wie vor wichtige Symptome, wie z.B. Dysphorie bei Inaktivität, das nach wie vor nur bei Wender/Utah genannt wird.
Ohnehin waren DSM IV und ICD 10 immer nur auf ADHS bei Kindern und Jugendlichen zugeschnitten.12
Die Symptome von Erwachsenen unterscheiden sich jedoch erheblich. ADHS bei Erwachsenen

Für die Betroffenen zählt allein die Beschwernis, die sie durch ihre Krankheit erleiden, egal ob diese von einem Kriterienkatalog erfasst wird oder nicht.


  1. https://www.psychiatry.org/psychiatrists/practice/dsm/history-of-the-dsm

  2. Koutsoklenis A, Honkasilta J (2023): ADHD in the DSM-5-TR: What has changed and what has not. Front Psychiatry. 2023 Jan 10;13:1064141. doi: 10.3389/fpsyt.2022.1064141. PMID: 36704731; PMCID: PMC9871920.

  3. Barkley (2023): Assessment of ADHD in Children and Teens. Youtube. 05:00 / 01:33:00

  4. Barkley (2023): Assessment of ADHD in Children and Teens. Youtube. 01:06:30 / 01:33:00

  5. Barkley (2023): Assessment of ADHD in Children and Teens. Youtube. 07:30 / 01:33:00

  6. Kooij, Bijlenga, Salerno, Jaeschke, Bitter, Balázs, Thome, Dom, Kasper, Filipe, Stes, Mohr, Leppämäki, Brugué, Bobes, Mccarthy, Richarte, Philipsen, Pehlivanidis, Niemela, Styr, Semerci, Bolea-Alamanac, Edvinsson, Baeyens, Wynchank, Sobanski, Philipsen, McNicholas, Caci, Mihailescu, Manor, Dobrescu, Krause, Fayyad, Ramos-Quiroga, Foeken, Rad, Adamou, Ohlmeier, Fitzgerald, Gill, Lensing, Mukaddes, Brudkiewicz, Gustafsson, Tania, Oswald, Carpentier, De Rossi, Delorme, Simoska, Pallanti, Young, Bejerot, Lehtonen, Kustow, Müller-Sedgwick, Hirvikoski, Pironti, Ginsberg, Félegeházy, Garcia-Portilla, Asherson (2018): Updated European Consensus Statement on diagnosis and treatment of adult ADHD, European Psychiatrie, European Psychiatry 56 (2019) 14–34, http://dx.doi.org/10.1016/j.eurpsy.2018.11.001, Seite 17

  7. Solanto, Wasserstein, Marks, Mitchell (2012): Diagnosis of ADHD in adults: what is the appropriate DSM-5 symptom threshold for hyperactivity-impulsivity? J Atten Disord. 2012 Nov;16(8):631-4. doi: 10.1177/1087054711416910.

  8. Kooij, Buitelaar, van den Oord, Furer, Rijnders, Hodiamont (2005): Internal and external validity of attention-deficit hyperactivity disorder in a population-based sample of adults. Psychol Med. 2005 Jun;35(6):817-27.

  9. Würdemann (2010): ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) bei jungen Erwachsenen, Dissertation, Seite 26

  10. Hallowell, Ratey (1999): Zwanghaft zerstreut oder Die Unfähigkeit, aufmerksam zu sein, Seite 119 ff

  11. Krause, Krause (2014): ADHS im Erwachsenenalter, Seite 65

  12. Eigene Aussage von Barkley, der an DSM IV mitgewirkt hat