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Adenosin

Inhaltsverzeichnis

Adenosin

Adenosin ist

  • ein Nukleosid
  • eine Verbindung aus Adenin und Ribose
  • ein Neurotransmitter
  • ein Bestandteil von Adenosintriphosphat und Adenosindiphosphat.

Adenosin kommt in fast allen Körperzellen vor. Die physiologische Halbwertszeit liegt im Sekundenbereich.

Extrazelluläre Adenosinwerte:1

  • 20 bis 300 nM unter normalen physiologischen Bedingungen
  • Anstieg auf niedrige mikromolare Werte unter extremen physiologischen Bedingungen, z.B.:
    • intensiver Sport
    • niedriger Luftsauerstoffgehalt in großer Höhe
  • Anstieg auf hohe mikromolare Werte (30 µM) unter pathologischen Bedingungen, z.B.:
    • Ischämie

Das Adenosinsystem ist eng mit dem dopaminergen System verbunden.2 Adenosinrezeptoren sitzen insbesondere in den Gehirnregionen, die bei ADHS involviert sind. Adenosinrezeptoren sind eng mit Dopaminrezeptoren verbunden und gehen mit diesen Heteromere ein.
Adenosin hemmt Dopamin. Adenosinantagonisten (vornehmlich A2A-Antagonisten) werden derzeit für eine Behandlung von Parkinson erforscht und könnten unserer Auffassung nach auch für eine Behandlung von ADHS in Betracht kommen. Zugleich moduliert Adenosin moduliert die striatale DA-Freisetzung, indem es an Adenosinrezeptoren im Striatum die Glutamatfreisetzung anregt, was den Dopaminspiegel erhöht.3

1. Verhaltensregelung durch Adenosin

Adenosin:

  • Energieregulation der Zellen
    • Adenosin dient unter anderem der Autoregulation bei drohendem Energiemangel der Zelle (z.B. bei Leistungsüberforderung der Zelle oder bei Sauerstoffmangel): Sinkt der ATP-Gehalt in einer Zelle, entsteht mehr Adenosin als Hydrolyseprodukt. Ein Teil dieses Adenosins wird aus der Zelle ausgeschleust und bindet an Adenosinrezeptoren benachbarter Zellen, was die gestörte Balance zwischen Energieverbrauch und Energieangebot ausgleichen soll.4
  • Schlaf
    • wirkt dämpfend / sedierend4
    • via A1-Rezeptoren5
    • Adenosin reguliert zusammen mit Melatonin den Schlaf in Abhängigkeit von neuronaler Aktivität und Energiestoffwechsel.64
    • Über diesen Mechanismus könnte der nach Schlafentzug erhöhte Adenosinspiegel die Lichtempfindlichkeit der zirkadianen Uhr beeinflussen. 6-stündiger Schlafentzug reduzierte die Lichtreaktion im SCN. Koffein stellte diese SCN-Lichtreaktion fast vollständig wieder her,7 was auf eine Interaktion zwischen Adenosin und Glutamat hindeutet.6
  • Gefäßerweiterung8
    • erhöhtes Adenosin bewirkt Gefäßerweiterung
  • Schmerz9
    • Hemmung von Schmerz via A1-Rezeptoren4
    • erhöhtes Schmerzempfinden via A2A-Rezeptoren4
  • Entzündung8
    • erhöhtes Adenosin verringert Entzündungen
  • Neuromodulation im ZNS9
    • verringert die Spontanaktivität von Neuronen in vielen Hirnregionen
    • hemmt im ZNS:
      • Glutamat6
      • Acetylcholin4
      • Noradrenalin4
      • Dopamin4
        • insbesondere im mesolimbischen Dopaminsystem
      • GABA4
      • Serotonin4
  • Kontrolle willkürlicher Bewegungen (via A2A-Rezeptor)10
  • Motivation (via A2A-Rezeptor)10
  • Emotion (via A2A-Rezeptor)10
  • Kognition (via A2A-Rezeptor)10
  • Arousal8
  • Lernen8
  • Gedächtnis8
  • zerebrale Durchblutung8
  • erhöht die Krampfschwelle4
  • wird bei Herzinfarkt aus Herzmuskelzellen freigesetzt4
    • wirkt kardioprotektiv über A1- und A3-Rezeptoren
    • überexprimierte A1-Rezeptoren verringern Infarktrisiko
    • überexprimierte A3-Rezeptoren verstärken Kardiomyopathien.

Eine chronische Überproduktion von Adenosin ist pathologisch, z.B. bei:8

  • Parkinson
    • Koffein hat protektive Wirkung gegen Parkinson
  • Fibrose
  • Lebersteatose
  • Colitis
  • Asthma
    • Bei Asthma:4
      • erhöhte Adenosinfreisetzung an den Bronchialgefäßen
      • aktiviert bronchiale A1-Rezeptoren
      • diese hemmen Adenylylzyklase
      • cAMP-Abfall wirkt in Bronchialmuskulatur konstriktorisch.(verengend)
  • Diabetes
  • Krebs
  • epileptische Krämpfe (via A2A-Rezeptor und Neurotrophine)
  • chronischer Schmerz11
    • via A2B-Rezeptoren und IL-6
  • erhöhte Sensibilität11
    • via A2B-Rezeptoren und IL-6

2. Entstehung von Adenosin

Adenosin bildet sich auf zwei Wegen:

  • intrazelluläre Adenosinsynthese12 (im gesunden Zustand physiologisch überwiegender Syntheseweg)1 u.a. im Striatum
    • AMP wird durch zytoplasmatische 5′-Nukleotidase zu Adenosin hydrolisiert (stärker)
    • S-Adenosyl-Homocystein (SAH) durch SAH-Hydrolase zu Adenosin hydrolisiert (geringer)13
    • Freisetzung von Adenosin durch bidirektionale equilibrative Nukleosid-Transporter (ENT) in den extrazellulären Raum
  • extrazelluläre Adenosinsynthese9 (überwiegt bei zellulärem Stress wie Verletzungen, Hypoxie, Neurodegeneration, Neuroinflammation oder Exzitotoxizität)1
    • ATP aus Neuronen oder Gliazellen wird durch das Enzym Ektonukleosidtriphosphat-Diphosphohydrolase (CD39) zu ADP und AMP dephosphoryliert. ADP und AM werden dann und durch ein spezifisches Ekto-5′-Nukleotidase-Enzym (CD73) zu Adenosin umgewandelt.1
      • ATP scheint selbst ein Neurotransmitter zu sein und im Darm inhibitorisch und im autonomen Nervensystem exitatorisch zu wirken.1415

Adenosin ist ein Abbauprodukt von ATP. Ein hoher ATP-Verbrauch der Zellen (durch hohe neuronale Aktivität) führt zu hohem Adenosin.13 Dieser Mechanismus dient der Regulation des Energieniveaus der Zellen.
Steigender Adenosinspiegel erhöht den Schlafdruck und fördert so die Erholung. Nachtschlaf baut Adenosin ab und senkt so den Schlafdruck.

Neurodegenerative Erkrankungen setzen hohe Konzentrationen von ATP aus den geschädigten neuronalen und nichtneuronalen Gehirnzellen frei, das dann wird enzymatisch zu Adenosin abgebaut wird. Neurodegenerativen Erkrankungen (Demenz, Alzheimer, Parkinson, Huntington) scheinen zweistufige Schädigungen zu verursachen: primär durch verschiedene Proteinaggregate, woraus sekundär eine überlagerte Schädigung insbesondere durch P2X7- und A2AR-Aktivierung entsteht. Niedermolekulare Antagonisten können diese Schädigungen effizient verhindert oder abschwächen. P2X7 und A2AR scheinen auch bei ADHS sowie Depression und Zwangsstörungen beteiligt zu sein.15

3. Wirkung von Adenosin: Rezeptoren

Adenosinrezeptoren sind G-Protein-gekoppelt und treten in fast allen menschlichen Geweben und Organen häufig auf.
Sie sind eine Untergruppe der Purinozeptoren (purinerge Rezeptoren), die sich in ATP-Rezeptoren (P2-Rezeptoren) und Adenosin-Rezeptoren (P1-Rezeptoren) gliedern.15

Affinität:1
Unter normalen Bedingungen ist Adenosin höher affin zu A1- und A2A-Rezeptoren. Erst bei höherem Adenosinspiegel werden auch A2B und A3-Rezeptoren adressiert.

3.1. A1-Rezeptor

  • hemmt die Adenylylcyclase über Gi/o-Proteine9
  • kodiert durch das ADORA1-Gen auf Chromosom 1 (1q32.1)

3.1.1. A1-Rezeptoren im Gehirn

  • Cortex9
  • Hippocampus9
  • Kleinhirn9
  • Nervenendigungen16
  • Rückenmark16
  • Gliazellen16
  • Striatum
    • am Hals dendritischer Dornen, wo sie mit extrasynaptischen Dopamin- und metabotropen Glutamatrezeptoren als Heteromere interagieren können.12
    • präsynaptisch an glutamatergen Axon-Terminalen, wo sie die Glutamatfreisetzung modulieren12
    • präsynaptisch an dopaminergen Synapsen, wo sie die Dopaminfreisetzung hemmen17
      • die durch A1-Rezeptoren im Striatum vermittelte Modulation der Dopaminfreisetzung ist komplex und unterscheidet sich in verschiedenen striatalen Kompartimenten

3.1.2. Von A1-Rezeptoren vermittelte Wirkung

3.1.2.1. Neurophysiologische Wirkung im Gehirn
  • Hemmung der Freisetzung von Neurotransmittern918

  • Verringerung der neuronalen Erregbarkeit918

  • Verringerung der Dopamin-D1-Signalisierung19

  • Synaptische Plastizität

    • Gehirnentwicklung20
    • Langzeitpotenzierung (LTP, “Lernen”) vornehmlich via Agonisten, Langzeitdepression (LTD, “Vergessen”) vornehmlich via Antagonisten in18
      • Hippocampus
      • Striatum
      • Hypothalamus
      • Cerebellum
  • Erhöhung der Homer1a-Expression19

  • präsynaptisch:19

    • Hemmung der Freisetzung von
      • Dopamin
      • Glutamat
      • Serotonin
      • Acetylcholin
  • postsynaptisch:19

    • Beeinträchtigung der neuronalen Signalübertragung durch
      • Hyperpolarisierung der Neuronenmembran
      • Verringerung der Erregbarkeit von Kaliumkanälen
  • Förderung selbstanpassender Veränderungen zur Regulierung der neuronalen Plastizität durch Heteromere mit A2A- und D1-Rezeptoren19

  • Der A1-Agonist CPA erhöhte die Bindung des alpha2-Adrenozeptors im Nucleus tractus solitarius. Die BIndungserhöhung war bei SHR rund 10 mal so stark wie bei WKY.21

3.1.2.2. Durch A1 beeinflusstes Verhalten
  • Lernen18
  • Gedächtnis18
  • Bewegungsaktivität9
  • Diskriminierung9
  • Suchen9
  • Belohnung9
  • Regulierung des Schlafs9
  • Sedierung9
  • antikonvulsiv9
  • anxiolytisch9
    • Adenosin-A1-Rezeptoren modulieren die anxiolytische Wirkung von Ethanol2223
  • Schmerzempfinden9

Studien bestätigen das Potenzial von A1-Agonisten als wirksame Strategie zur Bekämpfung der durch Psychostimulanzien hervorgerufenen Wirkungen.

3.1.2.3. Physiologische Wirkung im Körper
  • reduziert renalen Blutfluss24
  • reduziert glomeruläre Filtrationsrate (GFR)24
  • stimuliert die Freisetzung von renalem Renin24
  • erhöht die proximale tubuläre Natriumrückresorption24

3.1.3. A1-Rezeptor-Liganden

3.1.3.1. A1-Agonisten
  • 2-chloro-N6-cyclopentyladenosine (CCPA)22
  • N6-Cyclopentyladenosin (CPA) ist ein A1-Agonist2526
  • 5’-N-Ethylcarboxamidoadenosin (NECA) ist ein A2/A1-Agonist25
  • N6-R-phenylisopropyladenosine (L-PIA) (selektiv)13
3.1.3.2. A1-Antagonisten
  • Koffein ist ein nicht selektiver Adenosin-Rezeptor-Antagonist25
    • Adenosin-A1-Rezeptoren im Gehirn regulieren das Schlafbedürfnis. Adenosin-A1-Rezeptoren hemmen das Enyzm Adenylylcyclase, was für die Umwandlung von ATP in cAMP benötigt wird. Diese Hemmung wird durch Koffein verhindert, der cAMP-Spiegel bleibt hoch. Dies erhöht die Wachheit.27
  • Rolofylline24
  • [3H]-DPCPX (8-Cyclopentyl-1,3-dipropylxanthine)2826
  • Theophyllin (3-methyxanthine)
  • CPT (8-Cyclopentyltheophyllin)25
  • Doxofyllin (7-(1,3-Dioxalan-2-yl-methyl) Theophyllin)
    • ähnliche Wirksamkeit wie Theophyllin bei geringerer Adenosinrezeptoraffinität29

Eine Nebenwirkung von A1-Antagonisten sind (epileptische) Krampfanfälle.

Eisenmangel scheint mit einer Veränderung der Expression von Adenosinrezeptor-Subtypen in den kortiko-striatalen glutamatergen Terminals zusammenzuhängen:3031

  • Downregulaton von A1R
  • Relative Upregulation von A2AR

3.2. A2A-Rezeptor

Früherer Name: RDC8
Eine Aktivierung des A2A-Rezeptors aktiviert die Adenylylcyclase über Gi/o-Proteine.9
Kodiert durch das ADORA2A-Gen auf Chromosom 22 (22q11.23)

3.2.1. A2A-Rezeptoren im Gehirn

A2A-Rezeptoren sind bei Menschen wie Ratten im Gehirn am häufigsten im Striatum zu finden. In anderen Gehirnbereichen sind sie deutlich seltener anzutreffen.32

  • Striatum9
    • A2A finden sich vor allem im Striatum und weniger in anderen Gehirnregionen.13 Im gesamten Striatum:
      • Nucleus caudatus32
      • dorsales Striatum32
      • ventrales Striatum32
      • Nucleus accumbens13
    • Verteilung Im Striatum:32
      • zu 3 % auf Astrozyten
      • zu 90 % auf Neuronen, davon
        • 70 % postsynaptisch
          • hauptsächlich in den GABAergen mittelgroßen stacheligen Neuronen der indirekten Bahn (die in das externe Segment des Globus pallidus projizieren) und die zugleich eine hohe Dichte von D2-Rezeptoren und Enkephalin exprimieren, wobei die A2A-Rezeptoren in der Nähe der D2-Rezeptoren sitzen.
          • kaum in Neuronen des direkten striato-nigralen Weges (die selektiv D1-Rezeptoren und das Peptid Dynorphin exprimieren)
        • 23 % präsynaptisch
          • hauptsächlich an kortiko-thalamischen glutaminergen Axon-Terminalen, die mit mittelgroßen Stachelneuronen der direkten und indirekten GABAergen Bahnen in Kontakt standen sowie an cholinergen Neuronen, die die Acetylcholinfreisetzung modulieren
          • präsynaptisch
        • 3 % extrasynaptisch
        • Im dorsalen Striatum:13
          • 95-96 % der A2A werden gemeinsam mit D2 exprimiert
          • 3-6 % der A2A ko-exprimieren D1 oder Substanz-P-mRNA.
        • Im ventralen Striatum13
          • 89-92 % der A2A ko-exprimieren mit Präproenkephalin-A
          • 93-95 % der A2A ko-exprimieren mit D2-Rezeptoren
      • in medium, nicht aber in large Neuronen13
    • insbesondere am perisynaptischen Ring der glutamatergen Synapse in Enkephalin-Neuronen, wo sie mit D2- und mGlu5-Rezeptoren als Heteromere interagieren können.12
    • am Hals dendritischer Dornen, wo sie mit extrasynaptischen Dopamin- und metabotropen Glutamatrezeptoren als Heteromere interagieren können.12
    • präsynaptisch an glutamatergen Axon-Terminalen, wo sie die Glutamatfreisetzung modulieren12
  • Riechkolben9
  • optischer Kortex (gering)32
  • Amygdala (gering)32
  • Hippocampus (gering)32
  • Substantia nigra (gering)32
  • Kleinhirn (gering)32

Eine Stimulation des A2A-Rezeptors könnte ein potenzielles therapeutisches Ziel für die Behandlung von Drogenabhängigkeit sein.9

3.1.2. Von A2A-Rezeptoren vermittelte Wirkung

3.1.2.1. Neurophysiologische Wirkung im Gehirn von A2A
  • Verringerung der Dopamin-D2-Signalisierung19
    • Umgekehrt Hemmung von Adenosin durch Dopamin. Diese Wechselwirkungen entstehen (zumindest teilweise) durch allosterische Rezeptor-Rezeptor-Wechselwirkungen innerhalb heteromerer A2AR/D2R-Komplexe.13
  • Erhöhung der Freisetzung exzitatorischer Neurotransmitter19
  • Regulierung der Neuroinflammation198
    • Bei chronischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen sind A2A- und A3-Rezeptoren in Lymphozyten überexprimiert. A2A- und A3-Agonisten hemmten die Aktivierung von NF-κB, die Freisetzung typischer proinflammatorischer Zytokine und die Konzentration von Metalloproteinasen, die an den Entzündungsreaktionen bei chronischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen beteiligt sind.33
  • Modulation der neuronalen Glutamatfreisetzung8
    • Erhöhung der mGLUR5-Signalisierung19
    • Potenzierung von NMDA-vermittelten Effekten8
    • Freisetzung von Glutamat aus glutamatergen Endigungen8
    • Hemmung des Glutamat-1-Transporters (GLT-1) in Astrozyten8
  • Modulation der glialen Reaktivität8
  • Modulation der Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke8
  • Infiltration von peripheren Immunzellen8
  • Ischemieschäden8
  • Beeinflussung von Neuritenverzweigungen, Neuritenlänge und axonalem Wachstum im PFC-Neuronen34
3.1.2.2. Durch A2A beeinflusstes Verhalten
  • Regulation der Wachsamkeit35
  • ADHS-ähnliches Verhalten35
  • Synaptische Plastizität
    • Corticoaccumbens und Hippocampus
      • verringerte Langzeitpotenzierung (LTP, “Lernen”) durch Antagonisten18
    • Hippocampus
      • erhöhte Kainat- und BDNF-modulierte LTP im Hippocampus durch A2A-Agonisten
    • Striatum
  • Lernen3618
  • Gedächtnis3618
    • Koffein (als nicht-selektiver Adenosin-Antagonist) ebenso wie selektive Adenosin-A2A-Antagonisten können die Gedächtnisleistung von Nagetieren verbessern und vor Gedächtnisstörungen schützen
  • Kognition18

A2A-Überexpression korreliert mit37

  • Angst
  • Depression

A2A-Polymorphismen korrelieren mit:38

  • Angst
  • Panikstörungen

A2A-Knockout-Mäuse (Mäuse ohne A2A-Rezeptor) zeigten:39

  • Agressivität stark erhöht (Männchen)
  • Ängstlichkeit erhöht
  • Explorationsverhalten verringert
    • Koffein verringerte dieses weiter
  • Schmerzempfinden verringert
  • Blutdruck erhöht
  • Herzrate erhöht
  • Blutplättchenaggregation erhöht

3.2.2. A2A-Rezeptor-Liganden

3.2.2.1. A2A-Agonisten

  • 2-p-(2-Carboxyethyl)phenethylamino-5’-N-Ethylcarboxamidoadenosin (CGS 21680) ist ein A2A-Agonist25
  • 5’-N-Ethylcarboxamidoadenosin (NECA) ist ein A2/A1-Agonist25
  • CGS 216804034
    • bewirkt eine zwei- bis dreifache Abnahme der Affinität von D2-Rezeptoren gegenüber Dopaminrezeptor-Agonisten 13
    • verringerte in einer Studie an Ratten die Verfügbarkeit von D2-Rezeptoren im Striatum.41
    • reduzierte Wirkung bei sehr hohen, sättigenden Dosen, vermutlich aufgrund einer A2A-Downregulation42
  • 3,4-Methylenedioxybenzoyl-2-Thienylhydrazon (LASSBio-294)43
    • wirkte Blutdruck senkend und Herzfehler vermeidend bei SHR nach einem Myocardialinfarkt

3.2.2.2. A2A-Antagonisten

  • Istradefyllin (KW 6002)1344
    • Zulassung 2019 in den USA (erster zugelassener A2A-Antagonist überhaupt) zur Behandlung von Parkinson (Markenname: Nourianz®),45 allerdings erst, als die Zielrichtung des Medikaments von Parkinson insgesamt auf Parkinson mit Off-Episoden eingeschränkt wurde.
    • Zulassung in der EU verweigert.4647
    • Die häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen waren:47
      • Dyskinesie
      • Halluzinationen
      • Verstopfung
      • Schwindel
      • Übelkeit
      • Erbrechen
    • Patent läuft 2024 aus45
    • Istradefyllin verringerte in einer Studie an Ratten die Verfügbarkeit von D2-Rezeptoren im Striatum nicht.41
  • Preladenant (SCH 420814)4844
    • Entwicklung eingestellt, nachdem in Phase III nicht wirksamer als Placebo
  • Tozadenant (RO-449351, SYN-115; 4-hydroxy-N-(4-methoxy-7-(4-morpholinyl)benzo[d]thiazol-2-yl)-4-methylpiperidine-l-carboxamide)4844
    • mehrere Phase III-Studien vorzeitig eingestellt
    • Tod von 5 Patienten in einer Phase-III-Studie mit 409 Teilnehmern durch arzneimittelinduzierte Agranulozytose (Bildung von Antikörpern gegen neutrophile Membran-Glykoproteine, die zur Zerstörung von Neutrophilen führt). Diese Nebenwirkung haben auch andere, zugelassene, Medikamente. Wurde bei Istradefyllin bisher nicht beobachtet.45
  • Vipadenant4844
  • KW-6356 (2. Generation, selektiv)45
    • soll ein Nachfolger von Istradefyllin werden
    • positive Ergebnisse in Phase II-Test
  • KW-600249
  • ST 15354844
  • PBF-50944
  • ST420644
  • V8144444
  • DMPX (3,7-Dimethyl-1-propargylxanthin) ist ein selektiver A2-Antagonist25
  • MSX-340
  • SCH 58261 (selektiv)34
  • ZM241385 (4-(2-[7-amino-2-[2-furyl][1,2,4]triazolo-[2,3-a][1,3,5]triazin-5-yl-amino]ethyl)phenol)2228
  • SCH58261 (selektiv)13
  • SCH-41234813
  • Cmpd-128
    • ist ein dualer Antagonist von A2AR / NR2B.
    • ist 15-fach höher affin zum A2AR als zum A1R
    • bindet NR2B mit hoher Affinität (pKi = 8,25)
    • ist damit ein potentielles Parkinson-Medikament
  • AZD4635 (HTL1071, Imaradenant)50
    • ein 5,6-Diaryl-1,2,4-triazin-3-Amin-Derivat
    • befindet sich in der klinischen Prüfung für die Krebsimmuntherapie
    • war zuvor für die Behandlung von ADHS in Betracht gezogen worden
    • Ki-Wert: 1,7 nM für den menschlichen A2A-Rezeptor
    • mehr als 30-fache Selektivität gegenüber anderen Adenosinrezeptoren

A2A-Antagonisten zeigten sich als hilfreich bei:

  • Arbeitsgedächtnisproblemen515253
  • Gedächtnisstörungen54
  • Umkehrlernen49
  • Motivation 5556
  • zielgerichtetes Verhalten57
  • Taskwechsel45
  • Angstkonditionierung58
  • Verbesserung der kognitiven Leistung56
    • Die Wirkung von Istradefyllin auf die Kognition wurde in dessen klinischen Studien an Parkinson-Patienten nicht begutachtet
  • Stimmung (Depression) bei Parkinson (hier durch Istradefyllin)59
  • Anhedonie56
  • traumatischen Hirnverletzungen60
    • dies wird auch von ADHS-Stimulanzien berichtet
  • akutem und chronischem Stress6162
  • Restless-Legs-Syndrom (RLS)8
    • RLS ist eine häufige Komorbidität von ADHS
  • Chorea Huntington52
  • Alzheimer63
  • schwerer Depressionen8
  • Schizophrenie8
  • Epilepsie8

Eisenmangel, der auch eine Ursache von RLS darstellt, scheint mit einer Veränderung der Expression von Adenosinrezeptor-Subtypen in den kortiko-striatalen glutamatergen Terminals zusammenzuhängen:3031

  • Downregulation von A1R
  • Relative Upregulation von A2AR

3.3. A2B-Rezeptor

Kodiert durch das ADORA2B-Gen auf Chromosom 17 (17p12)

Vorkommen im Gehirn in9

  • Astrozyten
  • Nervenzellen
  • Microglia

Der A2B-Rezeptor

  • stimuliert die Adenylylcyclase über Gi/o-Proteine9
  • im Gehirn kaum vertreten912
  • schwache Adenosinbindung. Wird nur aktiviert, wenn die extrazellulären Adenosinwerte sehr hoch (mikromolar) sind, z.B. nach einer Gewebeschädigung (z. B. Entzündung, Hypoxie, Ischämie, Gehirnverletzung)13

Liganden:

  • 5’-N-Ethylcarboxamidoadenosin (NECA) ist ein A2/A1-Agonist25

3.4. A3-Rezeptor

Vorkommen im Gehirn nur in geringen Mengen12 in:9
Kodiert durch das ADORA3-Gen auf Chromosom 1 (1p13.2)

  • Cortex
  • Thalamus
  • Hypothalamus
  • Hippocampus
  • Motorische Nervenendigungen
  • retinale Ganglienzellen
  • piale und intrazerebrale Arterien
  • Glia

Der A3-Rezeptor

  • hemmt die Adenylylcyclase über Gi/o-Proteine9
  • im Gehirn kaum vertreten
  • beeinflusst synaptische Plastizität im Hippocampus18
  • Bei chronischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen sind A2A- und A3-Rezeptoren in Lymphozyten überexprimiert. A2A- und A3-Agonisten hemmten die Aktivierung von NF-κB, die Freisetzung typischer proinflammatorischer Zytokine und die Konzentration von Metalloproteinasen, die an den Entzündungsreaktionen bei chronischen autoimmunen rheumatischen Erkrankungen beteiligt sind.33
  • schwache Adenosinbindung. Wird nur aktiviert, wenn die extrazellulären Adenosinwerte sehr hoch (mikromolar) sind, z.B. nach einer Gewebeschädigung (z. B. Entzündung, Hypoxie, Ischämie, Gehirnverletzung)13

Agonisten:

Cl-IBMECA ist ein selektiver A3-Agonist18

  • erhöhte die durch Theta-Bursts induzierte LTP und abgeschwächte LTD

Antagonisten

MRS-1191 ist ein selektiver A3R-Antagonist18

  • verringerte die durch Theta-Bursts induzierte LTP und abgeschwächte LTD

3.5. Rezeptor-Heteromere

Adenosinrezeptoren treten auch als Monomere, Heteromere und Omnimere auf:9

  • untereinander (z. B. A1 / A2A)1
    • niedriges Adenosin stimuliert vorzugsweise A1 –> Hemmung der glutamatergen Übertragung
    • hohes Adenosin stimuliert A2A –> Blockade der A1vermittelten Effekte –> Potenzierung der Glutamatfreisetzung
  • mit anderen Rezeptoren (z. B. A2A / D2-Heteroidmer)
    • A2A / D2-Heterodimere scheinen teilweise für die psychomotorischen und verstärkenden Wirkungen von Psychostimulanzien wie Kokain und Amphetamin verantwortlich zu sein9

Im Striatum32

  • A2A / A2A (auf der Zelloberfläche)
  • A2A / A1
  • A2A / A2B
  • A2A / A3
  • A2A / CB1
  • A2A / D2
    • vor allem in GABAergen medium spiny neurons (MSN) des indirekten Weges13
      • striatopallidal: motorische Kontrolle
      • Nucleus accumbens: belohnungsbezogenes Verhalten
    • in Astrozyten13
    • in Glia13
    • in cholinergen Interneuronen13
    • Die gegenseitige Hemmung von Adenosin und Dopamin wird in Säugetieren über A2A / und D2-Rezeptoren vermittelt; mindestens Teile davon durch A2A / D2-Heteromeret.
    • A2A-Agonisten hemmen und A2A-Antagonisten verstärken die D2-vermittelte lokomotorische Aktivierung (u.a. in in striatopallidalen GABAergen medium spiny neurons (MSN) des indirekten Weges) und das zielgerichtete Verhalten.
    • A2A / D2 ko-aggregieren, ko-internalisieren und ko-desensibilisieren, d.h. auch Mechanismen wie die Downregulation betrifft nicht einen Teil des Heteromers allein, sondern die Gesamtheit13
  • A2A / D3
  • A2A / mGlu5
  • A2A / FGFR1 (Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptor)
  • A2A / Sigma1-Rezeptoren
  • A1 / A2A (in Glutamat-Axon-Terminalen präsynaptisch)
  • A2A-D2-Heterodimere im Gleichgewicht mit trimeren A1-A2A-D2-Heterorezeptorkomplexen
  • A2A/ D2-Rezeptor-Heterodimere scheinen Heterotetramere zu bilden. Daraus folge, dass A2A-Antagonisten bei hoher Konzentration genauso wirken wie A2A-Agonisten, nämlich die D2-Rezeptor-vermittelte Aktivität in Neuronen verringernd.64

Im Hippocampus
in mäßiger bis hoher Dichte im dorsalen Hippocampus gefunden, hauptsächlich in der Pyramidenzellschicht:32

  • A1 / A2A
  • A2A / A2B
  • A2A / A3

3.6. Agonisten und Antagonisten

3.6.1. Agonisten

  • Adenosin (A1 und A2A-Antagonist; Einsatz als A1-Antagonist bei Aroxysmaler Supraventricularer Tachycardie (PSVT); Einsatz als A2A-Antagonist bei Myocardialer Perfusion)1
  • 2-chloroadenosine (CAD) ist ein nichtspezifischer Adenosinrezeptoragonist65

3.6.2. Antagonisten

  • Xanthine
    • Koffein (A2A und A1-Antagonist)
      • empfohlende Tagesdosis max 5,7 mg/kg66
    • Theophyllin (A1- und A2-Antagonist; nur geringer A3-Antagonist)
    • Paraxanthin (Koffein-Metabolit)67
    • 1-methylxanthin (Koffein- und Theophyllin-Metabolit)67
    • Theobromin (schwacher Antagonist)67
  • Istradefyllin (A2A-Antagonist; Einsatz bei Parkinson)1 (möglicherweise auch bei Depression)68
  • Regadenoson1
  • Doxofyllin129
  • Bamifyllin1

Relative Wirkungsstärke der Methylxanthine:4

Wirkung Koffein Theophyllin Theobromin
ZNS-Stimulation +++ +++ -
Herz + +++ ++
Broncho- und Vasodilatation + +++ ++
Skelettmuskulaturstimulation +++ ++ +
Diurese + +++ ++
3.6.2.1. Koffein

Aufgrund der besonderen Bedeutung von Koffein widmen wir diesem einen eigenen Abschnitt.

3.6.2.1.1. Allgemeines zu Koffein

Weltweit werden täglich 1,6 Milliarden Tassen Kaffee konsumiert.69 Kaffee wurde erstmals im Jahr 1025 in einem medizinischen Text erwähnt.

Koffein ist ein A2A- und A1-Antagonist.
Der höchste Blutkoffeinspiegel ergibt sich ca. 30 bis 40 Minuten nach dem Konsum. Die Halbwertszeit beträgt ca. 3 bis 6 Stunden und ist bei Schwangeren verlängert und Rauchern verkürzt.70

Die Werte pro Portion (Tasse, Glas, Dose, 50-g-Riegel):70

  • gemahlener Kaffee 105 mg
  • Energydrinks 80 mg
  • Instantkaffee 54 mg
  • Tee (Beutel, lose Blätter, Instanttee, grüner Tee) 40 mg
  • Cola 16 bis 30 mg
  • Schokolade 8 bis 27 mg

Koffein aus Kaffee und Schwarztee wird unterschiedlich freigesetzt.
Koffein aus geröstetem Kaffee ist an einen Chlorogensäure-Kalium-Komplex gebunden und setzt nach Kontakt mit der Magensäure sofort Koffein frei. Kaffee-Koffein wirkt daher schnell.
Koffein aus Tee ist an Polyphenole gebunden. Das Koffein entsteht erst durch Fermentation und wird im Darm freigesetzt, wirkt mithin später und länger anhaltend.71
In Bezug auf eine Behandlung von ADHS ist Tee mithin gegenüber Kaffee vorzuziehen.
Grüner Tee enthält genauso viel Koffein wie schwarzer Tee. Dieselbe Quelle besagt jedoch, dass Koffein erst bei der Fermentation freigesetzt werde. Grüner Tee ist unfermentiert, schwarzer Tee ist fermentiert. Junge Teeblätter (Pekoe) enthalten besonders viel Koffein.72

3.6.2.1.2. Dauerhafter Koffeinkonsum und Gewöhnung

Chronischer (dauerhafter) Koffeinkonsum bewirkt Anpassungen des Adenosinsytems, die den Wirkungen von vereinzelter Koffeinaufnahme entgegenwirken.70

Eine chronische Koffeingabe bei SHR (einem genetischen Tiermodell von ADHS-HI) von 2 mg/kg über 21 Tage (was für eine Rezeptor-Anpassungs-Regulation ausreichend sein sollte) bewirkte:73

  • normalisierte dopaminerge Funktion (bei SHR an sich verringert)
  • verbesserte Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite (die bei SHR an sich typisch sind)
  • eine Upregulation von A2A in frontokortikalen Nervenendigungen

Koffein verbesserte in vitro im Striatum von SHR weiter die

  • GABA-Freisetzung (bei SHR an sich verringert)
  • GABA-Wiederaufnahme über GAT1-Transporter (bei SHR an sich verringert)

während dies bei Wistar-Ratten (die kein ADHS-Tiermodell darstellen) nicht der Fall war.74

Dieses Ergebnis könnte ein Indiz für eine positive Wirkung von Koffein bei ADHS darstellen.
Dagegen sprechen andere Studien, wonach die Auswirkungen von Koffein auf Wachsamkeit und kognitive Leistung keinen Nettonutzen für die Funktionsfähigkeit, sondern lediglich eine Aufhebung von Entzugswirkungen darstellen. Ein akuter Koffeinentzug (z.B. über Nacht) verschlechtert Wachsamkeit, kognitive Leistung und Stimmung; Koffeinkonsum stellt diese wieder auf normalem Niveau her, verbessert sie aber nicht darüber hinaus.7570

Eine Studie fand, dass erhöhter Koffeinkonsum bei Studierenden mit erhöhten Angst- und Depressionssymptomen und einer schlechteren Studienleistung korrelierte.76 Offen ist, ob diese Symptome kausal durch Koffein verursacht werden oder ob Koffein aufgrund eines Dopamindefizits als (unzureichende) Selbstmedikation verwendet wird.

Menschen und Versuchstiere entwickeln eine Toleranz gegenüber manchen, nicht aber gegenüber allen Wirkungen von Koffein777879
Hinweis: Die nachfolgend genannten Dosen liegen beim 10-fachen der empfohlenen Maximaldosis für Menschen von 5,7 mg/kg/Tag.

  • A1
    • chronische Dosen über 50 mg / kg / Tag: Upregulation der A1-Rezeptoren im cerebralen Cortex,80 und auch im Hippocampus (CA3), ohne Veränderungen der Gentranskription, offenbar aufgrund einer ohne Koffein durch Adenosin entstehenden Blockade einer Downregulation.81 Andere Studien fanden keine Erhöhung der A1-Rezeptoren im Hippocamus, cerebralen Cortex oder Cerebellum.82
      • Die Hemmung der Lipolyse in Fettzellen durch Adenosin blieb unverändert
    • chronische Dosen unter 50 mg / kg / Tag:
      • Rezeptoranzahl unverändert8384
      • Toleranzentwicklung, möglicherweise mittels veränderter Gentranskription85
  • A2A
    • Rezeptoranzahl nicht oder kaum verändert durch chronische hohe Dosen8685
      • In-vitro lassen sich A1 leicht downregulieren, A2A dagegen nicht
    • basale Adenylylzyklase-Aktivität und die durch Adenosin-Agonisten, GTP gamma S oder Forskolin stimulierten Zyklase-Aktivitäten sind in durch chronische Koffeingabe desensibilisierten Zellen verringert, aber auch andere Weise als durch Veränderungen der Rezeptoranzahl86
  • erhöhte funktionelle Sensitivität auf Adenosin8788899091

In einer Studie erhielten Probanden täglich 300 mg Koffein oder Placebo. Stimmung und subjektive Erffekte unterschieden sich nur inerhalb der ersten 4 Tage. Eine hohe Dosis Koffein (300 mg zwei mal täglich) konnte die Wirkungen

  • Spannung / Ängstlichkeit
  • hibbelig /nervös / zittrig
  • aktiv / erregt / energetisch

nur bei der Placebogruppe hervorrufen. Die Koffeingruppe hatte eine komplette Toleranz entwickelt.

3.6.2.1.2.1. Toleranzentwicklung

Toleranz gegenüber Koffein entwickelte sich binnen 1 bis 3 Tagen und endete 3 bis 4 Tage nach Beendigung der chronischen Koffeingabe.92
Toleranzbildung bei Ratten bereits ab einer Dosis von 6 mg/kg/Tag.87

Eine wiederholte tägliche Koffeineinnahme kann innerhalb weniger Tage die physiologischen Wirkungen einer einmaligen Koffeingabe verringern. Einmalige Koffeingabe bewirkt:87

  • erhöhte Wasserausscheidung
  • Speichelfluss
  • erhöhter Stoffwechselrate (Sauerstoffverbrauch)
  • erhöhter Blutdruck
  • erhöhte Noradrenalin- und Adrenalin-Plasmaspiegel
  • erhöhte Renin-Plasmaspiegelaktivität
  • Schlafstörungen
    • Nach 7 Tagen Koffeinkonsum unterschieden sich Gesamtschlafzeit, Schlafeffizienz und Häufigkeit des Erwachens nicht mehr vom Ausgangswert.

Über die Wirkmechanismen der Koffeintoleranzbildung ist wenig bekannt. Daher wird die Frage, ob dauerhafter hoher Koffeinkonsum eher Vorteile oder Nachteile in Bezug auf ADHS hat, noch vertieft zu erörtern sein. Bedenklich scheint, dass chronischer Koffeinkonsum die Sensitivität gegenüber Adenosin erhöht und damit die erwünschte Wirkung, Adenosin zu verringern, um die Hemmung von Dopamin durch Adenosin zu verringern, konterkariert.88899091 Dagegen ist bei D-Amphetamin eine derartige Rezeptoranpassung nicht gegeben.93
Offen ist, ob durch einen mäßigen oder einen tageweise alternierenden Koffeinkonsum eine Adenosinverringerung ohne eine Sensibilisierung für Adenosin erreicht werden kann.

3.6.2.1.2.2. Entzug

Als Symptome eines Entzugs von chronischer hoher Koffeineinnahme werden beschrieben:87

  • verringerte Lokomotorik9392
    • einmalige Koffeingabe erhöhte die Lokomotion, chronische Koffeingabe nicht, während D-Amphetamin bei einmaliger wie bei chronischer Gabe die Lokomotion erhöhte93
    • die Lokomotion normalisierte sich binnen 4 Tagen nach Beendigung der chronischen Koffeingabe. Dann wirkte auch eine einmalige Koffeingabe wieder wie vor der chronischen Koffeingabe.93
    • Ratten zeigten bei einem Entzug von zuvor 19 mg/kg/Tag bzw. 36 mg/kg/Tag keine Entzugseffekte in Bezug auf Lokomotorik. Erst bei 67 mg/kg/Tag trat am ersten Entzugstag eine halbierte Lokomotion ein.92 ) Ein Entzug von 190 mg/kg/Tag Koffein über 7 Wochen zeigte am ersten Tag eine Verringerung der Lokomotion auf ein Fünftel.93
  • verringertes operantes Verhalten949596
    • Koffein war diesbezüglich wirksamer als Thephyllin als Theobromin94
  • verringerte Verstärkungsschwelle für elektrische Hirnstimulation95
  • verhältnismäßig längere Schlafphasen I und II97
  • Vermeidung von zuvor bevorzugten Geschmacksrichtungen, wenn diese nun ohne Koffein dargeboten werden98
    • Eine positive Beurteilung des Geschmacks von koffeinhaltigen Lebensmitteln wird unmittelbar durch die Wirkung des Koffeins selbst verursacht. Ein Test mit zwei neuartig schmeckenden Fruchtsäften, die zunächst als gleich positiv beurteilt werden, zu denen entweder eine Kapsel mit Koffein oder Placebo eingenommen wurde, zeigte eine deutlich positive Beurteilung des Geschmacks durch die Probanden, die Koffein erhielten - allerdings vor allem durch diejenigen Probanden, die an Koffein gewohnt waren und sich gerade auf “Entzug” befanden.99
  • Kopfweh häufige Entzugswirkung
    • Koffein bewirkt eine Vasokonstriktion. Nach chronischem Koffeinkonsum tritt beim Absetzen eine Vasodilatation ein, die zu einer erhöhten Hirndurchblutung führt, die eine häufige Ursache von Kopfschmerzen zu sein scheint.100

Die Entzugsdauer bei Ratten ca. 10 Tage,95 wobei einzelne Verhaltensweisen sich erst nach 30 Tagen normalisierten.97
Eine Studie fand bei Ratten bei chronischem Koffeinkonsum von 30 mg/kg/Tag (entsprechend 4-5 Tassen Kaffee / Tag beim Menschen) über 12 Wochen am ersten Tag des Entzugs einen Rückgang der A1-Rezeptoren im Gehirn um rund ein Drittel, der sich im Schnitt nach 27 Stunden wieder normalisiert hatte. Nucleus accumbens und Hypothalamus zeigten im Gegensatz zu den übrigen Hirnregionen dagegen keine Veränderung der A1-Rezeptoren.101

Beim Menschen war nach 3 x 250 mg/Tag Koffein über 7 Tage war das Blutplasma nach 60 Stunden frei von Koffein.88
Die Entzugsdauer bei Menschen scheint etwas 14 Tage zu betragen.87

3.6.2.2. Theophyllin

Theophyllin ist ein A1- und A2-Antagonist; schwächerer A3-Antagonist. Die Affinität zu menschlichen Adenosinrezeptoren beträgt (von stark nach schwach):102103

  • A2A: 2-10 µM
  • A1: 10-30 µM
  • A2B: 10-30 µM
  • A3-Rezeptor: 20-100 µM

Daneben bewirkt Theophyllin4

  • eine Hemmung von Phosphodiesterasen
    • Phosphodiesterasen bauen den Regulatorstoff zyklisches Adenosinmonophosphat (cAMP) ab
    • cAMP fungiert als 2. Informationsträger („second messenger“) und hat etliche Funktionen:
      • Hormonstimulation
      • Vermittlung von Reaktionen auf Neurotransmitter
      • Auslösung chemotaktischen Verhaltens
      • wirken auf Effektorzellen, die an der Pathogenese von Typ-I-Allergien beteiligt sind
  • die Mobilisierung intrazellulärer Ca2+-Depots mittels Ryanodin-Rezeptoren.

Theophyllin kommt natürlich vor in
Guarana - bis 0,25 %
Teeblätter - ca. 0,03 % Trockengewicht104 bis 0,1 %71
schwarzer Tee 0,02 bis 0,04 %105
Mate-Blätter - unklar:
0 bis 0,004 % 105
ca. 0,05 bis 0,1 %71
Kakao - Spuren104 bis ca. 0,05 %
Kaffeebohne - Spuren104
Kolanuss - Spuren

3.6.2.2.1. Theophyllin bei Asthma und COPD
  • Einsatz bei Asthma und COPD)1
  • in D, A, CH verschreibungspflichtig
  • Theophyllin ist in der Lage, eine Corticosteroid-Resistenz über genetische Wege zu verringern. Dies ist der Wirkungsweg, mit dem Theophyllin bei COPD und Asthma hilfreich ist.10629
    • dies offenbar bereits bei niedrigen Spiegeln von 5mg/L102
  • schwacher, nicht-selektiver Inhibitor von PDE29
    • PDE bauen die zyklischen Nukleotide in der Zelle ab
      • führt zu Anstieg von intrazellulärem
        • zyklischem 3’5’-Adenosinmonophosphat (AMP)
        • zyklischem 3’,5’-Guanosinmonophosphat (GMP)
    • PDE-Hemmung bei therapeutisch relevanten Dosen nur gering (5 - 10 % in menschlichen Lungenextrakten)107
    • PDE-Hemmung bei Asthma stärker108
  • unterbindet die bronchokonstriktorische Wirkung von Adenosin bei therapeutischer Dosis109
  • IL10 erhöhend
    • IL-10 ist bei Asthma und COPD verringert110
    • unklar, ob dies auch bei therapeutischen Dosen relavant ist
  • Hemmt NF-κB111
    • verhindert Translokation von NF-kB in den Zellkern
    • möglicher Wirkweg, um Expression von Entzündungsgenen bei Asthma und COPD zu verhindern
  • Hemmt Phosphoinositie-3-Kinasen unmittelbar, aber schwach
    • am stärksten noch PI3K (p110)-δ-Subtyp (IC50 75 μM)
      • in Reaktionen auf oxidativen Stress involviert
    • auf diesem Mechanismus scheint die Fähigkeit von Theophyllin zu basieren, Corticosteroidresistenz umzukehren112
      • wichtig für seine klinische Wirkung bei schwerem Asthma und COPD
  • Plasmakonzentrationen über 20 mg/L zeigen häufig Nebenwirkungen:29
    • Kopfschmerzen
      • durch Hemmung von PDE4
    • Übelkeit und Erbrechen
      • durch Hemmung von PDE4 im Brechzentrum
    • Stimulation
      • könnte bei ADHS die gewünschte Wirkung sein
      • via A1-Antagonismus
    • Unwohlsein im Bauchraum
    • Unruhe
    • erhöhte Magensäuresekretion
      • via A1-Antagonismus
    • gastroösophagealer Reflux
    • Diurese
      • via A1-Antagonismus
    • erhöhte Entzündungen
      • via A2A-Antagonismus102
  • bei noch höheren Spiegeln
    • Krämpfe
    • Herzrhythmusstörungen
      • durch Hemmung von PDE3
      • via A1-Antagonismus
  • Todesfälle nach zusätzlicher intravenöser Verabreichung von Aminophyllin, z.B. in der Notaufnahme bei schwerem Asthma.113

Asthmabehandlung:29

  • Theophyllin wird als zusätzlicher Bronchodilatator empfohlen, wenn hohen Dosen inhalativer Kortikosteroide nicht ausreichen
  • höhere Nebenwirkungen als langwirksame inhalative β2-Agonisten, die zudem wirksamer sind
3.6.2.2.2. Theophyllin bei ADHS

Theophyllin zeigte sich in einer kleinen doppelblinden randomisierten Studie über 6 Wochen im Vergleich zu Methylphenidat ebenbürtig bei der Behandlung von ADHS bei Kindern im Eltern- und Lehrerrating. Eine Dosis von 3 mg/kg/Tag bei Kindern bis 11 Jahren und 4 mg/kg/Tag bei Kindern ab 12 Jahren brachte gleichwertige Ergebnisse wie 1 mg/kg/Tag Methylphenidat. Die Nebenwirkungen von Theophyllin waren geringer als die von MPH (Kopfweh und Dropout-Rate).114 Dass die Ergebnisse über eine Dauer von 6 Wochen erzielt wurden, deutet darauf hin, dass Theophyllin (anders als Koffein) keine Gewöhnungseffekte zeigt.

Theophyllin zeigte in einer doppelblinden Crossover-Studie an 14 (asymptomatischen) Kindern mit Asthma eine Verbesserung des Verhaltens in der zweiten Behandlungswoche nach dem Eltern-Rating. Kognitive Verbesserungen wurden nicht festgestellt. 115

Eine Metastudie fand in 10 Studien zu Theophyllin an Asthma-Betroffenen (ohne ADHS) eine Wirkung auf ADHS-Symptome. Hyperaktivität wurde am häufigsten genannt, ebenso Ablenkbarkeit, Unaufmerksamkeit, Reizbarkeit und Schlafprobleme.116 Da die Studien Kinder ohne ADHS betrafen, ist die Verursachung von ADHS-Symptomen ein HInweis, dass Theophyllin diese Symptome beeinflusst. Vor dem Hintergrund der Inverted-U-Wirkung117118 von Neurotransmittern und insbesondere Dopamin (ein zu wenig an Dopamin verursacht ähnliche Symptome wie ein zuviel an Dopamin) könnte die Verursachung von ADHS-Symptomen bei nicht von ADHS Betroffenen dadurch erklärt werden, dass eine Erhöhung des Dopaminspiegels bei diesen ein zuviel an Dopamin verursachte. Da ADHS durch einen Dopaminmangel gekennzeichnet ist, könnte eine Verwendung bei ADHS-Betroffenen dieses Defizit ausgleichen.

Theophyllin erhöht aufgrund des Abbaumechanismus den Plasmaspiegel und Bioverfügbarkeit von Melatonin.119 Melatonin seinerseits deaktiviert die HPA-Achse, wobei dies bislang wohl nur bei extrem hohen Dosen an Ratten untersucht wurde.

4. Adenosin und Neurotransmitter

4.1. Adenosin und Dopamin

Das Adenosinsystem ist eng mit dem Dopaminsystem verbunden.2
A1-Rezeptoren bilden mit D1-Rezeptoren Heteromere.
A2A-Rezeptoren bilden mit D2-Rezeptoren Heteromere.9

4.1.1. Adenosin hemmt Dopamin an A1-Rezeptoren

Adenosin hemmt via Adenosin-A1- und -A2A-Rezeptoren die dopaminerge Neurotransmission. Da A1-Rezeptoren vornehmlich Heteromere mit D1-Rezeptoren bilden, die ausserhalb des Striatums sitzen, hemmt Adenosin insbesondere D1-Rezepotoren. Da A2A-Rezeptoren vornehmlich Heteromere mit D2-Rezeptoren innerhalb des Striatums bilden, hemmt Adenosin an letzteren die dopaminerge Transmission im Striatum, dem Belohnungssystem.9

Adenosin A1- Rezeptor-Antagonisten wirken im Ergebnis dopaminerhöhend.

4.1.2. Adenosin und Adenosinantagonisten hemmen D2-Rezeptoren in A2A-D2-Heteromeren

A2A-D2-Heteromere treten vornehmlich im Striatum auf, dort vor allem in den GABA-ergen striatopallidalen Neuronen. Hier erhöht eine A2A-Aktivierung die GABA-Freisetzung und wirkt den durch D2-Rezeptoren induzierten Wirkungen entgegen.9

Im Striatum9

  • antagonistische Beziehung zwischen A2A und D2
    • vorherrschend (aufgrund der höheren Verteilung von Adenylylcyclase Typ V)
  • bei Upregulation von “Activator of G-protein signaling 3” (AGS3) jedoch:
    • zunehmend synergistische Interaktion
    • z.B. bei chronischer Exposition gegenüber Suchtmitteln

Spine-Neuronen im Striatum werden überwiegend durch Dopamin, Glutamat, Acetylcholin und Adenosin gesteuert. Adenosin wird innerhalb und außerhalb der Synapse freigesetzt, von wo aus es extrasynaptische und intrasynaptische Adenosinrezeptoren in glutamatergen Synapsen und in deren Nähe adressiert.12

Zumindest in A2A / D2 - Heteromeren bewirken A2A-Liganden (Agonisten ebenso wie Antagonisten allein, nicht aber, wenn Agonisten und Antagonisten gleichzeitig auftreten) eine verringerte Affinität und Signalwirkung von D2-Agonisten.6413 Bindet dagegen ein D2-Agonist an ein D2-Heteromer, wird die Bindung von A2A-Agonisten unterdrückt.13
Die A2A / D2-Interaktion beeinflusst die intrazelluläre Bildung von zyklischem AMP möglicherweise nicht nur auf der Membranebene, sondern auch auf second messenger - Ebene. Dies könnte sogar die maßgebliche Wirkung darstellen.13

Details zur Wechselwirkung von A2A und D2-Rezeptoren

A2A / D2 - Heteromere verursachen antagonistische Interaktionen zwischen A2A- und D2- auf Adenylylcyclase-Ebene
A2A- und D2-Rezeptoren können auf zwei entgegengesetzte Arten miteinander verbunden sein: auf Membranebene und intrazellulär.9

  • Membranebene
    • A2A-Aktivierung wirkt ausgleichend auf D2-Stimulation:42
      • Aktivierung wirkt ausgleichend gegenüber D2-Stimulation:120
        • verringerte D2-Dopamin-Affinität
        • erhöhter tonischer Dopaminspiegel im Nucleus accumbens
        • erhöhter extrazellulärer GABA-Spiegel
          • im Nucleus accumbens
            • nicht aber durch Dopaminantagonist
          • im ipsilateralen ventralen Pallidum
            • ebenso durch
              • Dopaminantagonist
              • gemeinsame Gabe von A2A-Agonist und D2-Antagonist in so geringen Dosen, dass diese jeweils allein unwirksam waren
        • verringertes Belohnungs- und Suchverhalten bei Kokain121
      • durch D2-Stimulation induzierte funktionelle Effekte werden abschwächt
    • Tiermodelle mit übermäßiger A2A-Expression im Gehirn zeigen reduzierte D2-Anzahl im Striatum.
      • A2A-Aktivierung verringert Verhaltensreaktionen auf Psychostimulanzien
  • synergistische Interaktion zwischen A2A- und D2 auf der Adenylylcyclase-Ebene im Striatum, bei Überexpression des “Activator of G-protein signaling 3” (AGS3)
    • tritt ein bei Upregulation von AGS3, z.B. bei Ethanolkonsums oder Entzug von Kokain, Ethanol, Morphin
    • AGS3-Aktivität
      • stabilisiert / hemmt die GDP-gebundene Form von Gi
      • erhöht gleichzeitig die βγ-abhängige Wirkung des Gs/olf-Proteins
        –> starker Anstieg der cAMP-PKA-Signalisierung

A2A-Rezeptor-Agonisten vermitteln Neuroprotektion durch Erhöhung von NF-κB9

4.1.3. Äquilibrative Nukleosid-Transporter (ENT) beeinflusst Dopaminhaushalt

Es gibt Hinweise, dass die Familie der äquilibrativen Nukleosid-Transporter (ENT) eine Rolle bei den dopaminergen Signalveränderungen bei ADHS spielen könnte.2

4.2. Adenosin hemmt Noradrenalin

Der Adenosin A1 und A2A-Antagonist Koffein fördert Noradrenalin.122 im Nucleus coeruleus.123

4.3. Adenosin und Glutamat, Acetylcholin, Serotonin, Histamin

Adenosin korreliert mit erhöhter glutamaterger Neurotransmission. Die Stimulation von Glutamat-NMDA-Rezeptoren setzt Adenosin an der Postsynapse striataler Neuronen frei. Präsynaptisch bewirkt erhöhter Glutamatinput (vermutlich durch erhöhte Freisetzung synaptischen ATPs) einen schnellen Anstieg von Adenosin an der glutamatergen Synapse.12

A1- und A2A-Rezeptoren in cholinergen Nervenendigungen scheinen die striatale Acetylcholinfreisetzung zu modulieren.124
A1- und A2A-Rezeptoren modulieren die Serotoninfreisetzung. Möglicherweise existieren A1 / A2A-Rezeptor-Heteromere, die sowohl die Acetylcholin- als auch die Serotoninfreisetzung steuern.124 A2A-Antagonisten bewirken eine Serotonoinfreisetzung im Tractus solitarius.125
Adenosin ist in der Lage, über A2A-Rezeptoren im Hypothalamus das aufsteigende histaminerge Erregungssystem zu modulieren.124

5. Abbau von Adenosin

5.1. ENT-Transporter

Unter Ruhebedingungen ist Adenosin intrazellulär und extrazellulär ungefähr gleich häufig.
Bei pathophysiologischen Zuständen (Entzündung, Ischämie und Hypoxie), die durch hohe Adenosin-Konzentrationen gekennzeichnet sind, ist die Wiederaufnahme durch ENTs der Hauptmechanismus des extrazellulären Adenosinabbaus.
Es gibt zwei Adenosintransporter:8

  • ENT1
  • ENT2

Adenosinwiederaufnahmehemmer:

  • [3H]nitrobenzylthioinosine ([3H]NBMPR)126
  • Cannabinoide hemmen die Wiederaufnahme von127
    • Adenosin (stärker)
    • Dopamin (schwächer)
      im Striatum. Dies betrifft eine große Anzahl endogener wie exogener Cannabinoid-Liganden. Die maximale Stärke der Wiederaufnahmehemmung entsprach häufig der des Dopamin-Wiederaufnahmehemmers GBR12783 und des äquilibrativen Nukleosid-Wiederaufnahmehemmers Dipyridamol. Die Hemmung erfolgte offenbar nicht durch den Cannabinoid-1-Rezeptor.

5.2. Adenosin-Desaminase (ADA)

Umwandlung von Adenosin durch:9

  • Adenosin-Kinase (AK) zu AMP (Phosphorylierung)
    • AK ist Adenosin-affiner als ADA.
    • überwiegender intrazellulärer Abbauweg im gesunden Zustand
  • Adenosin-Desaminase (ADA) zu Inosin (Desaminierung)
    • überwiegender intrazellulärer Abbauweg im pathologischen Zustand
    • auch extrazellulär

6. Regulation von Adenosin

Adenosin wird erhöht durch:8

  • Hypoxie (Sauerstoffmangel)
  • Ischämie
  • Gewebeschäden

Adenosin, Dopamin und Endocannabinoide modulieren die Freisetzung des jeweils anderen im dorsolateralen Striatum und steuern so die synaptische Plastizität.
Auf einer zweiten Ebene der Interaktion regulieren sie die Wirkung des jeweils anderen über die Bildung von Rezeptor-Heteromeren.

7. Adenosin und ADHS

Bislang finden sich nur wenige Informationen über den Zusammenhang zwischen Adenosin und ADHS.
Hervorzuheben ist, dass Adenosin Dopamin hemmt und Adenosinantagonisten Dopamin fördern. Adenosin- und Dopaminrezeptoren sind insbesondere in den Gehirnbereichen, die bei ADHS besonders involviert sind, eng miteinander verbunden. Betrachtet man die Wirkungsbereiche von A2A-Antagonsiten, findet man eine erhebliche Bandbreite an typischen ADHS-Symptomen und ADHS-Komorbiditäten.
Cannabinoide, die ebenfalls als ADHS-Medikamente wirken, hemmen die Adenosin- und Dopaminwiederaufnahme im Striatum, wirken insofern also Adenosin und Dopamin erhöhend.

7.1. Methylphenidat und Adenosin

Mehrere Studien deuten an, dass MPH - zumindestens bei extremer Dosierung - auch über A1-Rezeptoren zu agieren scheint.128129

MPH scheint ATP zu verringern. ATP ist der Vorstoff von Adenosin in der extrazellulären Adenosinsynthese. Bei Mäusen bewirkte eine chronische MPH-Gabe eine Verringerung von ATP im Hippocampus um ca. 12 %.130 Da Adenosin Dopamin hemmt, könnte die Verringerung von ATP zur Erhöhung von Dopamin beitragen.

7.2. Koffein und ADHS

Koffein ist ein starker Adenosin-A1- und A2A-Rezeptor-Antagonist.
Die weiteren Wirkungen (A2B-Antagonist, A3-Antagonist, GABAA-Antagonist, Kalziummobilisierung und Phosphodiesterase-Hemmung) scheinen demgegenüber vernachlässigbar. Daneben erhöht Koffein den Noradrenalinumsatz im Nucleus coeruleus.123 Es gibt Hinweise, dass Koffein seine mit Dopamin in Verbindung stehenden Wirkungen auch unabhängig von Adenosinrezeptoren ausübt.131

Koffein wird von Jugendlichen mit ADHS doppelt so häufig konsumiert wie von Nichtbetroffenen.132
Koffeinkonsum korreliert zudem positiv mit dem Schweregrad der ADHS-Symptome,133134 was auf eine mögliche “Selbstmedikation” hindeutet.123

Koffein verbessert:

  • Aufmerksamkeit135
  • Lernfähigkeit135
  • Gedächtnis1356218
  • Geruchsunterscheidung135
  • Reaktionen auf chronischen Stress62
  • kognitive Leistungen136 in einem auditiven Oddball-Test137
  • Stimmung136

Koffein bewirkt keine Veränderung von:135

  • Blutdruck
  • Körpergewicht

Die Wirkung von Koffein ist unklar bezüglich:135

  • Hyperaktivität
    • Erhöhung bei naiver Koffeingabe85
    • keine Erhöhung der Hyperaktivität nach Gewöhnung an Koffein (60 mg/kg/Tag - weit über der empfohlenen Dosierung für Menschen von 5,7 mg/kg/Tag), auch nicht durch Dosiserhöhung85
  • Impulsivität

PFC-Neuronen der SHR zeigen weniger Neuritenverzweigungen, eine kürzere maximale Neuritenlänge und ein geringeres axonales Wachstum als PFC-Neuronen der WKY.
Koffein stellte die Neuritenverzweigung und -verlängerung bei SHR-Neuronen sowohl über PKA- als auch über PI3K-Signale wieder her. Der A2A-Agonist CGS 21680 verbesserte die Neuritenverzweigung über PKA-Signale. Der selektive A2A-Antagonist SCH 58261 stellte das axonale Wachstum von SHR-Neuronen durch PI3K-Signalisierung (nicht durch PKA-Signalisierung) wieder her.34

Bedauerlicherweise bewirkt Koffein eine starke Toleranzbildung und eine erhöhte Empfkindlichkeit von Adenosinrezeptoren, sodass zweifelhaft ist, ob Koffein in Bezug auf ADHS einem Nutzen über eine alternierende Verwendung geringer Dosen (1-2 Tassen Kaffe alle 2 Tage) hinaus hat.

7.3. Adenosin-Antagonist Theophyllin möglicherweise gleichwertig zu MPH bei ADHS

Eine kleinere Studie fand eine gleichwertige Wirkung von Theophyllin im Vergleich zu MPH bei Kindern mit ADHS. Da diese Studie über 6 Wochen lief könnte dies darauf hinweisen, dass Theophyllin eine geringere Toleranzbildung aufweist als Koffein,

7.4. ADHS-Medikament Viloxazin erhöht Theophyllin

Viloxazin erhöht den Plasmaspiegel des Adenosin-A1- und A2-Antagonisten Theophyllin deutlich.138139
Es ist gut vorstellbar, dass ein Teil der Wirkung von Viloxazin bei ADHS auf die dopaminerhöhende Wirkung des Adenosin-Antagonisten Theophyllin zurückzuführen sein könnte.

Mehr zu Viloxazin unter => Viloxazin bei ADHS

7.5. A2A-Rezeptor-Gen und ADHS

Eine Studie fand einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Polymorphismus SNP rs35320474 des ADORA2A-Gens (A2A-Rezeptor-Gen) und ADHS.35
Eine Kombination bestimmter A2A- und D2-Rezeptor-Gene scheint das Risiko von Angststörungen bei Kindern mit ADHS zu erhöhen.140

7.6. Adenosinsystem bei SHR verändert

Die Spontaneously Hypertensive Rat (SHR) ist ein genetisches Tiermodell für ADHS-HI mit Hyperaktivität.
Bei der SHR wurde ein verändertes Adenosinsytsem festgestellt. Mehr hierzu unter => Adenosinsystem bei SHR verändert im Beitrag => ADHS im Tiermodell

Die Menge der A2A-Rezeptoren in frontokortikalen Axon-Terminalen ist bei SHR erhöht.73

Adenosin-Antagonisten verbessern verschiedene ADHS-Symptome bei SHR

  • Koffein (nicht-selektiver A1- und A2A-Antagonist)
    • Objekterkennung141
    • soziale Wiedererkennung142
    • räumliches Lernen143
    • keine Beeinflussung des Bluthochdrucks143
  • DPCPX (8-cyclopenthyl-1,3-dipropylxanthin, A1-Antagonist)
    • Objekterkennung141
    • keine Beeinflussung des Bluthochdrucks143
  • ZM241385 (4-(2-[7-amino-2-[2-furyl][1,2,4]triazolo-[2,3-a][1,3,5]triazin-5-yl-amino]ethyl) phenol, A2A-Antagonist)
    • Objekterkennung141
    • soziale Wiedererkennung142
    • keine Beeinflussung des Bluthochdrucks143

Chronische Koffeingabe:73

  • normalisierte die dopaminerge Funktion
  • verbesserte Gedächtnis- und Aufmerksamkeitsdefizite
  • bewirkte Upregulation von A2AARs in frontokortikalen Nervenendigungen

Eine chronische Gabe von Koffein oder MPH vor der Pubertät bewirkte bei erwachsenen SHR eine verbesserte Ojekterkennung, während dieselbe Behandlung diese bei erwachsenen Wistar-Ratten verschlechterte.144

Es bestehen HInweise auf eine Interaktion zwischen dem Cannabinoid- und dem Adenosin-System in Bezug auf impulsives Verhalten der SHR:145

  • WIN55212-2 (Cannabinoid-Rezeptor-Agonist) erhöhte das impulsive Verhalten
  • akute Vorbehandlung mit Koffein hob dies auf
  • chronische Koffeingabe erhöhte die Impulsivität

7.7. Manche bei ADHS erhöhten Komorbiditäten zeigen erhöhte Adenosinwerte

Asthma, Entzündungsstörungen (wie Neurodermitis) und Diabetes treten häufig komorbid zu ADHS auf. Diese 3 Störungsbilder gehen häufig mit stark erhöhten Adenosinspiegeln einher.8
Ein Zusammentreten dieser Komorbiditäten mit ADHS deutet mithin verstärkt auf einen überhöhten Adenosinspiegel hin. Während uns bei ADHS bekannt ist, dass Dopaminmangel eine Folge von erhöhtem Adenosin sein kann und mithin ADHS eine Folge von überhöhtem Adenosin sein kann (wobei es noch viele andere mögliche Ursachen gibt), ist uns die Kausalität bei Asthma, Neurodermitis und Diabetes unbekannt.

7.8. Manche ADHS-Risikofaktoren zeigen erhöhte Adenosinwerte

  • Präeklampsie (Schwangerschaftsgestose, Bluthochdruckkrankheiten während der Schwangerschaft) erhöht das ADHS-Risiko um 30 bis 188 %. Präeklampsie steht in Zusammenhang mit Veränderungen des Adenosinsystems einschließlich der Adenosin-Transporter und der Adenosinrezeptoren. SHR werden aufgrund des Bluthochdrucks der erwachsenen Mütter in einer Präeklampsie-ähnlichen Situation geboren. Koffein (ein Adenosin-Antagonist) bei 7 Tage alten SHR verhinderte die negativen Folgen der Präeklampsie (Hyperaktivität, verschlechterte soziale Interaktion, verschlechterte kontextuelle Angstkonditionierung), während es diese Symptome bei Wistar-Ratten verstärkte.146
  • Hohe Spiegel des (schwachen) Adenosinantagonisten Theobromin korrelierten negativ mit Präeklampsie bei Menschen.147
  • Hypoxie (Sauerstoffmangel) erhöht Adenosin.
    • Adenosin-Antagonisten können die negativen Folgen von Hypoxie verhindern oder beheben (siehe oben).
    • Methylphenidat kann die durch Hypoxie ausgelösten ADHS-Symptome (Hier: Suchtverhalten) ebenfalls beheben.148

7.9. ADHS-Symptome, die durch Adenosin gefördert werden

7.9.1. Hypermotorik

striatopallidal: motorische Kontrolle

  • vor allem in GABAergen medium spiny neurons (MSN) des indirekten Weges13149
  • vor allem via A2A, kaum über A113149

7.9.2. Motivationsprobleme

Adenosin hemmt die dopaminerge Neurotransmission und damit das Belohnungssystem im Striatum via

vornehmlich im Nucleus accumbens,

  • hier vor allem in GABAergen medium spiny neurons (MSN) des indirekten Weges13

8. Ausblick - Adenosin (A2A) - Antagonisten als ADHS-Medikamente?

Es bestehen einige HInweise darauf, dass Adenosinantagonisten positive Wirkungen auf ADHS-Symptome haben können. Sie werden daher als ADHS-Medikamente in Betracht gezogen.150 Neben den oben berichteten empirischen Hinweisen auf erhöhten Koffeinkonsum durch ADHS-Betroffene stützt sich dies auf neurophysiologische Befunde.

A2A / D2 - Heteromere sind an Belohnungsmechanismen beteiligt. Sie finden sich insbesondere in GABAergen Neuronen des ventralen striatopallidalen Areals, die für Belohnungs- und Motivationseffekte verantwortlich sind.9

A2A-Antagonisten können bei entsprechend niedriger Dosierung ähnlich wie Psychostimulanzien wirken, solange sie nicht zusammen mit A2A-Agonisten gegeben werden.151 152 Dass sie bei sehr hoher Dosierung möglicherweise also Droge wirken könnten, entspricht den als ADHS-Medikamenten verwendeten Stimulanzien Methylphenidat und Amphetaminmedimkamenten: auch hier macht die Dosis das Gift.
Eine Blockade von A2A-Rezeptoren führte (hier: bei kokainabhängigen Probanden) zu einem Dopaminanstieg im Striatum, was eine starke Stimulation des PFC auslöste.153 Dies entspricht den erwünschten Wirkungspfaden von ADHS-Medikamenten bei medzinischer Dosierung.

Zugleich bieten A2A-Antagonisten das Potential einer Suchtherapie bzw. Entzugsunterstützung und der Behandlung von Kindern mit Folgen fötaler Drogenintoxination.154 Eine systemische Gabe von A2A-Antagonisten verringerte bei Ratten das Suchtverhalten in Bezug auf Heroin und THC, nicht aber in Bezug auf Kokain.155156

Bisher werden Adenosin-Antagonisten lediglich aus dem Blickwinkel der Parkinsonbehandlung erforscht. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Forschung auch einer Nutzung in Bezug auf ADHS annimmt.

Mit Istradefyllin wurde 2019 in den USA der erste A2A-Antagonist zur Behandlung von Parkinson zugelassen (Markenname: Nourianz®).45 Eine Zulassung für Europa wurde durch die EMA bislang mit Hinweis auf eine widersprüchliche Studienlage verweigert.


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