Handelsnamen: Elontril, Wellbutrin, Zyban
Wirkstoffname vor 2000: Amfebutamon
Der Wirkstoff Bupropion ist ein β-Ketoamphetamin-Derivat.
Bupropion gehört zu den Cathinonen, einer Derivatgruppe der Amphetamine, die im Vergleich zu Amphetaminen eine zusätzliche Ketongruppe besitzen.
Es wird klassisch nicht als Stimulanz eingeordnet, obwohl es – wie Nikotin und Koffein – anregend wirkt.
Bupropion benötigt kein Betäubungsmittelrezept.
Während der Behandlung kann ein Urin-Drogentest auf Amphetamin und Methamphetamin positiv ausfallen. Eine Einnahme vor dem Autofahren in der Tschechischen Republik ist daher nicht zu empfehlen.
1. Wirkungsweise von Bupropion¶
Bupropion ist als Wirkstoff selbst wirksam und wird zu Hydroxybupropion, Threohydrobupropion und Erythrohydrobupropion metabolisiert. Alle sind potente Noradrenalinwiederaufnahmehemmer. Hydroxybupropion z. B. kann eine bis zu 16- bis 20-fache Konzentration von Bupropion erreichen.
Die Plasmahalbwertszeit von Bupropion wie von Hydroxybupropion beträgt rund 20 Stunden.
Bupropion wird nahezu vollständig aufgenommen. Die Bioverfügbarkeit wird durch First-Pass-Metabolismus auf 5 bis 20 % verringert. Die Bioverfügbarkeit von Bupropion mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (SR) ähnelt der von sofort wirksamem Bupropion (IR), die von Bupropion mit verlängerter (ER) Wirkstofffreisetzung ist etwas niedriger. Bupropion SR und Bupropion ER weisen höhere Tmax-Werte auf.
1.1. Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung¶
Bupropion agiert als Dopamin- und Noradrenalinwiederaufnahmehemmer. Bei Ratten ist die Wirkverteilung von Dopamin : Noradrenalin 2:1.
In der Folge erhöht Bupropion bei Ratten den Dopaminspiegel im Nucleus accumbens und moduliert dadurch die Belohnungs- und Abhängigkeitsstimulation.
Beim Menschen scheint die DAT-Affinität von Bupropion dagegen sehr schwach zu sein (DAT-Belegung von 14 %), sodass fraglich ist, ob Bupropion bei medikamentenüblicher Dosierung tatsächlich auch beim Menschen als Dopaminwiederaufnahmehemmer relevant wirkt. Bei Rhesusaffen fand sich dagegen eine DAT-Belegung von 85 %, bei Nagetieren von 35 %.
Da im PFC Dopamin auch vom Noradrenalintransporter aufgenommen wird (sogar etwas mehr als Noradrenalin) könnte Bupropion (ähnlich wie Atomoxetin) nach unserer Hypothese auf diesem Wege auch beim Menschen Dopamin im PFC erhöhen.
Diese Befunde könnten schlüssig erklären, warum Bupropion in der Praxis weniger erfolgreich als ADHS-Medikament wirkt im Vergleich zu Stimulanzien, die auch beim Menschen den DAT adressieren.
Bupropion verringert die Aktivität der noradrenergen Neuronen im Locus coeruleus, die Schlaf und Erregung beeinflussen.
1.2. Dopamin- und Noradrenalin-Ausschüttung¶
Daneben wirkt Bupropion auch schwach Dopamin und Noradrenalin ausschüttend.
1.3. Hemmung von Nikotinischen Acetylcholinrezeptoren (nAChR, Nikotinrezeptoren)¶
Bupropion ist ein nichtkompetitiver Antagonist mehrerer nikotinischer Acetylcholinrezeptoren (AChR).
1.4. TNF-alpha-Spiegel verringert¶
Bupropion verringert den TNF-alpha-Spiegel.
1.5. Keine / minimale serotonerge Wirkung¶
Nach einer Auffassung wirkte Bupropion in geringerem Maße serotonerg. Nach anderer Darstellung wirkt Bupropion nicht serotonerg.
1.6. OCT2-Inhibitor¶
Bupropion wirkt als selektiver OCT2-Inhibitor unter therapeutischen Spiegeln. OCT1 und OCT3 werden deutlich weniger inhibiert.
Zur Darstellung von OCT siehe unter *Dopaminabbau durch Organische Kationentransporter (OCT) *im Beitrag Dopaminwiederaufnahme, Dopaminabbau
1.7. Retardierung und Wirkdauer¶
Bupropion ist in verschiedenen Retardformen auf dem Markt.
Während Wellbutrin XR eine so lange Wirkdauer hat, dass eine einmalige Einnahme am Tag ausreicht, ist Zyban mit einer kürzerern Retardierung für eine zweimalige Einnahme am Tag gedacht. IR musste im Vergleich dazu dreimal täglich eingenommen werden.
Grafik der verschiedenen Blutspiegelverläufe im Steady State von Bupropion IR, SR und XR.
2. Wirksamkeit von Bupropion bei ADHS¶
Zusammenfassend: Bupropion kann in höheren Dosen bei ADHS hilfreich wirken, sollte jedoch als Monotherapie erst eingesetzt werden, wenn alle anderen Stimulanzien nicht hilfreich waren. Ein besonderer Nutzen könnte in einer Verlängerung zu kurzer Wirkzeiten von Amphetaminmedikamenten-Einzeldosen liegen.
Bupropion kann im Einzelfall eine hilfreiche Ergänzung neben der Medikation mit Stimulanzien darstellen. Beim kombinationsmedikativen Einsatz gegen ADHS ist eine sehr viel niedrigere Dosierung erforderlich als es bei einem Einsatz als Antidepressivum üblich wäre. Bei ADHS mit komorbider Depression kann Bupropion möglicherweise hilfreich sein.
Bupropion wirkt (noch) stärker aktivierend / antriebssteigernd als Nortryptilin und ist damit bei schwererer Symptomatik von ADHS-I (ohne Hyperaktivität) angezeigt. Die Gabe von Bupropion bei ADHS-HI- oder ADHS-C-Betroffenen (mit Hyperaktivität) kann Aggressionen oder Hibbeligkeit auslösen.
Bupropion soll laut dreier Studien eine vergleichbare Effektstärke in Bezug auf ADHS haben wie Methylphenidat, eine weitere Studie fand eine schwächere Wirkung als Methylphenidat.
Eine ältere kleine prospektive Studie berichtete bei 14 von 19 Probanden eine moderate bis spürbare Verbesserungen der ADHS-Symptomatik. 10 Probanden setzten nach dem Test die Behandlung mit Bupropion fort. Das sollte vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass der Vergleich noch MAO-Inhibitoren einbezog und dass seit 1990 eine erhebliche Weiterentwicklung der Stimulanzienmedikation (Retardierung und neue Wirkstoffe wie Lisdexamfetamin) erfolgte. Bupropion wurde 2005 als bei ca. der Hälfte der jugendlichen und erwachsenen ADHS-Betroffenen hilfreich bezeichnet.
Zwei Studien an 30 bzw. 47 Erwachsenen mit AD(HS) mit 300 mg bzw. bis zu 400 mg Bupropion / Tag fanden Trends für eine Wirksamkeit von Bupropion bei ADHS ohne statistische Signifikanz.
Ein RCT an 40 Probanden mit 2 x 200 mg Bupropion SR / Tag fand eine gute Verbesserung der ADHS-Symptomatik bei einem Responding von 76 %.
Bei Kindern zeigte eine doppelblinde Studie eine Verbesserung der ADHS-Symptomatik durch Bupropion.
Eine kleine doppelblinde placebokontrollierte Crossoverstudie mit einer individuellen Dosisoptimierung von MPH und Bupropion an 15 Kindern und Jugendlichen fand eine gleich starke Verbesserung der ADHS-Symptomatik durch Bupropion wie durch MPH:
Brauchbare Ergebnisse bei der alleinigen Verwendung bei ADHS wurden in der Praxis erst bei recht hohen Dosen von 400 bis 450 mg / Tag gefunden, weshalb der aktualisierte europäische Konsensus zur Diagnose und Behandlung von ADHS bei Erwachsenen empfiehlt, Bupropion nur dann zu verwenden, wenn weder MPH noch Amphetaminmedikamente Wirkung zeigen (doppeltes Nonresponding).
Es sollte das erhöhte Risiko von Krampfanfällen bei höheren Dosen Bupropion berücksichtigt werden.. Aufgrund des Krampfrisikos war Bupropion zeitweilig nicht mehr zugelassen.
Bei Depression sollte für ein positives Ansprechen eine Hydroxybupropion-Serumkonzentration von mehr als 860 ng/ml erreicht werden. Der therapeutische Referenzbereich für Depression liegt zwischen 850 und 1500 ng/ml Hydroxybupropion.
3. Abbau und Wechselwirkungen von Bupropion¶
Die Halbwertszeiten betragen:
- Bupropion: 21 Stunden
- Hydroxybupropion: 20 Stunden
- Erythrohydrobupropion: 33 Stunden
- Threohydrobupropion: 37 Stunden
Die Ausscheidung erfolgt vornehmlich mit dem Urin und gering mit den Fäkalien.
Bupropion wird primär durch CYP2B6 in Hydroxybupropion umgewandelt. CYP1A2, CYP2A6, CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, CYP2E1 und CYP 3A4 tragen gering zur Umwandlung bei. Bupropion wird durch Carbonylreduktasen zu den aktiven Metaboliten Threohydrobupropion und Erythrohydrobupropion abgebaut. Threohydrobupropion und (R)-Hydroxybupropion erreichen Plasmaspiegel, die deutlich höher sind als die von Bupropion selbst. Es wird angenommen, dass sie therapeutischen Nutzen haben.
Bupropion hat weiter die Metaboliten 4′-Hydroxybupropion und das entsprechende Erythro- und Threo-4′-Hydroxyhydrobupropion.
Bei der Einnahme von Bupropion ist Vorsicht bei der Gabe weiterer Medikamente mit CYP2B6-Beeinflussung geboten. Eine gleichzeitige Gabe von CYP2B6-Inhibitoren wie Clopidogrel oder Ticlopidin erhöhte den Bupropionspiegel AUC um 60 % bzw. 90 %. Eine gleichzeitige Gabe Carbamazepin (Induktor von CYP2B6 und CYP3A4) verringerte die Bupropion-AUC um 90 % und erhöhte die Hydroxybupropion-AUC um 50 %.
Obwohl Bupropion selbst nicht oder nur wenig serotonerg wirkt, kann es bei gleichzeitiger Gabe mit serotonergen Medikamente zu einem Serotonoinsyndrom kommen.
Bupropion wirkt zudem als Inhibitor von CYP2D6, indem es dessen Genexpression verringert. Bei einer gleichzeitigen Gabe von Amphetaminmedikamenten oder Atomoxetin sind diese daher niedriger zu dosieren. Mehrere Betroffene, die eine zu kurze Wirkung von Amphetaminmedikamenten hatten, berichteten von einer erfolgreichen Verlängerung der Wirkung durch eine gleichzeitige Einnahme von Bupropion.
4. Nebenwirkungen¶
Das Risiko von Krampfanfällen bei der Einnahme von Bupropion scheint von der maximalen Blutplasmakonzentration abzuhängen und ist daher bei IR höher als bei SR und vermutlich am niedrigsten bei XR.
- Bupropion IR:
- 0,4 % (4/1000) bei 300 bis 450 mg/Tag
- erheblicher Risikoanstieg bei noch höheren Dosen
- Bupropion SR:
- 0,1 % (1/1000) bei 300 mg/Tag.
- Bupropion XR:
-
SSRI:
Mögliche Nebenwirkungen von Bupropion sind (nach Häufigkeit, absteigend):
- Kopfschmerzen
- Mundtrockenheit
- Schlafstörungen
- Der Blutspiegel zur Schlafenszeit ist bei Bupropion SR geringer als bei IR und bei XR nochmals geringer als bei SR.
- Brechreiz
- Appetitverlust
- Gewichtsverlust von mehr als 2 kg
- anders als SSRI ist Bupropion nicht mit einer Gewichtszunahme assoziiert
- Erregungszustände
- Angstzustände
- Obstipation
- allergische Reaktionen (anaphylaktoid oder Spätreaktionen, z.B. Gelenksymptome)
- Blutdruckanstieg
- Tinnitus
- Schwindel
- Sehstörungen
- psychotische Reaktionen
Absetznebenwirkungen fanden sich bei 9 % (300 mg SR) bis 11 % (400 mg SR) und sind damit erheblich seltener als bei anderen SSRI. Bei Placebo fanden sich bei 4 % Absetznebenwirkungen.
- Hautausschlag
- Übelkeit
- Unruhe
- Migräne
Bupropion scheint im Gegensatz zu SSRI die Sexualfunktionen nicht zu beeinträchtigen.
Bupropion SR zeigt kein erhöhtes Risiko von Tagesmüdigkeit. Bupropion SR weist geringere Tagesmüdigkeit auf als Placebo und sehr viel geringere Tagesmüdigkeit als SSRI wie Sertralin oder Fluoxetin, als trizyklische Antidepressiva oder als Trazodon..
5. Kontraindikationen¶
Bupropion ist kontraindiziert bei:
- Überempfindlichkeit gegen Bupropion oder einen enthaltenen Hilfsstoff
- Einnahme weiterer bupropionhaltiger Arzneimittel
- aktuellen Anfallsleiden oder einer Vorgeschichte von Krampfanfällen.
- einem bekannten Tumor des zentralen Nervensystems.
- während einem abrupten Entzug von
- Alkohol
- Arzneimitteln, wenn dies das Risiko von Krampfanfällen erhöht, z.B.
- Benzodiazepine
- benzodiazepinähnliche Mittel
- schwerer Leberzirrhose
- aktueller oder früherer Bulimie oder Anorexia nervosa.
- bei Anwendung von irreversiblen Monoaminoxidase-Hemmern innerhalb der letzten 14 Tage
- bei Anwendung von reversiblen Monoaminoxidase-Hemmern innerhalb der letzten 24 Stunden
6. Absetzen von Bupropion¶
Es wird ein langsames Ausdosieren empfohlen.