Dass verschiedene EEG-Frequenzen des Gehirns mit verschiedenen emotionale Zuständen korrelieren, ist seit langem naturwissenschaftlich anerkannt.
⇒ Neurofeedback als ADHS-Therapie
Dass die EEG-Frequenzen des Gehirns auch über binaurale Musik beeinflusst werden können, hielten wir zunächst für eine esoterische Spielerei. Die ersten Selbstversuche mit binauraler Musik, mittels Kopfhörern von YouTube bezogen, beeindruckten uns indes derart, dass wir das Thema mit Ergotherapeuten, Psychotherapeuten und Ärzten erörterten. Deren Berichte von Wirkungen bei ihren Patienten bestätigten unsere Erfahrungen.
Grundsätzlich nutzt binaurale Musik den Effekt, dass der Körper dazu neigt, sich auf vorgegebene Rhythmen und Frequenzen zu synchronisieren.
1. Funktionsweise von binauraler Musik¶
1.1. Körpersynchronisation auf herkömmliche Musik (Rhythmus)¶
Der Körper gleicht seine Reaktionen an wahrgenommene Rhythmusreize an. Dass Musik mit langsameren Rhythmen eher beruhigt und Musik mit schnelleren Rhythmen eher anregt, ist altbekannt. Dies betrifft jedoch hörbare Frequenzen (20 Hz aufwärts; Musik hat meist Rhythmen zwischen 60 und 140 bpm) und wirkt unter anderem auf Herzfrequenz und Blutdruck.
1.2. Welleninterferenzsynchronisation bei binauraler Musik¶
Binaurale Musik setzt demgegenüber nicht auf eine Synchronisation auf einen hör- oder spürbaren Rhythmus, sondern auf eine mittelbare Synchronisation von Frequenzinterferenzen.
Die langsamsten Gehirnwellen (Theta) beginnen bei 4 Hz. 4 Schwingungen pro Sekunde als Musikrhythmus entspräche 240 bpm. Ein so schneller Rhythmus ist akustisch kaum noch auflösbar – und stünde jedenfalls mit der Funktion von langsamen Thetawellen (Tiefe Entspannung, Meditation, Schlaf) in Konflikt.
Als Tonschwingungen selbst sind Rhythmussignale unter 30 Hz kaum noch wahrnehmbar (und mit herkömmlichen Lautsprechern oder Kopfhörern kaum übertragbar).
Binaurale Musik funktioniert daher nicht über direkte akustische Wahrnehmung, sondern indirekt. Bei binauraler Musik wird die Frequenz der Musik zwischen dem linken und rechten Ohr um diejenige Frequenz verschoben, die angesprochen werden soll. Um eine Frequenz von 10 Hz zu stimulieren, wird ein Ton von z.B. 440 Hz für das eine Ohr um 5 Hz verringert und für das andere Ohr um 5 Hz erhöht. Daraus ergibt sich im Gehirn eine wahrgenommene Frequenz von 10 Hz – der so genannte binaurale Beat.
Dass binaurale Musik in der Lage ist, Gehirnfrequenzen und damit emotionale Zustände gezielt zu beeinflussen, ist wissenschaftlich erwiesen. Siehe hierzu unsere eigenen Messungen unten unter 3.
Frequenzen im höheren Alpha und niedrigen Beta-Bereich können Konzentration erhöhen und die Fehlerquote bei Aufgaben verringern.
Zuweilen wird hinterfragt, ob die Wirkung wirklich durch die Binauralität vermittelt wird. Eine randomisierte Studie (n = 141) zeigte erhebliche Angstverminderung bei Angstpatienten gleichermassen bei Musik und Binauraler Musik im Vergleich zu Nichtmusik. In einer anderen Studie war der schmerzstillende Effekt von binauraler Theta-Musik gegenüber nichtbinauraler Musik dagegen deutlich erkennbar.
Sucht man bei Youtube nach Binaural Alpha, findet man etliche Angebote von Musik, deren Frequenzen zwischen dem linken und dem rechten Ohr um 8 bis 12 Hz auseinander gezogen wurden. Diese Musik soll bei der Konzentration und beim lernen helfen.
Ein Betroffener:
Als Esoterik-Allergiker war ich total skeptisch, weil das so exotisch klingt. Aber ausprobieren kostet ja nix, so habe ich mir vor dem Schlafengehen eine Stunde binaurale Theta-Musik angehört. Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich kein Gedankenkreisen hatte, dass mein Kopf leer und ruhig war, als ich ins Bett ging. Ich konnte denken, ja. Wenn ich wollte und worüber ich wollte. Aber ich kontrollierte, worüber ich nachdenken wollte, nicht die Gedanken überrannten und bestimmten mich. Das kannte ich zuvor nicht.
Ich habe das dann in den folgenden Wochen fortgesetzt (1 – 2 Stunden binaurale Theta-Musik vor dem zu Bett gehen, während ich nebenher gelesen oder gesurft habe), in einer Jahreszeit mit extrem viel Arbeit, in der ich in den Jahren zuvor an massivem Stress gelitten hatte. Ich war ich zwar von der vielen Arbeit völlig geschafft und platt – aber meine früheren stresstypischen Affektdurchbrüche blieben aus.
Eine psychologische Psychotherapeutin berichtet:
Ich habe binaurale Musik (im Theta-Bereich) etlichen meiner Patienten empfohlen, um abschalten und entspannen zu können, was bei vielen Problemen relevant ist. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv – bis auf einen Patienten, der von Alpträumen und Schlafwandeln berichtete.
Ein Betroffener:
Ich hatte mir zum Arbeiten binaurale Alpha-Musik via Youtube angehört. Das funktionierte auch eine ganze Weile gut. Bis ich auf einmal ziemlich müde wurde und mich nicht mehr wirklich konzentrieren konnte. Da merkte ich, dass YouTube auf das nächste Stück weitergeschaltet hatte – und das war nicht mehr Alpha, sondern binaurale Theta-Musik.
Ein Betroffener:
Nachdem ich über Wochen mit Theta-Musik zum abendlichen runterkommen sehr gute Erfahrungen gesammelt hatte, habe ich mir einen Abend einmal eine Stunde lang Alpha-Musik vor dem Schlafen angehört. Diese Nacht war eine völlige Katastrophe: ich war glockenwach. Erst am Ende der Nacht hatte ich beim schlafen auch wieder das Gefühl, zu schlafen und träumte auch wieder. Davor hatte ich wohl auch geschlafen, aber es fühlte sich nicht so an, sondern eher so wie mit einem schlechten Schlafmittel, das zwar eine Ruhe, aber keinen oder allenfalls einen kalten traumlosen Schaf bringt. Der Tag darauf war grausam. Binaurale Alpha-Musik werde ich nie wieder zum runterkommen verwenden. Binaurale Theta-Musik funktioniert bei mir dagegen gut.
2. “Binaurale” visuelle Stimulation¶
Die Wirkungsweise binauraler Musik, dass Frequenzunterschiede zwischen der dem rechten und dem linken Ohr zugeführten Musik einen “Beat”, also einen Differenzrhythmus im Gehirn verursachen, führt zu der Frage, ob dieser Beat nur durch akustische Wahrnehmung oder auch durch andere Wahrnehmungen verursacht werden kann, die die linke und rechte Gehirnhemisphäre mit unterschiedlichere Frequenz ansprechen.
Untersuchungen deuten darauf hin, dass eine optische Reizung mit entsprechender Frequenzdifferenzierung die selbe Wirkung auslöst wie eine akustische Reizung.
Die Wirkungsweise binauraler Reize erinnert uns an die Wirkmechanismen der EMDR-Therapie (Shapiro). Auch dort ist es letztlich irrelevant, ob die körperseitenwechselnden Reize durch Augenbewegungen, wechselnde Berührungen der Körperhälften oder akustische Reize vermittelt werden. Allerdings ist EMDR wohl nicht von der Nutzung bestimmter Frequenzen abhängig und es werden auch keine verschiedenen Frequenzen an den beiden Körperhemisphären eingesetzt.
3. Messung der Hirnfrequenzen unter binauraler Musik¶
Wir haben in einem Eigenversuch die Veränderungen der Gehirnfrequenzen untersucht, die binaurale Musik verursacht. Die Messung erfolgte mittels eines medizinischen Frequenzmessgerätes, wie es auch für Neurofeedback eingesetzt wird. Der Versuch beinhaltete drei Modi: keine Musik, binaurale Theta-Musik und binaurale Alpha-Musik. Die Neurofeedbacktherapeutin, die die Ergebnisse analysierte, wusste nicht, wann ein Wechsel erfolgte und welche Musik eingesetzt wurde.
Die Messergebnisse zeigen:
- Die Veränderungen sind minutengenau erkennbar.
- Die Frequenzänderungen wirken sofort und konstant, d.h. auch nach 15 Minuten ergeben sich keine weiteren Veränderungen
- Es ergeben sich keine Veränderungen im Verhältnis der Frequenzen (z.B. Theta-Beta-Ratio oder andere Ratio)
- Die Veränderung des EEGs beim Wechsel zwischen den 3 Testmodi (Theta, Alpha, keine binaurale Musik) war klar sichtbar.
- Die Veränderung zwischen den beiden Musikarten (Theta und Alpha) war deutlich erkennbar.
- Theta-Musik bewirkte keine Erhöhung des Niveaus der Theta-Frequenzen.
Erkennbar war allerdings eine Verringerung der Ausschläge im Theta-Band. Der Frequenzgang wurde einheitlicher.
- Alpha-Musik bewirkte in der Summe eine Erhöhung des Niveaus der Alpha-Frequenzen.
ACHTUNG: Diese Untersuchung einer einzelnen Person an einem einzelnen Tag mit binauraler Musik aus Youtube genügt in keiner Weise irgendwelchen wissenschaftlichen Ansprüchen. Hierfür wäre eine Messung einer Vielzahl von Probanden mit einer nach konkreten Maßstäben selbst erstellten Musik erforderlich. Dies können wir aufgrund unserer beschränkter Ressourcen leider nicht leisten.