Neurophysiologische Wirkmechanismen auf Verhalten durch Erreger
Infektionen durch Viren und andere Erreger sind in der Lage, das Verhalten von Lebewesen zu verändern.
Toxoplasma gondii ist ein solcher Erreger. T. gondii erhöht den Dopaminumsatz im Gehirn von Betroffenen, während bei ADHS ein Dopamin(wirkung)mangel im PFC und Striatum vorliegt.
T. gondii ist vermutlich eher als Modell für die Beeinflussung des Verhaltens durch Erreger zu betrachten, denn als unmittelbarer Einflussfaktor in Bezug auf ADHS. Zumindest für die Differentialdiagnostik von ADHS-HI dürfte T. gondii eine Rolle spielen können. Infizierte Menschen zeigen ein erhöhtes unternehmerisches Bestreben, infizierte Nagetiere ein erhöhtes Risikoverhalten und eine Anziehung auf Katzenurin.
Es wird vermutet, dass T. gondii mit einem erhöhten Risiko von Autounfällen, psychischen Erkrankungen, Drogensucht und anderen Verhaltensstörungen beim Menschen zusammenhängt.
T. gondii findet sich bei 50 bis 60 % der Bevölkerung in Deutschland. Der Parasit vermehrt sich ausschließlich bei Katzen.
Eine T. gondii-Infektion der Mutter in der Schwangerschaft kann das ADHS-Risiko des Kindes erhöhen.
1. Toxoplasma gondii
1.1. Toxoplasma gondii verändert Verhalten bei Menschen und Tieren
Bereits länger bekannt ist, dass der Erreger Toxoplasma Gondii bei Katzen das Verhalten verändert. Eine neuere Untersuchung zeigt jedoch, dass eine Infektion mit Toxoplasma gondii auch das Verhalten von Menschen erheblich verändert.1 T. gondii verursacht Veränderungen in mehreren tausend Genen bzw. Proteinen und erhebliche Gesundheitsrisiken.2
Menschen, die mit Toxoplasma gondii infiziert sind, zeigten
- 1,8-mal so häufig das Bestreben, unternehmerisch selbstständig zu sein1
Toxoplasma gondii hat schätzungsweise 20 bis 30 % der menschlichen Weltbevölkerung infiziert.34 Die regionale Verbreitung schwankt zwischen 9 % in Norwegen und 60 % in Brasilien. Die Verbreitung bei Frauen liegt in Deutschland bei 50 bis 63 %.5 Die Verbreitung in der jeweiligen Bevölkerung korreliert
- positiv mit Neurotizismus6 und
- negativ mit der institutionellen Qualität und der Wirtschaftsleistung der jeweiligen Länder7
Der Parasit vermehrt sich ausschließlich bei Wild- und Hauskatzen.1
Bei Nagetieren bewirkt eine T. gondii-Infektion
- ein erhöhtes Risikoverhalten bei Ratten8910
- eine Anziehungskraft auf Katzenurin10
- einer größeren Erforschung neuer Gebiete in Labyrinthen10
- einer geringeren Vermeidung von Freiflächen10
Beim Menschen wird T. gondii verdächtigt, Ursache zu sein für ein erhöhtes Risiko von
- Autounfällen (2,65-fach erhöht)11
- psychischen Erkrankungen,12 wie z.B. Schizophrenie (Odds ratio 2,7)13
- Neurotizismus10
- Drogensucht, insbesondere Alkohol12
- Impulsivität1415
- Aggression15
- Selbstmord1012
T. gondii bewirkt Veränderungen in der Produktion, im Stoffwechsel oder in der Synthese von
- Hormonen14
- Neurotransmittern
1.2. Toxoplasma gondii und ADHS
Die Studienlage zu der Frage, ob T. gondii das Risiko von ADHS erhöht oder verringert ist uneinheitlich.
Eine Infektion der Mutter während der Schwangerschaft wurde mit einem erhöhten ADHS-Risiko des Kindes in Verbindung gebracht.20
Es ist jedoch nicht belegt, dass dies an der spezifischen Wirkung von T. gondii liegt. Auch andere Infektionen der Mutter in der Schwangerschaft erhöhen das ADHS-Risiko des Kindes, wie z.B. Röteln, Herpes Simplex 2 oder Grippe.
Eine andere Studie fand keine erhöhten Antikörper gegen T. gondii bei ADHS-Betroffenen.21 Eine weitere Untersuchung fand keinen statistischen Zusammenhang zwischen Katzenhaltung durch die Eltern vor der Geburt des Kindes und ADHS des Kindes im Alter von 10 Jahren.22 Die gleiche Untersuchung fand jedoch ein 2,23-fach erhöhtes Risiko für ADHS bei Jungen, deren Mutter vor der Geburt einen Hund hielt. Mädchen waren nicht betroffen.
Eine größere Untersuchung fand, dass Toxoplasmose mit einem 1,5-fachen ADHS-Risiko korrelierte (OR 2,5).23
Während Toxoplasma gondii den Dopaminstoffwechsel im Gehirn erhöht, ist bei ADHS der Dopaminstoffwechsel typischerweise verringert. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass T. gondii keine Ursache von ADHS darstellt.
Theoretisch vorstellbar wäre, dass T. gondii eine bestehende ADHS teilweise kaschieren könnte, da T. gondii Dopamin erhöhend wirkt, während bei ADHS ein (u.a.) ein Dopamin(wirkungs)mangel besteht. Diese Hypothese könnte durch Ergebnisse einer Studie gestützt werden, wonach ADHS-Betroffenen um 25 % seltener T- gondii-Antikörper gefunden wurden als bei Nichtbetroffenen.24 Eine Metastudie von 7 Studien kam dagegen zu keinem eindeutigen Ergebnis.25 Eine neuere Studie fand ein 2,8-faches Risiko von ADHS bei Erwachsenen mit T. gondii Seropositivität, erhöhtem IgG-Titer (Serointensität) und stärkerer Anti-T. gondii IgG-Avidität. Die Symptomschwere bei den Betroffenen war erhöht. Insbesondere korrelierte Hyperaktivität mit einer erhöhten Serointensität.26
2. Lactobacillus rhamnosus (JB-1)
Lactobacillus rhamnosus (JB-1), das gesunden Mäusen gegeben wurde, erhöhte binnen 2 Wochen den Spiegel von Glutamat und Glutamin um 10 % sowie den Spiegel von N-Acetylaspartat und N-Acetylaspartylglutaminsäure um 37 % sowie binnen 4 Wochen den Spiegel von GABA um 25 %. Der Glutamat- und Glutaminspiegel blieb noch 4 Wochen nach Behandlungsende erhöht.
Es zeigten sich konsistente Veränderungen der GABA-A and -B Rezeptorsubtypen in bestimmten Gehirnregionen, was mit verringerter Ängstlichkeit und verringertem Depressionsverhalten einherging.2728
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