Immunreaktionen und Entzündungen bei weiteren psychischen Störungen
Es gibt Hinweise darauf, dass verschiedene psychische Störungen auch durch Viren bzw. durch die auf Viren erfolgende Immunantwort ausgelöst werden können. Dies dürfte weder der einzige noch der häufigste Ursprung psychischer Symptome sein, sollte jedoch als eine mögliche Ursache bedacht werden.
Bei Depressionen sind bestimmte Entzündungswerte im Blut erhöht, während bei Fatigue und Schizophrenie andere Entzündungswerte verändert sind. Stress zeigt bei Depressiven eine positive Korrelation zwischen Cortisol und IL-6, bei Gesunden dagegen eine positive Korrelation zwischen ACTH und CRP. Zur Behandlung von Depressionen können COX-2-Inhibitoren und TNF-α-Antagonisten eingesetzt werden.
Fatigue zeigt eine Verringerung von IL-6 und TNF-alpha unter Stress.
Bei Schizophrenie wird eine mild chronische Entzündung des Gehirns vermutet. Autoimmunkrankheiten erhöhen das Risiko für Schizophrenie. Neurotrophe Infektionen in der Kindheit und Adoleszenz können das Risiko für spätere Psychosen erhöhen. Schlaffragmentierung kann zu Entzündungsreaktionen im Körpergewebe führen, die durch das autonome Nervensystem reguliert werden.
1. Depression
1.1. Basale Blutwerte von Zytokinen
Bei schwer Depressiven sind im Vergleich zu Gesunden die basalen Blutwerte im Schnitt (d.h. nicht bei jedem Betroffenen)
-
signifikant erhöht:
-
IL-6 (16 Studien, n = 892)1 (31 Studien).2 Ebenso eine neuere einzelne Studie in Bezug auf subklinische Depressionssymptome, wonach die basalen IL-6-, nicht aber die TNF-α-Blutwerte bei remittiert Depressiven wie bei Gesunden mit dem Maß der akuten (subklinischen) depressiven Verstimmung korrelierten.3
- Abweichend: IL-6 und sIL-6R (auf eine Gabe von Interferon-Alpha) korrelierten nicht mit erhöhten Depressionswerten nach dem MADRS. Veränderungen des IL-6-Tagesverlaufs hatten keine Auswirkungen auf das Verhalten.4
- CRP (20 Studien)2
-
IL-6 (16 Studien, n = 892)1 (31 Studien).2 Ebenso eine neuere einzelne Studie in Bezug auf subklinische Depressionssymptome, wonach die basalen IL-6-, nicht aber die TNF-α-Blutwerte bei remittiert Depressiven wie bei Gesunden mit dem Maß der akuten (subklinischen) depressiven Verstimmung korrelierten.3
- tendenziell erhöht, große Schwankung der Ergebnisse:
-
TNF-α
- erhöht (Metauntersuchung an 13 Studien, n = 788)1
- Erhöhung aufgrund der großen Heterogenität und Inkonsistenz der Subgruppen zweifelhaft2
- keine Erhöhung in einer neueren Studie in Bezug auf subklinische Depressionssymptome3
- Die basalen IL-6-, nicht aber die TNF-α-Blutwerte korrelierten bei remittiert Depressiven wie bei Gesunden mit dem Maß der akuten (subklinischen) depressiven Verstimmung.3
-
TNF-α
- ohne Unterschiede:
1.2. Stressantworten von Zytokinen bei Depression
Bei akut Depressiven zeigte sich (anders als bei Gesunden) eine positive Korrelation der Stressantworten von Cortisol und IL-6 sowie zwischen den Stressantworten von Adrenalin, TNF-α und CRP. Gesunde zeigten lediglich eine signifikante Korrelation zwischen ACTH und CRP-Stressantworten.5
Bei nicht depressiven wie bei remittierten (gesundeten ehemals) Depressiven fand sich dagegen keine Korrelation zwischen den Stressantworten von Cortisol einerseits und Zytokinen andererseits (IL-6, TNF-α, IL-10).3
1.3. Einzelne Behandlungsoptionen aus immunologischer Sicht für Depression
Bei Depression wird ein Zusammenhang zwischen erhöhten IL-6-Werten und hierdurch verringerter Serotoninsynthese beobachtet. Weiter wurden erhöhte Werte von Lymphozyten, Phagozyten, IL-1, IL-2, INF-α, INF-γ, TNF-α, positiven Akut-Phase-Proteinen, CRP und peripherer mononukleärer Zellen sowie verringerte Werte negativer Akut-Phase-Proteine beschrieben. Auch bei Depression deuten erste Untersuchungen auf eine antidepressive Wirkung von (augmentierend gegebenen) COX2-Inhibitoren hin, die u.a. IL-1- und IL-6 hemmen und den Serotoninspiegel erhöhen. Diclofenac ist ein COX2-Inhibitor, was das hohe Herz-Kreislauf-Risiko von Diclofenac erklärt,6 während Ibuprofen und Naproxen stärker COX1 als COX2 hemmen.
Ebenso scheinen TNF-α-Antagonisten antidepressive Wirkung zu entfalten. Zudem sinken bei konventionell erfolgreich behandelten Betroffenen (u.a. bei Elektrokrampftherapie) die Werte der proinflammatorischen Entzündungsmarker.7
Eine Studie berichtet, dass erhöhte IL-1-α Werte durch Supplementierung von EPA oder DHA gehemmt wurden, während erhöhte IL-6- und TNF-α Werte (nur) durch EPA verringert wurden.8
2. Fatigue
Bei Fatigue wurde auf Stress eine Verringerung von IL-6 und TNF-alpha gefunden, während Gesunde eine Erhöhung als Stressantwort zeigten. Bei Fatigue waren zudem die ACTH-Werte und die Speichelcortisolwerte insgesamt niedriger, während das Blutcortisol lediglich basal niedriger war. Damit zeigte sich eine negative Korrelation der IL-6 und TNF-alpha-Stressantwort zur Cortisolstressantwort bei Fatigue, gegenüber einer positiven Korrelation bei Gesunden.9
3. Schizophrenie
Bei behandlungsresistenter Schizophrenie wird eine milde chronische Enzephalitis (Gehirnentzündung) in Betracht gezogen.10 Indizien hierfür sind:
- aktivierte Monozyten
- Proteomveränderungen im Blut
- diskrete Liquorpathologien bei mehr als 60 % der therapieresistenten schizophrenen Psychosen
- aktivierte Mikroglia
- Diskonnektivität in bildgebenden Verfahren.
Dabei ist der Nachweis der niedriggradigen chronischen Entzündungsfaktoren ein großes Problem.
Für Schizophrenie wurden Vorteile einer augmentierenden Behandlung mit Typ-1-Zytokin-fördernden und COX-2-inhibierenden Medikamenten beschrieben.7
4. Psychose
Eine große Kohortenstudie an knapp 1,2 Millionen Kindern fand leichte Hinweise, dass neurotrophe Infektionen in Kindheit und Adoleszenz einen Risikofaktor für eine spätere Psychose darstellen:11
- CMV-Infektionen (Cytomegalovirus, ein Herpes-Virus) verdoppelten das Risiko knapp
- Mumps-Virus-Infektionen erhöhten das Risiko
- bakterielle Infektionen oder städtisches Leben erhöhten das Risiko sehr leicht
- Enteroviren erhöhten das Risiko nicht (Risk Ratio 1,0).
Demgegenüber erhöhte eine Psychose bei einem Elternteil das Risiko auf mehr als das 6-fache.
Autoimmunkrankheiten erhöhen das Risiko einer späteren Schizophrenie um 45 %. Umgekehrt sind bei Schizophrenie-Betroffenen 9 Autoimmunkrankheiten häufiger als bei Nichtbetroffenen und 12 Autoimmunkrankheiten treten bei Eltern von Schizophrenie-Betroffenen häufiger als bei Eltern von Nichtbetroffenen auf.12 Eine weitere Studie kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Autoimmunkrankheiten das Risiko einer Schizophrenie erhöhen.13
5. Schlafprobleme
Einmalige wie chronische Schlaffragmentierung erhöhte bei Mäusen die mRNA- und Proteinspiegel von Zytokinen im Körpergewebe. Änderungen der Entzündungsreaktionen spiegelten die Aktivierung der Stressachsen mit erhöhtem Corticosteron und Noradrenalin wider. Eine Behandlung mit 6-OHDA verringerte durch Schlaffragmentierung verursachte Entzündungen signifikant. Dies deutet auf eine Regulation von schlaffragmentierungsbedingten Entzündungen im Körpergewebe durch das Autonome Nervensystem (Sympathikus/Parasympathikus) hin.
Chronische Schlaffragmentierung zeigte schwerwiegendere Folgen als einmalige (akute) Schlaffragmentierung. Eine einwöchige Erholung von der Schlaffragmentierung linderte die peripheren Entzündungsreaktionen ausreichend, nicht jedoch die noradrenergen Reaktionen.14
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