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Glukosetransporter bei ADHS

Inhaltsverzeichnis

Glukosetransporter bei ADHS

Das Gehirn stellt nur 2 % des Körpergewichts und weniger als 0,01 % der Körperzellen, verbraucht jedoch in Ruhe wie in Aktion etwa 20 %1 bis 25 %2 der gesamten Energie des Körpers. Da das Gehirn keine eigenen Energiereserven hat, sind die Neuronen auf laufende Bereitstellung von Energie angewiesen.

1. Glukosetransporter

Glukose ist bei Säugetieren im Normalzustand die primäre Energiequelle für den neuronalen oxidativen Stoffwechsel.

Glukose wird von Glukosetransportern (GLUT) durch zweischichtige Lipidmembranen mittels eines Konzentrationsgradienten transportiert. Das notwendige Konzentrationsgefälle zwischen Intrazellularraum und Extrazellularraum wird aufrechterhalten, indem Glucose nach Eintritt ins Zytosol durch Hexokinase zu Glucose-6-phosphat (G6P) katalysiert wird. G6P ist Ausgangsprodukt für Glykolyse, den Pentosephosphatweg und die Glykogensynthese.3
GLUT werden durch die SLC2A-Gene codiert.

  • Klasse I (Glukosetransporter)4
    • GLUT1
      • siehe unten
    • GLUT2
      • Insulinunabhängig
      • reguliert Nahrungsaufnahme
      • reguliert Glukoseeinstrom in die glukosesensitiven Zellen der medianen Eminenz, die die ZNS-Glukosehomöostase steuern
      • auch im Gehirn, in geringer Menge
    • GLUT3
      • siehe unten
    • GLUT4
      • Insulinabhängig
      • Großhirn (bestimmte Regionen)
      • peripher in auf Insulin reagierenden Geweben (z.B. Muskel- oder Fettzellen)
    • GLUT14
  • Klasse II (Fruktosetransporter)4
    • GLUT5
    • GLUT7
    • GLUT9 (Urattransporter)
      • GLUT9a
      • GLUT9b
    • GLUT11
  • Klasse III4
    • GLUT6 (frühere Bezeichnung GLUT9)
      • Gehirn, in geringer Menge
      • weißes Fettgewebe
      • Milz
    • GLUT8
      • Gehirn, in geringer Menge
      • intrazellulär
      • Plazenta (Nagetiere)
      • früher Embryo
        • Fehlen verringert eher Wurfgröße als vollständiges Absterben aller Embryonen zu bewirken.
    • GLUT10
      • Leber
      • Bauchspeicheldrüse
      • Gehirn
      • SLC2A10-Genliegt in einer Typ-2-Diabetes in Verbindung gebrachten Chromosomenregion
      • Plazenta (Nagetiere)
    • GLUT12
    • GLUT13
      • Gehirn, in geringer Menge
    • H+/Myo-Inosit-Co-Transporter (HMIT)

Eine besondere Rolle spielen die Isoformen GLUT1 und GLUT3.4

1.1. GLUT1

GLUT1 ist Insulinunabhängig.

1.1.1. Auftreten von GLUT1

GLUT1 (Gen: SLC2A1) wird hauptsächlich exprimiert in:

  • Gehirn
    • Endothelzellen der Blut-Hirn-Schranke
      • an der luminalen wie der abluminalen Membran
      • transportiert Glukose aus dem Blut in den Kapillaren in das Interstitium des Gehirns
    • Astrozyten
    • Oligodendrozyten der grauen und weißen Substanz
    • Transport in Gliazellen
  • Plazenta
    • Versorgung des Embryos
    • GLUT1 scheint den intra-plazentaren Glukosetransport zu vermitteln, während GLUT3 den trans-plazentaren Glukosetransport von der Mutter zum Fötus besorgt und damit die Gewichtszunahme des Nachwuchses beeinflusst4
  • früher Embryo
    • in apikalen Membranen des Trophektoderms
    • in den Zellen der inneren Zellmasse
    • Fehlen beeinträchtigt die normale Embryonalentwicklung und führt zum Absterben
    • Mangel führt zu zellulärer Apoptose
  • späterer Embryo (bis 9. Woche)
  • Fötus (ab 9. Woche)
    • Neuralrohr
    • Darm
    • Herz
    • Sehnerven

1.1.2. Durch was GLUT1 beeinflusst wird

Mäuse. die vor der Empfängnis und während der Schwangerschaft eine fettreiche Nahrung erhielten, zeigten:

  • GLUT1 in Plazenta erhöht5 auf das 5-fache6
  • CD36 in Plazenta erhöht5
  • reduziertes Geburtsgewicht der Nachkommen bei 27 % Kohlenhydratendergieanteil der Nahrung, das sich in der Folge bei normale Nahrung normalisierte5
  • deutlichen Zunahme des fötalen Wachstums (+43 %) bei 52 % Kohlenhydratenergieanteil der Nahrung6
  • fötales Gewicht um 18 % erhöht bei Nahrung mit hohem Fett- und Zuckeranteil7
  • mütterliche Adipositas (gemessen am Gewicht der Fettpolster)
    • erhöht bei fettreicher Nahrung6
    • um das 2-2 fache erhöht bei fett- und zuckerreicher Nahrung7
  • zirkulierendes mütterliches Leptin erhöht6
  • Serum-Adiponektin verringert6
  • transplazentarer Transport von neutralen Aminosäuren erhöht (10-fach)6
  • SNAT2 (Natrium-gekoppelter neutraler Aminosäuretransporter) in Plazenta erhöht7 um das 9-fache 6
  • GLUT3 in Plazenta unverändert bei nur fettreicher Nahrung65
  • GLUT3 in Plazenta erhöht bei Nahrung mit hohem Fett und Zuckeranteil7
  • SNAT4 in Plazenta unverändert6

Dexamethasongabe in der Schwangerschaft:4

  • verringert GLUT1 in der Plazenta
  • verringert GLUT1 in der Plazenta
  • kann zu intrauteriner Wachstumsretardierung (IUGR) führen

1.2. GLUT3

Insulinunabhängig.

1.2.1. Auftreten von GLUT3

GLUT3 (Gen: SLC2A3) wird hauptsächlich exprimiert in:

  • Gehirn

    • reichlich
    • in prä- und postsynaptischen neuronalen Dendriten
    • in anderen kleinen neuronalen Fortsätzen
    • in Axonen
    • nicht in Gliazellen
    • Hirnrinde
    • Cerebellum
    • vermittelt den Glukosetransport in Neuronen mit hohem Energiebedarf
    • Transport benötigt keine Energiezufuhr
    • höchste Glukose-Affinität aller GLUT-Isoformen (Km: 1.4 mM)
      • normale physiologische Plasmaglukosekonzentration liegt zwischen 3,0 und 7,8 mM
      • Glukosekonzentration im Liquor cerebrospinalis liegt bei 0,5-2,5 mM
      • hohe Glukose-Affinität von GLUT3 daher unentbehrlich
    • entscheidend für die Neurotransmission (mehr als GLUT1)
  • Plazenta

    • wenig
    • Versorgung des Embryos
    • während GLUT3 den trans-plazentaren Glukosetransport von der Mutter zum Fötus besorgt und damit die Gewichtszunahme des Nachwuchses beeinflusst, scheint GLUT1 den intra-plazentaren Glukosetransport zu vermitteln4
  • früher Embryo

    • wenig
    • basaler Aspekt des Trophektoderms
    • Fehlen beeinträchtigt die normale Embryonalentwicklung und führt zum Absterben
    • Mangel führt zu zellulärer Apoptose
  • späterer Embryo (bis 9. Woche)

  • Fötus (ab 9. Woche)

    • Trophektoderm
    • embryonaler Darm
  • Hoden

    • wenig
  • Spermien

    • wenig
  • weißen Blutkörperchen

  • Blutplättchen

  • PFC

  • Thalamus

  • Putamen

  • Caudat

  • Hippocampus

  • Subfornicus

  • in grauer Substanz (hohe Stoffwechselaktivität): häufig

  • in weißer Substanz: gering

1.2.2. Durch was GLUT3 beeinflusst wird

Jeder Zustand, der zu GLUT3-Mangel führen kann, kann die oben beschriebenen neurologischen Entwicklungsstörungen auslösen.4
GLUT3-Genvarianten mit verringerter / erhöhter Aktivität können hier einen Einfluss haben.

1.2.2.1. Fett- und n-6-Fettsäure-reiche Nahrung in der Schwangerschaft: GLUT3 verringert

Eine Kombination aus einer mit n-3-Fettsäuren angereicherten, fettreichen Diät während der Säugezeit nach einer mit n-6-Fettsäuren angereicherten, fettreichen Ernährung während der Trächtigkeit bewirkte beim Nachwuchs:8

  • Mikrozephalie
  • GLUT3 verringert
  • GLUT1 unverändert

Einer n-6-Fettsäure-reiche, fettreiche Ernährung ab dem 21. Tag der Trächtigkeit bewirkte beim Nachwuchs:9

  • Migration und Reifung von periventrikulären Stammzellen im fötalen Gehirn verringert
1.2.2.2. Dexamethasongabe in der Schwangerschaft: GLuT3 verringert

Dexamethasongabe in der Schwangerschaft:4

  • verringert GLUT1 in der Plazenta
  • verringert GLUT3 in der Plazenta
  • kann zu intrauteriner Wachstumsretardierung (IUGR) führen
1.2.2.3. Fett- und Zuckerreiche Nahrung vor oder während der Schwangerschaft: GLUT3 erhöht
  • GLUT3 in Plazenta erhöht bei Nahrung mit hohem Fett und Zuckeranteil7
1.2.2.4. Hypoxische Ischämie: nur vorübergehende Veränderung von GLUT3?

Hypoxische Ischämie (die mit umfassendem Nährstoffmangel und Sauerstoffmangel einhergeht) zu Beginn der Entwicklung oder später im Jugend- oder Erwachsenenalter erhöht während der frühen energieaufwendigen Erholungsphase die GLUT3-Expression im Gehirn. Dies könnte eine adaptive Reaktion sein.
Diese reduziert sich im Kortex und Thalamus rasch wieder aufgrund von apoptotischer und nekrotischer Gehirnschädigung in der frühen Reaktionsphase (24 Stunden). Die spätere Reaktionsphase (72 Stunden) führt zu ausgedehnten regionalen Nekrosen.4

1.2.2.5. Fettreiche Nahrung vor oder während der Schwangerschaft: GLUT3 unverändert

Fettreiche Nahrung vor Empfängnis und in Schwangerschaft veränderte GLUT3 in der Plazenta nicht.65

1.2.3. GLUT3 bei ADHS und anderen Störungsbildern

GLUT3 ist ein Kandidatengen bei ADHS. Mehr hierzu unter Genkandidaten ohne plausiblen Wirkweg in Bezug auf ADHS
GLUT3-KO-Mäuse sind ein Tiermodell, das ASS-Symptome zeigt. Mehr hierzu unter ADHS-Tiermodelle mit unbekannter Dopaminveränderung

GLUT3-Mangel kann neurologische Entwicklungsstörungen auslösen, wie z.B.:

  • ADHS10
  • ASS4
  • Dyslexie11
  • Epilepsie124
  • Huntington (im späteren Lebensalter)4
  • Alzheimer (im späteren Lebensalter)13

2. Monocarboxylat-Transporter (MCT)

Bei Glukosemangel im Gehirn (Neuroglykopenie) wird Energiebedarf stattdessen durch Verbrennung der weniger effizienten Ketonkörper, Lactat und Fettsäuren gedeckt.
Ketone und Lactat können die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Im Gehirn werden sie nicht über GLUT, sondern über Monocarboxylat-Transporter (MCT) transportiert:4

  • MCT1
    • in Blut-Hirn-Schranke
    • in Astrozyten
  • MCT2
    • in Neuronen

3. Na+/Glukose-Co-Transporter (SGLT)

Familie von membrangebundenen Glukosetransportern, die energieabhängig sind und als aktive Transporter arbeiten. SGLTs transportieren Glukose gegen einen Glukosekonzentrationsgradienten, sind aber auf den Co-Transport von Natrium angewiesen.4
Codierendes Gen: SLC5 mit 12 Mitgliedern

  • SGLT1
    • Darmschleimhaut
      • vermittelt den Transport von Glukose und Galaktose
    • Gehirn
      • Glukoseaufnahme und Glukoseausfluss in bestimmte Neuronen bei, die den Plexus choroideus und die periventrikuläre Region auskleiden
  • SGLT2
    • exprimiert im frühen Teil des proximalen Nierentubulus
    • vermittelt Glukoserückresorption
    • SGLT2-Inhibitoren werden zur Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 verwendet
    • Cerebellum (gering)
  • SGLT3
    • eher Glukosesensor als Glukosetransporter
    • in cholinergen Neuronen
    • in der Skelettmuskulatur
  • SGLT4
    • Dünndarm
    • Skelettmuskulatur
    • nicht im Gehirn
    • transportiert Glukose und Mannose
  • SGLT5
    • Niere
    • nicht im Gehirn
    • transportiert Glukose und Galaktose
  • SGLT6 (auch Na+/Inositol-Cotransporter (SMIT) 2)
    • Hypothalamus
    • Substantia nigra
    • Transport von Glukose und Inositol bei der Kontrolle der Nahrungsaufnahme und der Belohnungsverarbeitung durch die Erkennung von Nährstoffen

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Diese Seite wurde am 14.12.2024 zuletzt aktualisiert.