In diesem Beitrag sammeln wir Tiermodelle für ADHS, bei denen sich uns die Art und Weise der Veränderung des Dopaminspiegel noch nicht erschlossen hat.
3. Tiermodelle mit unveränderte oder (uns) unbekannter Dopaminveränderung¶
3.1. 39,XY*O–Maus (DHEA-Mangel) (Dopamin unverändert)¶
39,XY*O-Mäuse können genetisch bedingt keine Steroidsulfatase (STS) bilden. STS baut unter anderem das Steroid DHEAS zu DHEA ab.
39,XY*O-Mäuse zeigten im Vergleich zu 40,XY-Mäusen:
- erhöhte Reaktivität auf eine neue Umgebung
- Hyperaktivität in der aktiven Phase
- Unaufmerksamkeit
- erhöhte emotionale Reaktivität
- erhöhter Wasserkonsum (nicht aber Futter)
- erhöhte Motivation
- keinen Unterschied in der sozialen Dominanz
-
signifikant niedrigere DHEA-Serumspiegel
- gleichwertige Corticosteronspiegel
- Serotonin erhöht
- im Striatum
- im Hippocampus
- Serotoninumsatz verringert
- im Striatum
- im Hippocampus
- Noradrenalinumsatz verringert
- MOPEG verringert im Striatum
-
Dopamin unverändert in PFC, Striatum, Hippocampus, Thalamus, Cerebellum
Wir finden es interessant, dass die Gehirn-Dopaminspiegel unverändert sind, obwohl STS Dopaminsulfat in Dopamin umwandeln kann. Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass die Dopaminsynthese durch STS im Gehirn keine relevante Rolle spielt.
Das STS-Gen ist ein Genkandidat für ADHS.
3.2. GIT1-KO-Maus (Dopaminwirkung verringert?)¶
Die G-protein coupled receptor kinase 1 knockout Maus (GIT1-KO) dient als ein Tiermodell zur Erforschung von ADHS.
Die GIT1 KO-Maus zeigt als ADHS-Symptome:
- Hyperaktivität
- behebbar durch Amphetamin und Methylphenidat
- Lernstörungen
- Gedächtnisverlust
GIT1 reguliert Dopaminrezeptoren. Eine Überexpression von GIT1 stört die Internalisierung zahlreicher G-Protein-gekoppelter Rezeptoren, u.a. Dopaminrezeptoren. Letzteres deutet auf ein Modell der verringerten Dopaminwirkung hin.
GIT1 ist ein Kandidatengen für ADHS.
3.3. ATXN7 Overexpressed-Maus¶
Die ATXN7 Overexpressed-Mäuse (ATXN7-OE) zeigen
- Hyperaktivität
-
Impulsivität
- keine Unaufmerksamkeit
Dies entspricht dem ADHS-HI-Subtyp.
Das Ataxin-7-Gen (ATXN7) korreliert mit Hyperaktivität. ATXN7-OE Mäuse haben eine Überexpression des Atxn7-Gens und -Proteins im PFC und Striatum. Atomoxetin (3 mg / kg, intraperitoneal) verringert das ADHS-HI-ähnliche Verhalten und die ATXN7-Genexpression in der PFC und Striatum.
3.4. Grin1-Maus¶
Grin1-Mäuse sind ein heterozygoter Mutantenstamm. Grin1 (Glutamate [NMDA] receptor subunit zeta-1) codiert ein Protein, das zur Funktion von NMDA-Rezeptoren erforderlich ist. Grin2B könnte mit ADHS assoziiert sein. Grin1-Mäuse zeigen:
- Hyperaktivität
-
Novelty seeking
- verringerte soziale Interaktion
- Ängstlichkeit
Die Aufmerksamkeitsfähigkeiten von Grin1-Mäusen wurden noch nicht untersucht.
Hyperaktivität verbesserte sich durch hochdosiertes Methylphenidat. Während bei Kontrollmäusen c-FOS im prälimbischen Kortex und Striatum sehr niedrig war und durch MPH anstieg, war c-FOS bei GRIN1Rgsc174 ⁄ + Mäusen im prälimbischen Kortex hoch und wurde durch MPH (in sehr hoher Dosierung) reduziert. Grin1Rgsc174 ⁄ + Mäuse zeigten weiter im Nucleus accumbens eine erhöhte Phosphorylierung des Proteins ERK2, die sich auch nach einer sehr extrem MPH-Dosis (30 mg/ kg) kaum veränderte. Die Autoren schlossen daraus, dass den Verhaltenssymptomen der GRIN1-Maus eine NMDA-Rezeptor-Dysfunktion in den betreffenden Gehirnregionen zugrunde liege, und dass die Wirkung von MPH bei der GRIN1-Maus nicht spezifisch über den DAT sondern über andere Rezeptoren oder Einflüsse vermittelt werde, da der DAT bereits bei wesentlich niedrigeren Dosen Wirkung hätte zeigen müssen. Die Autoren weisen weiterhin auf die ebenfalls veränderte glutamaterge Neurotransmission bei SHR hin. SHR reagieren in Bezug auf Hyperaktivität gar nicht auf MPH, sprechen jedoch auf AMP an (siehe dort).
3.5. AGCYAP1-KO-Maus¶
Das Adcyap1-Gen kodiert das in der Hypophyse generierte Neuropeptid Adenylate Cyclase Activating Polypeptide 1. Mäuse, denen das ADXAP1-Gen fehlt (Adcyap1(-/-)), zeigen ein erhöhtes Novelty seeking und Hyperaktivität. Eine Studie fand bei ihnen sensorisch-motorische Gating-Defizite in Form von Defiziten der Präpulshemmung (PPI). Amphetamin konnte die PPI und die Hyperaktivität normalisieren. Dies erfolgte via Serotonin 1A (5-HT(1A))-Rezeptor-Signalisierung. Wildtyp-Mäuse entwickelten auf den 5-HT(1A)-Agonisten 8-Hydroxy-2-(di-n-propylamino)tetralin ebenfalls Hyperaktivität, die ebenso durch AMP behoben werden konnte. Bei mit AMP behandelten AGCYAP1-KO-Mäusen fanden sich zudem erhöhte c-Fos-positive Neuronen im PFC, was auf eine erhöhte hemmende Kontrolle durch präfrontale Neuronen hindeutet.
3.6. TACR1-KO-Maus¶
Die Neurokinin-1 (Substance P, Tachikinin) Receptor Knockout Mouse (TACR1-KO-Maus) ist ein weiteres Nagetiermodell für ADHS.
Praktisch alle dopaminergen Neuronen der Substantia Nigra pars compacta und viele der Substantia nigra pars reticulata enthielten Neurokinin-1-Rezeptoren. Substanz P vermittelt seine Wirkung über postsynaptische Heterorezeptoren wie über präsynaptische Autorezeptoren. Substanz P wirkt erregend und moduliert die hemmende Wirkung von GABA in der Substantia nigra.
Substanz P ist an der Regulierung der Dopamin-Freisetzung im Striatum beteiligt. Die Wirkung von Substanz P auf die dopaminerge Übertragung wird scheinbar durch eine nigro-thalamo-cortico-striatale Schleife vermittelt.
Substanz P erhöht Dopamin im Nucleus accumbens, nicht aber im Neostriatum.
Der TACR1 ist mit der dopaminergen Wirkung im Striatum verbunden. TACR1 vermittelt die Wirkung von Proteinkinase-C-Weg bei der Herunterregulierung von DAT und NET. Die Wirkung scheint eher über NET als über DAT vermittelt zu werden.
Diese Daten könnten unserer Ansicht nach Indizien für einen verringerten Dopaminspiegel bei TACR1-KO-Maus zu sein.
3.7. Guanylylcyclase-C-KO-Maus (GC-C-KO-Maus)¶
Guanylyl-Cyclase-C (GC-C) ist ein Membranrezeptor und findet sich zusammen mit Tyrosinhydroxylase in der VTA und der Substantia nigra pars compacta. GC-C kann die Dopamin-Signalgebung modulieren. Die Aktivierung von GC-C durch GC-C-Liganden, wie Guanylin oder Uroguanylin, potenziert die durch Glutamat- und Acetylcholinrezeptoren vermittelten Erregungsreaktionen über die Aktivität der Guanosin-3’,5’-monophosphat-abhängigen Proteinkinase (PKG), was sich auf dopaminerge Zellen auswirkt.
GC-C-KO-Mäuse zeigen:
- Hyperaktivität (?)
- in bekannten und neuen Umgebungen
- wird aufgehoben durch
- systemische AMP-Injektion
- GMP-abhängigen Proteinkinase-Agonisten-Infusion ins VTA
- Eine andere Studie fand keine Hyperaktivität
- Aufmerksamkeitsdefizit im Go/No-Go-Test.
- wird aufgehoben durch
- systemische AMP-Injektion
- GMP-abhängigen Proteinkinase-Agonisten-Infusion ins VTA
- ausgedehnte Untersuchung neuer Gerüche
- Erkennung neuer Objekte beeinträchtigt
- taktiler Schreck verringert
- akustischer Schreck unverändert
- erhöhte Latenz bei Trainingsversuchen im Morris-Wasserlabyrinth nur bei Weibchen
- nicht bei räumlichen Lernversuchen mit versteckter Plattform
3.8. GAT1-KO-Maus¶
Tonisches GABA hemmt via GABA-A und GABA-B-Rezeptoren die Dopaminausschüttung im Striatum (der Maus). An den Dopamin-Axonen sind nur wenige GABA-ergen Synapsen vorhanden. Daher wird die tonische Hemmung der Dopamin-Freisetzung durch striatales GABA vermutlich durch extrasynaptische Wirkungen des extrazellulären GABA auf Rezeptoren vermittelt, die sich vermutlich auf Dopamin-Axonen befinden. GABA zeigt mithin extrasynaptische Wirkungen an anderen Neuronen.
Der Gamma-Aminobuttersäure-Transporter Subtyp 1 und Subtyp 3 nimmt GABA wieder auf. Sind die GABA-Transporter GAT1 oder GAT3 verringert oder ausgeschaltet, erhöht dies das extrazelluläre GABA und verringert damit die Dopaminausschüttung im dorsalen Striatum, nicht aber im Nucleus accumbens.
Die zwei Isoformen des GAT im Striatum sind:
- GAT-1 (Slc6a1)
- in Axonen der GABA-ergen Neuronen häufig
- in striatalen Astrozyten
- in DA-Mittelhirn-Neuronen
- auf striatalen DA-Axonen
- GAT-3 (Slc6a11)
- mäßig exprimiert
- besonders auf (striatalen) Astrozyten vorkommend
- Dysregulation von GAT-3 auf striatalen Astrozyten bewirkt tiefgreifende Veränderung der SPN-Aktivität und des striatal gesteuerten Verhaltens durch verringertes extrazelluläres Dopamin
- in DA-Mittelhirn-Neuronen
- auf striatalen DA-Axonen
(GAT1)-KO Mäuse (GAT-1-/- Mäuse) zeigen typische ADHS-Symptome:
- Hyperaktivität
-
AMP und MPH reduzieren diese
- motorische Probleme
- Ataxie, gekennzeichnet durch Mängel in der motorischen Koordination und Gleichgewichtsfähigkeit
- Aufmerksamkeitsprobleme
- Beeinträchtigung der Aufmerksamkeitsfokussierung in einem “incentive runway test”
-
Impulsivität bei einem Anreiztest zur passiven Vermeidung
- Gedächtnisprobleme
- Defizite im räumlichen Referenzgedächtnis
3.9. TR-beta 1 transgene Maus¶
Trägt ein mutiertes menschliches Thyroid Rezeptor TRb 1-Gen.
TRbeta-transgene Mäuse
- sind bis auf einen kurzen Zeitraum während der postnatalen Entwicklung euthyreotisch (= normale Schilddrüsenhormonwerte von Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4)).
- zeigen bis ins Erwachsenenalter
- Veränderungen im dopaminergen System (erhöhter Dopaminumsatz)
-
ADHS-Symptome
- paradoxe Reaktion auf MPH
Wie die überwiegende Mehrheit der Kinder mit ADHS zeigen die TRbeta-transgenen Mäuse also ADHS-Symptome ohne messbare Schilddrüsenanomalien. Möglicherweise bewirken bereits vorübergehende Störungen der entwicklungsbedingten Schilddrüsenhomöostase lang anhaltende verhaltensbezogene und kognitive Folgen, einschließlich der Entstehung des gesamten Spektrums der ADHS-Symptome.
Symptome:
- Hyperaktivität
-
Impulsivität
- Unaufmerksamkeit
- Alle Symptome
- werden durch Methylphenidat reduziert
- sind wie bei ADHS dynamisch und reagieren empfindlich auf veränderte Umweltbedingungen, Stress und Verstärkung
3.10. FEZ1-KO-Maus¶
Das Fez1-Gen (Fasciculation and elongation protein zeta-1) wird spezifisch im Nervensystem exprimiert wird und wirkt an der Neuroentwicklung mit.
FEZ1-Knockout-Mäuse zeigen:
- Hyperaktivität
-
Impulsivität
-
Tyrosinhydroxylase-Expression in Mittelhirn und Hirnstamm verringert
-
Dopamin- und Noradrenalinspiegel sowie deren Metaboliten in Nucleus accumbens und PFC verringert
-
MPH und Guanfacin bewirkten
- Hyperaktivität wie Impulsivität verbessert
-
Dopamin- und Noradrenalinspiegel in Nucleus accumbens und PFC wiederhergestellt
-
Tyrosinhydroxylase-Expression erhöht
Das FEZ1-Gen wird spezifisch im Nervensystem exprimiert und dies am stärksten während der Neuroentwicklung [21]. FEZ1 ist an verschiedenen Prozessen der Neuroentwicklung beteiligt, wie:
- Neuritenverlängerung
-
dendritischen Arborisierung
- axonalem Transport
-
neuronaler Migration
3.11. STA3GAL5(-/-) - Maus¶
St3gal5-/- Mäuse. Im Gegensatz zu B4galnt1-/- Mäusen bilden sich bei diesen Mutanten die klinischen Anomalien nur teilweise zurück, was auf die kompensatorische Synthese der Ganglioside der 0-Reihe GD1α und GM1b zurückzuführen sein könnte. Allerdings fehlen den
St3gal5-/- Mäusen fehlen die wichtigsten ZNS-Ganglioside GM3, GM1, GD1a, GD3, GT1b und GQ1b
St3gal5-/- Mäuse zeigen:
- motorische Hyperaktivität
-
Impulsivität
- Unaufmerksamkeit
- erhöhte Insulinsensitivität
- autistische Verhaltensweisen
- konditionierte Geschmacksaversion in einer hemmenden Lernaufgabe beeinträchtigt
- angstähnliches Verhalten im Freiland
- motorische Defizite (mäßig)
- abnorme soziale Interaktionen
- exzessives Pflege- und Aufzuchtverhalten
- Thrombozytenaktivierung und neuronale Schädigung nach einem Hirntrauma
- Proteolipidprotein-1 (Plp1) Gen- und Proteinexpression verringert
- proinflammatorische Zytokin-Expression erhöht
- Interleukin1β ist hochreguliert
- Lipopolysaccharide induzieren geschlechtsabhängige Anomalien in der Entzündungsreaktion und im Sozialverhalten
- Anzeichen von Hypomyelinisierung
Die STA3GAL5-KO-Maus ist eine milde Form Abbildung des STA3GAL5-Aufalls. Schwerere Formen gehen mit Entwicklungsstörung, schweren Hör-, Seh-, motorischen und kognitiven Beeinträchtigungen sowie Störungen der Atmungskette einher. Mehr hierzu unter STA3GAL5 im Beitrag Genkandidaten ohne plausiblen Wirkweg in Bezug auf ADHS
St3gal5-/-/B4galnt1-/- Mäusen mit doppeltem Knockout fehlt jegliches Gangliosid-Derivat von LacCer.
Sie entwickeln bald nach der Geburt eine schwere Neurodegeneration mit gestörten Axon-Glia-Interaktionen, Schwäche der hinteren Gliedmaßen, Ataxie, Tremor und verstärkte Entzündungsreaktionen. Sie sterben vor dem Alter von zwei Monaten.
3.12. PACAP(-/-) - Maus¶
Mäusen mit Hypophysen-Adenylatcyclase-aktivierendem Polypeptid (PACAP)-Mangel (PACAP(-/-)) zeigten:
- Hyperaktivität
- Gedächtnis für neue Objekte beeinträchtigt
- Präpulshemmung beeinträchtigt
Atomoxetin verbesserte alle 3 Symptome und erhöhte das extrazelluläre Noradrenalin- und Dopamin im PFC von PACAP(-/-)-Mäusen stärker als bei Wildtyp-Mäusen.
3.13. Wheelrunning-Maus¶
Mäuse, die durch Selektion derjenigen Tiere mit einer höheren freiwillgen Nutzung des Laufrades gezüchtet wurden, zeigten:
-
Hyperaktivität in neuer Umgebung
-
mehr Laufradnutzung in Form von kürzeren und schnelleren Läufen
-
Hyperaktivität auch nach 24-stündiger Eingewöhnung in Käfigen ohne Räder
-
D1/D5-Rezeptoren mit verringerter Funktion
-
D2/D3/D4-Rezeptoren unverändert
-
Kokain (Dopamin-Wiederaufnahmeblocker)
- verringert durchschnittliche Geschwindigkeit, nicht aber Dauer der Laufradnutzung bei Wheelrunning-Mäusen
- unveränderte Laufradnutzung bei Wildtyp
-
GBR 12909 (Dopamin-Wiederaufnahmeblocker)
- verringert durchschnittliche Geschwindigkeit, nicht aber Dauer der Laufradnutzung bei Wheelrunning-Mäusen
- unveränderte Laufradnutzung bei Wildtyp
-
Ritalin (15 mg/kg und 30 mg/kg)
- verringerte Laufradnutzung bei Wheelrunning-Mäusen
- steigerte Laufradnutzung bei Wildtyp
-
Apomorphin (nichtselektiver D2-Agonist)
- 0,125 mg/kg verringerte Laufradnutzung bei Wheelrunningmäusen und Wildtypmäusen gleichermaßen
- 0,25 mg/kg und 0,5 mg/kg verringerten Laufradnutzung beim Wildtyp stärker
-
SCH 23390 (selektiver D1-/D5-Antagonist)
- 0,025, 0,05 und 0,1 mg/kg verringerte Laufradnutzung beim Wildtyp stärker als bei Whlrunning.Mäusen
-
Racloprid (selektiver D2-Antagonist)
- 0,5, 1 und 2 mg/kg verringerte Laufradnutzung bei Wheelrunningmäusen und Wildtyp im ähnlichen Maße
-
Fluoxetin (SSRI)
- verringerte Laufgeschwindigkeit und Dauer der Laufradnutzung bei Wheelrunning-Mäusen und Wildtyp proportional zur Ausgangsaktivität
3.14. PTCHD1-KO-Maus¶
Bei der PTCHD1-KO-Maus sind die PTCHD1-Rezeptoren im Thalamus deaktiviert.
Männliche Mäuse mit deaktiviertem PTCHD1 zeigten:
- Ablenkbarkeit
- Probleme des Erkennungsgedächtnisses
- Atomoxetin beseitigte diese Veränderung.
- Hyperaktivität
- Atomoxetin beseitigte diese Veränderung.
-
Impulsivität
- Atomoxetin beseitigte diese Veränderung.
- Lernstörungen
-
Hypotonie
- Aggression
- Schlaffragmentierung
Zudem zeigten sich Veränderungen des Kynurenin-Stoffwechsels.
Wurde PTCHD1 lediglich im retikulären Kern des Thalamus deaktiviert, zeigten sich nur erhöhte Werte von
- Ablenkbarkeit
- Hyperaktivität
- Schlafprobleme
3.15. Neonatale Anoxie-Maus¶
Neonatale Anoxie (nachgeburtlicher Sauerstoffmangel) erhöht das ADHS-Risiko.
Symptome:
Männchen waren stärker beeinträchtigt als Weibchen.
- Hyperaktivität
- bei Männchen im Offenfeld
- von Tag P20 bis P45
- nicht erhöht
- Defizite des räumlichen Gedächtnisses dauerhaft
- kognitive Beeinträchtigungen bei der Aufgabenerfassung
- Defizite bei der anhaltenden Aufmerksamkeit
-
Impulsivität erhöht
- Zwanghaftigkeit erhöht
- erhöhtes Schmerzempfinden
- Reaktionen je nach nozizeptivem Stimulus geschlechtsspezifisch
- Angstverhalten bei erwachsenen Männchen
Neurophysiologische Veränderungen:
- Anomalien bei Monoaminen
- Zelldichte im CA1-Hippocampus verändert
- Zellverlust in Substantia nigra
- Verlust von Hirnvolumen, insbesondere ipsilateral, in
- gesamter Hemisphäre
- Großhirnrinde
- weißer Substanz
-
Hippocampus
-
Striatum
Akute Anoxie (akuter Sauerstoffmangel) bewirkte:
- Binnen 20 Minuten:
-
Noradrenalin verringert im Cerebellum
-
Dopamin verringert im Striatum
- 5-Hydroxyindolessigsäure (5-HIAA) erhöht im Kortex und im Cerebellum
- P7 (7. Tag)
-
Noradrenalin-Anstieg im Cerebellum
- Serotonin (5-HT) und 5-HIAA verringert in Kortex und Kleinhirn
- P21
-
Noradrenalin-Anstieg im Hippocampus
- Homovanillinsäure-Anstieg (HVA) im Striatum
- Serotonin verringert im Striatum
- 5-HIAA Anstieg in Striatum und Hippocampus
- P60
- 3,4-Dihydroxyphenylessigsäure (DOPAC) erhöht in Striatum
- und 5-HIAA-Spiegel erhöht im Striatum
15 Minuten perinatale Asphyxie (Sauerstoffmangel während der Geburt) bewirkte:
-
Tyrosinhydroxylase-mRNA-Spiegel erhöht in VTA und Substantia nigra
-
DRD1- und DRD2-mRNA erhöht im Striatum
Ein ähnliches Mausmodell, das durch wiederholte Hypoxie die Schäden von Sauerstoffmangel durch extreme Frühgeburt simuliert, zeigte:
- Hyperaktivität und Impulsivität als Reaktion auf eine verzögerte Belohnung
- keine Hyperaktivität in unbekannter Umgebung
- keine Unaufmerksamkeit
- signifikanter spezifischer Verlust dopaminerger Neuronen (nur) im rechten VTA
3.16. Cry1Δ11-Mäuse¶
Cry1Δ11 (c. 1717 + 3A > C)-Mäuse zeigen ADHS-ähnliche Symptome:
- Hyperaktivität
-
Impulsivität
- Lerndefizite
- Gedächtnisdefizite
- hyperaktiver cAMP-Signalweg im Nucleus accumbens
- hochreguliertes c-Fos, hauptsächlich in Dopamin-D1-Rezeptor-exprimierenden mittelgroßen stacheligen Neuronen (DRD1-MSNs) im NAc lokalisiert
- erhöhte neuronale Erregbarkeit von DRD1-MSNs im Nucleus accumbens
- das CRY1Δ11-Protein konnte, anders als das WT CRY1-Protein, mechanistisch nicht mit dem Gαs-Protein interagieren und die DRD1-Signalübertragung hemmen
- der DRD1-Antagonist SCH23390 normalisierte die meisten ADHS-ähnlichen Symptome
3.17. Pln-/-KO-Mäuse¶
Phospholamban findet sich auf Proteinebene im retikulären Thalamuskern. Dieser hat einen großen Einfluss auf lebenswichtige neurologische Prozesse, einschließlich exekutiver Funktionen und der Erzeugung von Schlafrhythmen.
Pln-/- Mäuse zeigen im Vergleich zu ihren Pln+/+-Wurfgeschwistern:
- Hyperaktivität
- verringertes Angstverhalten
- Defizite im räumlichen Arbeitsgedächtnis
- unverändertes Objektlokalisierungsgedächtnis
- beeinträchtigtes Objekterkennungsgedächtnis
- sozialen Erkundungsverhalten / Geselligkeit / Vorliebe für soziales Neuland unverändert
Dagegen führt eine Ablation von Phospholamban, die auf den retikulären Thalamuskern begrenzt wurde, und die die periphere PLN-Synthese in Herzmuskeln, Skelettmuskeln und glatten Muskeln nicht beeinträchtigte, zu:
- Hyperaktivität
-
Impulsivität erhöht
- unverändertem Angstverhalten
- unverändertes räumliches Arbeitsgedächtnis
- Wachphasen verkürzt
- REM-Schlaf verlängert, besonders bei Weibchen
- non-REM-Schlaf verlängert
- Aufmerksamkeit unverändert
3.18. Mäuse mit stimulierten CaMKII+ Neuronen im hinteren Hypothalamus¶
Eine chemogenetische Aktivierung von CaMKII-positiver (CaMKII+)-Neuronen im hinteren Hypothalamus bewirkte:
- erhöhter lokomotorischer Aktivität
- Bewegungsgeschwindigkeit verdoppelt
- plötzliche Luftsprünge
- Hypermotorik unbeeinflusst von Clonidin
- erhöhte Impulsivität
- wirksam reduziert durch Clonidin
- erhöhtes Risikoverhalten
- verminderte soziale Interaktion
- unbeeinflusst von Clonidin
- keine erhöhte Angst
- kein erhöhtes Vermeidungsverhalten
Mäuse mit einer Hemmung von CaMKII-positiven (CaMKII+)-Neuronen im hinteren Hypothalamus zeigten eine verringerte Lokomotorik im Vergleich zu Kontrollen.
3.19. SERT-KO-Mäuse bei Western Diet¶
Mäuse mit einem deaktivierten Serotonintransporter-Gen zeigen unter Western Diet („westliche Ernährung“ mit einem hohen Anteil an gesättigten Fetten, Cholesterin und Zucker):
- Verhaltensweisen, die an ADHS erinnern
- erhebliche Stoffwechselstörungen
Diese Anomalien könnten durch eine Störung der Insulinrezeptor (IR)-Signalübertragung vermittelt werden, die auch mit ADHS bei Erwachsenen in Verbindung gebracht wird.
3.20. Hunde mit ADHS¶
Eine Studie an Hunden mit ADHS-Verhalten fand relativ verringerte Blut-Dopamin- und Serotoninsiegel.
3.21. Drosophila (Fruchtfliege)¶
Forschungen an Drosophila zeigten, dass Genvarianten das Verhalten von Drosophila z.B. auf unangenehme Luftstöße bestimmten.
Drosophila, die auf Luftstöße ganz besonders lange eine hyperaktive Reaktion zeigten, hatten eine bestimmte Mutation des Dopamintransporter-Gens, welches einer der wichtigsten Kandidatengene bei ADHS ist. Wurden diese Drosophila mit Kokain behandelt, kamen sie schneller zu Ruhe.
Der Dopamin D1-Rezeptor war für das Lernverhalten von Drosophila essentiell. Drosophila mit einem (im gesamten Gehirn) künstlich stillgelegten D1-Rezeptor konnten nicht erlernen, dass ein bestimmter Geruch als Warnsignal für einen Luftstoß fungierte.
Wurde das D1-Rezeptor-Gen ausschließlich in der Gehirnregion des “Central Complex” repariert, waren die Drosophila nicht mehr hyperaktiv, konnten aber immer noch nicht lernen. Wurde das D1-Rezeptor-Gen dagegen nur in der Gehirnregion des “Mushroom Body” repariert, wurde die Lernfähigkeit wiederhergestellt, während die Hyperaktivität verblieb.
Eine Drosophila-Zuchtlinie, die auf (Ein-)Schlafprobleme hingezüchtet wurde, zeigte nach 60 Generationen zugleich erhebliche Hyperaktivität und eine erhöhte Sensibilität auf Umweltreize.
77 % der menschlichen Krankheitsgene haben Homologe in Drosophila. Obwohl sich der Stammbaum von Drosophila und Mensch vor 700 Millionen Jahren trennte, ist das Gehirn von Drosophila wie das von Wirbeltieren dreigliedrig organisiert (Vorderhirn, Mittelhirn und Hinterhirn) und nutzt die gleichen wichtigen Neurotransmitter (Dopamin, Glutamat, GABA, Homologe von Adrenalin, Noradrenalin und Serotonin) sowie die passenden Enzyme, Transporter und Rezeptoren.
3.22. Drosophila unter Imidacloprid¶
Drosophila melanogaster wurden 7 Tage lang einer Imidacloprid-haltigen Nahrung ausgesetzt.
Ihre Nachkommen zeigten:
- Hyperaktivität
- Aggressivität
- veränderte soziale Interaktion
- repetitive Bewegungen
- Ängstlichkeit
Wurden die Nachkommen 24 Stunden lang einer Nahrung mit luteinhaltigen Nanopartikeln ausgesetzt, kehrte dies die genannten Verhaltensparameter um.
Nahrung mit luteinhaltigen Nanopartikeln schützte auch Marker für oxidativen Stress und die Zelllebensfähigkeit und verhinderten die Verringerung der Nrf2- und Shank3-Immunreaktivität.
Lutein wirkt
- entzündungshemmend
- antioxidativ
- neuroprotektiv