15. Messung von Dopamin
Die Messung von Dopamin in Bezug auf psychische Zusammenhänge ist aus verschiedenen Gründen weder diagnostisch noch zu Behandlungszwecken sinnvoll möglich.
Dopamin kann die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden.
15.1. Dopamin-Messungen in peripheren Körperflüssigkeiten oder zerebraler Rückenmarksflüssigkeit¶
Die Messungen der Konzentration von Dopamin und seiner Metaboliten (z.B. Homovanillinsäure, HVA) in peripheren Körperflüssigkeiten oder in der zerebralen Rückenmarksflüssigkeit (CSF) ist nicht empfindlich genug, um etwas über die Dopamin-Aktivität im Gehirn auszusagen.
Ein Vergleich der HVA-Konzentrationen in vier Hirnregionen (dorsaler frontaler Kortex, orbitaler frontaler Kortex, Nucleus caudatus und Putamen), Liquor und Blutplasma fand eine einzige signifikante Korrelation (zwischen Liquor und dorsalem frontalem Kortex), sodass Messungen der HVA-Konzentration im Rohplasma (selbst wenn Einflüsse durch Ernährung oder Narkose ausgeschlossen werden) für die Beurteilung des zentralen Dopaminstoffwechsels und -umsatzes kaum Nutzen zeigen.
Periphere Dopaminwerte sagen weiter deshalb nur wenig über Gehirndopaminwerte aus, weil Dopamin nicht nur im Gehirn, sondern auch von verschiedenen peripheren Geweben synthetisiert und freigesetzt wird, z.B.:
- Bauchspeicheldrüse
- Nebennierenmark
- Niere
-
periphere Leukozyten.
Dies betrifft auch die Messung
- der Menge des Abbauenzyms MAO im Blut
- der Prolaktin-Stressantwort
Schließlich benötigen dopaminerg vermittelte Einflüsse auf das Verhalten nicht zwingend eine Veränderung des Dopaminspiegels oder seiner Metaboliten. Sie können auch durch bloße Veränderungen der Rezeptoren oder der Dopaminflüsse entstehen.
15.2. Lidschlagrate als Anzeige von Dopaminspiegeländerungen¶
Die Lidschlagrate (Eyeblink)
-
korreliert mit der Aktivität von DRD1 und DRD2
-
basale Lidschlagrate korreliert möglicherweise stärker mit DRD2
- kann eine verringerte oder erhöhte Dopaminaktivität sowie die Normalisierung dieser Aktivität nach einer Behandlung anzeigen
- insbesondere striatales Dopamin
- kann individuelle Unterschiede in der Leistung bei vielen kognitiven Aufgaben zuverlässig vorhersagen, insbesondere in Bezug auf belohnungsgesteuertes Verhalten und kognitive Flexibilität
Zwei Studien fanden keine Korrelation zwischen der Lidschlagrate und der Dopamin-Aktivität.
15.3. Retina und erhöhtes extrazelluläres Dopamin
Anhand einer nicht-invasiven Analyse von Netzhautreaktionen auf Licht ließ sich ein erhöhter extrazellulärer Dopaminspiegel feststellen, der aus einem genetisch bedingten erhöhten DAT-Dopamin-Efflux entstand.
15.4. Dopaminmessung im Labor¶
In vitro (an Gewebeproben) kann Dopamin auf verschiedene Weise gemessen werden:
- Messung der elektrischen Aktivität nachgeschalteter Neurone auf Stimulation dopaminerger Neurone
- Messung der Feuerrate einzelner dopaminerger Neurone in Reaktion auf dopaminrelevante Stimuli
- Messung der Auswirkung von Dopaminagonisten und Dopaminantagonisten
-
SPECT-Untersuchungen messen das Bindungsverhalten radioaktiv markierter Dopamin-Liganden; dies erlaubt eine indirekte Schlussfolgerung auf die Dopamin-Konzentration
- die Dopaminfreisetzung kann mittels des Radioliganden [11C]-Racloprid anhand der Verringerung des D2R-Bindungspotenzials festgestellt werden
- Bildgebungsstudien können Aktivität von dopaminergen Neuronen auf dopaminrelevante Stimuli darstellen
15.4.1. Elektrochemische Messmethoden¶
Zyklische Fast-Scan-Voltammetrie (FSCV)
- Messung der Veränderung der Dopaminfreisetzung
- FSCV erfordert die Subtraktion eines Grundlinienstroms, daher nur zur Erfassung von Dopaminveränderungen geeignet
-
in vivo, in vitro
- Kohlefaserelektrode wird in Gewebe eingeführt, und Dreieckswelle angelegt (-0,6 bis 1 V)
- schnelle Abtastrate (> 400 V/s)
- Abtastrate ist im Vergleich zur Geschwindigkeit der Exozytose relativ langsam
- Erfassungsrate 10 bis 100 Hz
- Verschiedene Verbindungen erzeugen während des Scans Oxidations- und Reduktionsströme bei unterschiedlichen Spannungen; Spitzenstrom für Dopamin bei ca. 0,6 V
Amperometrie
- Ähnlich wie FSCV, nutzt aber ein konstantes Potenzial (~0,6 V für Dopamin) an der Elektrode.
- Hohe zeitliche Auflösung, nur durch Abtastrate begrenzt.
- Begrenzte Spezifität für Dopamin. Daher nur nutzbar, wenn Dopamin die wichtigste elektroaktive Substanz ist.
- Die Oxidation verbraucht Dopamin und kann damit zum Abklingen des Signals beitragen.
Mikrodialyse
- Messung des absoluten Dopaminspiegels
- meist mit anschließender Hochleistungsflüssigkeitschromatographie
-
in vivo
- Empfindlich genug zur Messung des basalen Dopaminspiegels im Gehirn lebender Tiere
- Geringe zeitliche Auflösung, daher ungeeignet zur Messung schneller Dopamintransienten
- Gewebeschädigung durch Sonde; kann Messungen beeinflussen
15.4.2. Messung ganzer Zellen¶
D2 IPSC-Aufzeichnung
- Zeigt die Aktivierung von DRD2 an.
- übrige Dopaminfreisetzung wird nicht gemessen
- Methode nutzt die GPCR-Signaltransduktion, die eine Verzögerung von ca. 50 bis 100 ms zwischen Dopaminfreisetzung und Detektion bewirkt.
- GIRK (G-Protein-aktivierte, einwärts gerichtete Kaliumkanäle) erzeugen bei Aktivierung durch Dopamin einen hemmenden postsynaptischen Strom (IPSC), der gemessen werden kann.
- In Mittelhirn-Dopamin-Neuronen sind DRD2 an GIRK gekoppelt
- Im Striatum sind DRD2 nicht an GIRK gekoppelt. GIRKs können aber viral exprimiert werden, um D2-Aktivierung zu melden.
LGC-53
- dopaminempfindlicher Chloridkanal in C. elegans
- Messung des Chloridstroms mit guter Empfindlichkeit und Spezifität für Dopamin
15.4.3. Bildgebende Verfahren¶
VMAT-pHluorin
- Messung der Fusion einzelner Vesikel aus einzelnen Varikositäten
- VMAT-pHluorin ist ein pH-empfindlicher Fluorophor, der intraluminal an VMAT2 gebunden ist
- Fusion von VMAT-pHluorin-markierten Vesikeln mit Plasmamembran erhöht Fluoreszenzsignal
- Spezifität begrenzt; Ergebnis zeigt vesikuläre Freisetzung aller Neurotransmitter, die aus Dopamin-Neuronen freigesetzt werden
Fluoreszierende falsche Neurotransmitter (FFN)
- FFN sind VMAT2-Substrate, die selektiv in monoaminhaltige Vesikel geladen werden
- Bei Freisetzung von Vesikeln verringert FFN-Diffusion die Fluoreszenz in den Varicositäten
- Analyse einzelner Varikositäten
- Empfindlichkeit ist begrenzt, da selbst bei starker Stimulation nur ein kleiner Teil der Vesikel eines Terminals freigesetzt wird
Genetisch kodierte Dopamin-Sensoren (dLight; GrabDA)
- Analyse von Dopamin-Rezeptoren
- Durch Engineering von Dopamin-Rezeptoren gewonnene fluoreszierende Indikatoren
- Markierung mit zirkulär permutiertem GFP
-
in vivo; in vitro
- Hohe Empfindlichkeit
- Hohe räumlich-zeitliche Auflösung
Nanoröhrchensensoren
- Untersuchung der räumlichen und zeitlichen Eigenschaften der Dopaminfreisetzung
- einwandige Kohlenstoffnanoröhrchen
- mit einzelsträngigen Oligonukleotiden konjugiert
- im nahen Infrarotbereich fluoreszierend
-
in vivo; in vitro
- direkte Einbringung in Gewebe
- Starker Fluoreszenzanstieg nach Bindung an Dopamin
- Schnelle Reaktion
- sehr empfindlich
- Spezifität begrenzt, da auch andere Katecholamine und Ascorbinsäure erkannt werden
15.4.4. Dopaminfreisetzung auf Flächenebene¶
- Früher konnte Dopamin nur punktuell gemessen werden. Dies ermöglichte lediglich die Erfassung eines Mengenwertes an einer einzigen Stelle. Zwischenzeitlich wurden Methoden entwickelt, mit denen die Dopaminfreisetzung auf Flächenebene gemessen und aufgezeichnet werden kann. Eine Methode beschreibt die Beobachtung der Dopaminausschüttung ganzer Zellen, eine weitere die flächige Beobachtung der Dopaminausschüttung bis hinunter auf Dendritenebene.
Diese neuen Techniken ermöglichen erhebliche Erkenntnisgewinne.
15.5. DAT-Promotor-Methylierung im Blut könnte DAT-Expression im Striatum vorhersagen¶
Eine Messung der DAT-Promotor-Methylierung im Blut könnte möglicherweise als Indikator für die DAT-Expression im Striatum dienen.
Diese Seite wurde am 12.03.2024 zuletzt aktualisiert.