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15. Zeit und Reaktionszeit bei ADHS

Inhaltsverzeichnis

15. Zeit und Reaktionszeit bei ADHS

Bei ADHS wird häufig eine veränderte Zeitwahrnehmung berichtet.
Daneben ist ADHS durch eine erhöhte Reaktionszeitvarianz in Reaktionstests gekennzeichnet. Die erhöhte Reaktionszeitvarianz unterscheidet ADHS deutlich von anderen psychischen Störungen wie Angst, PTBS, ODD, CD und typischen Entwicklungsstörungen.
Eine langsamere Reaktionszeit und eine größere Standardabweichung der Reaktionszeit können auf eine geringere Dekodiergenauigkeit des Gehirns zurückzuführen sein. Die Reaktionszeitvarianz ist besonders hoch bei ADHS-Betroffenen, die viele commisson errors machen. Zudem korrelieren erhöhte Cortisolausschüttungen mit einer erhöhten Varianz in der Antwortzeit.
ADHS zeigt eine spätere und verringerte Verlangsamung der Reaktionszeit nach Fehlern im Vergleich zu Nichtbetroffenen. Eine erhöhte Reaktionszeit und Reaktionszeitvarianz scheinen zudem mit einer hohen Verfügbarkeit von Dopaminrezeptoren zu korrelieren, was mit einem verringerten Dopaminspiegel einhergeht.

Es gibt Hinweise auf eine kürzere Reaktionszeit bei ADHS, sowie noch stärker bei SCT. In einer Studie konnten die Reaktionszeit auf ein Stop-Signal, der Prozentsatz der fehlgeschlagenen Antwort-Hemmungen und die Standardabweichung der Reaktionszeit bis zum “Go”-Versuch (SDRT) ADHS-Betroffene und Nichtbetroffene erfolgreich unterscheiden. Die Ex-Gauß-Zerlegung der Reaktionszeit-Verteilung zeigte, dass sowohl ein größeres Tau als auch ein größeres Sigma die Ergebnisse für die SDRT beeinflussten.1 Die traditionellen Maße der hemmenden Kontrolle waren indes gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Prädiktoren für den ADHS-Status als die ex-Gaußschen Parameter.2

15.1. Reaktionszeitvarianz bei ADHS erhöht

ADHS ist gekennzeichnet von einer erhöhten Varianz der Reaktionszeit in Reaktionstests.34567 Die erhöhte Reaktionszeitvariabilität soll insbesondere mit Problemen anhaltender Aufmerksamkeit korrelieren,8910 was jedoch umstritten ist.611 Eine langsamere Reaktionszeit und eine größere Standardabweichung der Reaktionszeit scheint auch die Folge einer geringeren parieto-okzipitalen multivariaten Dekodiergenauigkeit zu sein, die etwa 240-340 ms nach Beginn der visuellen Suche auftrat.12
Offenbar ist die Reaktionszeitvarianz bei der Gruppe von ADHS-Betroffenen, die besonders viele commisson errors (falsch-positive Fehler) machen, besonders hoch.13 Erhöhte Cortisolantworten auf einen Stressor korrelierten mit einer erhöhte Varianz in der Antwortzeit.14 Erhöhte Cortisolstressantworten sind beim ADHS-I-Subtyp sehr häufig und für den ADHS-HI-Subtyp untypisch.
Weiter wurde von einer späteren und verringerten Verlangsamung der Reaktionszeiten nach Fehlern als bei Nichtbetroffenen berichtet.715
Erhöhte individuelle Reaktionsvarianz ist ein Zeichen von erhöhtem neuralem Rauschen. MPH verbessert dies.16 Neurales Rauschen wird durch arrhythmische Signale im Cortex repräsentiert, die als “1/f-Rauschen” im EEG messbar sind. Dopaminmangel verschlechtert den Signal-Rauschabstand. ADHS ist von verringerten Dopaminspiegeln im PFC und Striatum gekennzeichnet. Stimulanzien wie z.B. MPH heben den Dopaminspiegel dort an. Ein bis zum optimalen Maß steigender Dopaminspiegel verbessert den Signal-Rauschabstand.
Erhöhte Reaktionszeit und erhöhte Reaktionszeitvariabilität scheinen mit einer hohen Verfügbarkeit von Dopaminrezeptoren („leere Rezeptoren“) zu korrelieren, was mit einem verringerten tonischen Dopaminspiegel einhergeht.17

Das Symptom der erhöhten Reaktionszeitvarianz unterscheidet ADHS zudem signifikant gegenüber anderen psychischen Störungen wie

  • Angst
  • Distress disorders (körperliche Stressstörungen, PTBS)
  • Oppositionelles Trotzverhalten (ODD)
  • Störung des Sozialverhaltens (Conduct Disorder, CD)
  • typische Entwicklungsstörungen

Wir testen derzeit einen Reaktionstest, um zu erforschen, ob die Reaktionszeitvariabilität zur ADHS-Diagnostik verwendet werden kann. Hier startet der ADxS.org – ADHS-Reaktionstest.

15.2. Reaktionszeitverkürzung bei ADHS?

Mehrere Untersuchungen und Berichte deuten auf eine kürzere Reaktionszeit bei ADHS hin.181920 107 Nach Barkley sei insbesondere bei SCT (Sluggish Cognitive Tempo) die Reaktionszeit durchgehend verringert.
Nach einer anderen Untersuchung unterscheiden sich die Reaktionszeiten von ADHS-Betroffenen und Nichtbetroffenen nicht, jedoch sehr wohl die Sorgfaltsleistung.
Eine weitere Untersuchung von ADHS-Betroffenen wurde festgestellt, dass Träger des DRD4-7R-Gen-Polymorphismus, der einer der Hauptkandidaten für erhöhte Sensibilität und ADHS ist, entgegen aller Erwartung keine schlechteren Reaktionszeiten als Nichtbetroffene hatten, wohl aber Träger anderer DRD4-Polymorphismen. Andere berichten von einer abweichenden audiovisuellen multisensorischen Verarbeitung.19
Eine Untersuchung fand eine Korrelation von verlängerten Reaktionszeiten mit ADHS-I.21

15.3. Rhythmusprobleme

Eine Studie berichtet, dass ADHS-Betroffene signifikant mehr Probleme haben, einen vorgegebenen Rhythmus mit den Fingern nachzuklopfen.22
Der Test zielt auf die Funktion des Cerebellums, das eine der bei ADHS involvierten Gehirnregionen ist,


  1. DeLuna-Castruita A, Lizarraga-Cortes V, Flores A, Manjarrez E (2023): ADHD Adults Show Lower Interindividual Similarity in Ex-Gaussian Reaction Time Vectors for Congruent Stimuli Compared to Control Peers. J Atten Disord. 2023 Dec 12:10870547231214966. doi: 10.1177/10870547231214966. PMID: 38084076.

  2. Galloway-Long, Huang-Pollock, Neely (2021): Ahead of the (ROC) Curve: A Statistical Approach to Utilizing Ex-Gaussian Parameters of Reaction Time in Diagnosing ADHD Across Three Developmental Periods. J Int Neuropsychol Soc. 2021 Sep 7:1-14. doi: 10.1017/S1355617721000990. PMID: 34488917. n = 550

  3. Salum, Sato, Manfro, Pan, Gadelha, do Rosário, Polanczyk, Castellanos, Sonuga-Barke, Rohde (2019): Reaction time variability and attention-deficit/hyperactivity disorder: is increased reaction time variability specific to attention-deficit/hyperactivity disorder? Testing predictions from the default-mode interference hypothesis. Atten Defic Hyperact Disord. 2019 Mar;11(1):47-58. doi: 10.1007/s12402-018-0257-x.

  4. Machida, Johnson (2019): Integration and segregation of the brain relate to stability of performance in children and adolescents with varied levels of inattention and impulsivity. Brain Connect. 2019 Aug 23. doi: 10.1089/brain.2019.0671.

  5. Gilbert, Huddleston, Wu, Pedapati, Horn, Hirabayashi, Crocetti, Wassermann, Mostofsky (2019): Motor cortex inhibition and modulation in children with ADHD. Neurology. 2019 Aug 6;93(6):e599-e610. doi: 10.1212/WNL.0000000000007899.

  6. Epstein, Erkanli, Conners, Klaric, Costello, Angold (2003): Relations between Continuous Performance Test performance measures and ADHD behaviors. J Abnorm Child Psychol. 2003 Oct;31(5):543-54.

  7. Liu, Hanna, Hanna, Rough, Arnold, Gehring (2020): Behavioral and Electrophysiological Correlates of Performance Monitoring and Development in Children and Adolescents with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Brain Sci. 2020 Feb 2;10(2):E79. doi: 10.3390/brainsci10020079. PMID: 32024242.

  8. Paucke, Stibbe, Huang, Strauss(2019): Differentiation of ADHD and Depression Based on Cognitive Performance. J Atten Disord. 2019 Aug 13:1087054719865780. doi: 10.1177/1087054719865780.

  9. Saito, Kaga, Nakagawa, Okubo, Kohashi, Omori, Fukuda, Inagaki (2019): Association of inattention with slow-spindle density in sleep EEG of children with attention deficit-hyperactivity disorder. Brain Dev. 2019 Oct;41(9):751-759. doi: 10.1016/j.braindev.2019.05.004.

  10. Vortrag Barkley (2014) an der Lynn University, Minute 19:40

  11. Machida, Murias, Johnson (2019): Electrophysiological Correlates of Response Time Variability During a Sustained Attention Task. Front Hum Neurosci. 2019 Oct 15;13:363. doi: 10.3389/fnhum.2019.00363. eCollection 2019.

  12. Li D, Luo X, Guo J, Kong Y, Hu Y, Chen Y, Zhu Y, Wang Y, Sun L, Song Y (2022): Information-based multivariate decoding reveals imprecise neural encoding in children with attention deficit hyperactivity disorder during visual selective attention. Hum Brain Mapp. 2022 Oct 17. doi: 10.1002/hbm.26115. PMID: 36250701.

  13. Johnson, Kelly, Bellgrove, Barry, Cox, Gill, Robertson (2019): Response variability in attention deficit hyperactivity disorder: evidence for neuropsychological heterogeneity. Neuropsychologia. 2007 Mar 2;45(4):630-8.

  14. Lee, Shin, Stein (2010): Increased cortisol after stress is associated with variability in response time in ADHD children. Yonsei Med J 51:206–211

  15. Keute, Stenner, Mueller, Zaehle, Krauel (2019): Error-Related Dynamics of Reaction Time and Frontal Midline Theta Activity in Attention Deficit Hyperactivity Disorder (ADHD) During a Subliminal Motor Priming Task. Front Hum Neurosci. 2019 Oct 29;13:381. doi: 10.3389/fnhum.2019.00381. eCollection 2019.

  16. Pertermann, Bluschke, Roessner, Beste (2019): The Modulation of Neural Noise Underlies the Effectiveness of Methylphenidate Treatment in Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Biol Psychiatry Cogn Neurosci Neuroimaging. 2019 Aug;4(8):743-750. doi: 10.1016/j.bpsc.2019.03.011.

  17. Lou, Rosa, Pryds, Karrebaek, Lunding, Cumming, Gjedde (2004): ADHD: increased dopamine receptor availability linked to attention deficit and low neonatal cerebral blood flow. Dev Med Child Neurol. 2004 Mar;46(3):179-83. doi: 10.1017/s0012162204000313. PMID: 14995087. n = 6

  18. Roshani, Piri, Malek, Michel, Vafaee (2019): Comparison of cognitive flexibility, appropriate risk-taking and reaction time in individuals with and without adult ADHD. Psychiatry Res. 2019 Jul 25:112494. doi: 10.1016/j.psychres.2019.112494.

  19. McCracken, Murphy, Burkitt, Glazebrook, Yielder (2020): Audiovisual Multisensory Processing in Young Adults With Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder. Multisens Res. 2020 Jan 2:1-25. doi: 10.1163/22134808-20191472. n = 22

  20. Havenstein (2014): Arbeitsgedächtnisleistung und emotionale Interferenzkontrolle bei Erwachsenen mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperativitätsstörung (ADHS); Dissertation, Seite 43, n = 80

  21. Ünsel-Bolat, Ercan, Bolat, Süren, Bacanlı, Yazıcı, Rohde (2019): Comparisons between sluggish cognitive tempo and ADHD-restrictive inattentive presentation phenotypes in a clinical ADHD sample. Atten Defic Hyperact Disord. 2019 Mar 25. doi: 10.1007/s12402-019-00301-y. n = 155

  22. Gustafsson P, Kjell K, Cundari M, Larsson M, Edbladh J, Madison G, Kazakova O, Rasmussen A (2023): The ability to maintain rhythm is predictive of ADHD diagnosis and profile. BMC Psychiatry. 2023 Dec 8;23(1):920. doi: 10.1186/s12888-023-05401-8. PMID: 38066477; PMCID: PMC10704849.