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Herzratenvariabilität (HRV) bei ADHS

Herzratenvariabilität (HRV) bei ADHS

Die Herzratenvariabilität (HRV) wird auch Herzschlagvariabilität genannt.

Das Herz reguliert durch kleine Schwankungen der Pulsfrequenz den Blutdruck. Je besser das Herz den Blutdruck durch kleine Verlängerungen oder Verkürzungen der Zeit zwischen zwei Schlägen regulieren kann, desto besser wird der Blutdruck optimal ausgeglichen. Diese Ausgleichsfähigkeit des Herzens wird als HRV gemessen.
Die HRV kann anhand verschiedene Parameter gemessen werden, wie zum Beispiel rMSSD, HFA, HF, LFA, LF/HF-Verhältnis, SD und TP.
Im nichtmedizinischen Bereich ist eine einfache HRV-Messung mithilfe von Sporttrackern möglich.

HRV ist ein Stressmarker. Bei ADHS ist die HRV verringert.123
Methylphenidat verbessert die HRV bei ADHS-Betroffenen, jedoch erreicht sie nicht den Wert von Nichtbetroffenen.

1. Herzratenvariabilität (HRV)

Es ist gesichert, dass die als Herzratenvariabilität gemessene Anpassungsfähigkeit des Herzens auf kleine Blutdruckschwankungen ein hochsignifikanter Marker für Stress ist. Je höher die Herzratenvariabilität (HRV) ist, desto geringer ist der Stresslevel. Bereits vor vielen tausend Jahren wussten chinesische Ärzte, dass Patienten, deren Herz wie ein Uhrwerk in einem absolut gleichen Rhythmus schlägt, also eine sehr niedrige bis inexistente HRV haben, schwer krank sind.

Die HRV ist das Standardmessinstrument für die Aktivität des Parasympathikus, der Teil des Autonomen Nervensystems ist.4

Bei ADHS zeigt sich eine verringerte Herzratenvariabilität (HRV), was auf eine verringerte Stressregulationsfähigkeit des autonomen (vegetativen) Nervensystems hindeutet.56789101112113141

Die Herzratenvariabilität kann anhand verschiedener Parameter gemessen werden.

1.1. rMSSD

rMSSD: Root Mean Square von sukzessiven Differenzen zwischen Inter-Beat-Intervallen

  • keine Unterschiede zwischen ADHS-Betroffenen und Nichtbetroffenen, auch nicht wenn nach Geschlecht, Alter oder ADHS-Subtyp getrennt getestet wurde.15 Eine kleine Studie fand verringerte rMSSD-Werte.16
  • niedrige Werte korrelieren mit15
    • Ängsten
    • oppositionellen Verhaltensweisen
    • sozialen Problemen

1.2. HFA

Die HFA ist die absolute Hochfrequenzleistung.
HFA bildet den parasympathischen (= vagalen) Tonus ab.

  • Hinsichtlich der HFA sind die Ergebnisse in Bezug auf ADHS unklar.
    Eine große Studie fand keine Unterschiede zwischen ADHS-Betroffenen und Nichtbetroffenen, auch nicht, wenn nach Geschlecht, Alter oder ADHS-Subtyp getrennt getestet wurde.15 Eine kleine Studie fand verringerte HFA-Werte.16 Eine weitere Studie fand erhöhte Werte bei Jungen mit Unaufmerksamkeit und Oppositionellem Defizitverhalten (ODD).17
  • niedrige Werte korrelieren mit15
    • Ängsten
    • oppositionellen Verhaltensweisen
    • sozialen Problemen

1.3. HF

In einer Studie wurde das normalisierte Hochfrequenzband der Herzratenvariabilität mit HF bezeichnet und als Repräsentant des Parasympathikus beschrieben. Diese Studie fand bei Jungen mit ADHS ein um 20 % verringertes HF gegenüber Nichtbetroffenen.18

1.4. LFA

Die LFA ist die absolute Niederfrequenzleistung.
LFA bildet sowohl den sympathischen als auch den parasympathischen Tonus ab, stellt in der Praxis jedoch den Sympathikotonus dar.

  • niedrige Werte korrelieren bei Jungen mit17
    • Unaufmerksamkeit
    • Hyperaktivität/Impulsivität
    • Oppositionellem Defizitverhalten (ODD)

1.5. LF / HF-Verhältnis

LF / HF: Verhältnis von Niederfrequenzleistung zu Hochfrequenzleistung

LF / HF-Verhältnis bedeutet Sympathovagilanz. Ein Anstieg / hohe Werte des LF / HF-Verhältnisses bedeuten eine sympathische Dominanz, eine Verringerung / niedrige Werte des LF / HF-Verhältnisses bedeuten eine parasympathische Dominanz.

  • bei ADHS ist das LF / HF-Verhältnis sowohl bei Ruhe- als auch bei anhaltenden Aufmerksamkeitszuständen höher, insbesondere bei männlichen Kindern1516
  • niedrige Werte korrelieren bei Jungen mit17
    • Unaufmerksamkeit
    • Hyperaktivität/Impulsivität
    • Oppositionellem Defizitverhalten (ODD)
  • höheres LF / HF-Verhältnis während anhaltender Aufmerksamkeit korreliert mit schlechterer Aufmerksamkeitsleistung bei ADHS-Betroffenen und Nichtbetroffenen15

1.6. SD

SD: Quadrat der Intervallunterschiede

Eine kleine Studie fand verringerte SD-Werte bei ADHS-betroffenen Kindern.16

1.7. TP

TP: Totale Power der HRV

Eine kleine Studie fand verringerte TP-Werte bei ADHS-betroffenen Kindern.16

Bei Kindern ist Emotionale Dysregulation mit der Herzratenvariabilität assoziiert.19

2. HRV-Messung durch Sporttracker

Die HRV kann inzwischen durch eine einfache Sportuhr (Fitnesstracker) gemessen und ausgewertet werden.

2.1. Garmin vivosmart 3 bis 5

Die Garmin vivosmart 3 bzw. die Nachfolgemodelle vivosmart 4 und vivosmart 5 (Vorsicht, es gibt einige andere Modelle, die ähnlich klingen, aber keine HRV-Messung haben) ist eine handelsübliche Sportuhr, die die üblichen Daten wie Herzrate, Kalorienverbrauch, Schlaf, Bewegung etc. misst. Als eine bei derartigen Fitnesstracker-Sportuhren eher selten anzutreffende Funktion misst diese jedoch auch die Herzratenvariabilität und verschafft hierzu ein granulares Bild des HRV-Verlaufs über den gesamten Tag. Auswertungen sind über die Garmin-App langfristig verfügbar. Die Kosten für dieses Gerät liegen bei 80 bis 140 €. Das Gerät zeigt jedoch nur einen Gesamtwert der HRV, der zudem nicht näher spezifiziert ist.

Nach diesseitiger Einschätzung sind die Auswertungen gleichwohl aussagekräftig genug, um eine Analyse von Einflussparametern auf die HRV vornehmen zu können. Beispielsweise ist klar erkennbar, wenn der Schlaf z.B. durch Alkoholgenuss nicht in den Erholungsbereich gekommen ist.

Die übersichtliche Tagesauswertung ermöglicht eine grobe Biofeedback-Nutzung. Es wird nachvollziehbar, welche Stressoren den HRV-Wert beeinflussen. Die Entwicklung des HRV-Werts lässt beispielsweise erkennen, ob der Schlaf eine ausreichende Erholung ermöglicht oder ob bestimmte Situationen zu besonderen Stressbelastungen führen. Beispielsweise verschlechtert Rauchen den HRV-Wert unmittelbar.

Eine langfristige Messung über Wochen oder Monate ermöglicht Erkenntnisse, welche Umstände den Stresslevel verringern und welche ihn erhöhen.

Beispielsweise können unter geeigneten Umständen die Auswirkungen von Nahrungsmittelunverträglichkeiten im HRV-Level erkannt werden. Bei einem uns bekannten Betroffenen ist der Stresslevel nach Konsum eines unverträglichen Nahrungsmittels für ca. 2 Tage signifikant erhöht.

2.2. Apple Watch

Die Apple Watch bietet zwar eine HRV-Messung, diese ist jedoch weit weniger detailliert als die der Garmin vivosmart. Zudem ist uns keine App bekannt, die die Werte sinnvoll darstellt. Die Apple Watch ist nach diesseitiger Einschätzung selbst für nichtmedizinische Analysen nicht sonderlich brauchbar.

2.3. Polar H10 Brustgurt mit V800 Sportuhr

Eine genauere und auch für medizinische Analysen nutzbare (wenn auch nicht als Medizingerät hierfür zugelassene) Möglichkeit ist die Messung der Herzschläge mittels Brustgurt. Eine Kombination aus einem H10 Brustgurt und einer V800 Tracking Uhr (beides von Polar), die zusammen ca. 300 € kosten (Stand Mai 2018), ermöglichen eine Auslesung der Rohdaten der Herzschläge über 24 Stunden. Die Ergebnisse können dann durch Firmen wie z.B. Autonom Health ausgewertet werden. Eine Einzelauswertung kostet dort Stand Mai 2018 50 € und ermöglicht eine Analyse des Parasympathikus und (leicht eingeschränkt) des Sympathikus. Es werden konkrete, für den Betroffenen verständliche Auswertungsanalysen geliefert.

Bislang sind keine Auswertungen oder Datenanalysen in Bezug auf ADHS verfügbar.

3. HRV-Beeinflussung durch Medikamente

Methylphenidat verbessert die Herzratenvariabilität und die Steuerung des autonomen Nervensystems bei ADHS-Betroffenen.620

Eine Zusammenstellung des Einflusses von Medikamenten auf die Herzratenvariabilität findet sich bei www.hrv24.de,2122 wobei sich die Angaben zu Methylphenidat widersprechen. Im Ergebnis dürfte Methylphenidat die HVR steigern (verbessern), wobei der Wert von Nichtbetroffenen nicht erreicht wird.


  1. Tonhajzerova, Farsky, Mestanik, Visnovcova, Mestanikova, Hrtanek, Ondrejka (2016): Symbolic dynamics of heart rate variability – a promising tool to investigate cardiac sympathovagal control in attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD)? Can J Physiol Pharmacol. 2016 Jun;94(6):579-87. doi: 10.1139/cjpp-2015-0375.

  2. Crone, Jennings, van der Molen (2003): Sensitivity to interference and response contingencies in attention-deficit/hyperactivity disorder. J Child Psychol Psychiatry. 2003 Feb;44(2):214-26. doi: 10.1111/1469-7610.00115. PMID: 12587858.

  3. Iaboni, Douglas, Ditto (1997): Psychophysiological response of ADHD children to reward and extinction. Psychophysiology. 1997 Jan;34(1):116-23. doi: 10.1111/j.1469-8986.1997.tb02422.x. PMID: 9009815.

  4. Task Force of the European Society of Cardiology and the North American Society of Pacing and Electrophysiology (1996): Heart rate variability: Standards of measurement, physiological interpretation and clinical use. Circulation, 93, 1043–1065.

  5. Robe, Dobrean, Cristea, Păsărelu, Predescu (2019): Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder and task-related heart rate variability: a systematic review and meta-analysis. Neurosci Biobehav Rev. 2019 Jan 24. pii: S0149-7634(18)30800-5. doi: 10.1016/j.neubiorev.2019.01.022.

  6. Buchhorn, Conzelmann, Willaschek, Störk, Taurines, Renner (2012): Heart rate variability and methylphenidate in children with ADHD. Atten Defic Hyperact Disord. 2012 Jun;4(2):85-91. doi: 10.1007/s12402-012-0072-8.

  7. Buchhorn (2015): Autonome Prägung in den ersten 1.000 Tagen: Konsequenzen für die kognitive Entwicklung (ADHS) und das kardiovaskuläre Risiko; Vortrag

  8. Kinne (2013): Langzeitwirkung eines ADHS-Summercamps auf klinische Parameter bei Kindern mit ADHS); Dissertation, Seite 12 f

  9. Tonhajzerova, Ondrejka. Adamik, Hruby, Javorka, Trunkvalterova, Mokra, Javorka (2009): Changes in the cardiac autonomic regulation in children with attention deficit hyperactivity disorder (ADHD). Indian Journal of Medical Research, 130, 44-50., n = 36

  10. Börger, Van der Meere, Ronner, Alberts, Geuze, Bogte (1999): Heart rate variability and sustained attention in ADHD children. Journal of Abnormal Child Psychology, 27, 25-33.

  11. Börger, Van der Meere (2000): Motor control and state regulation in children with ADHD: a cardiac response study. Biological Psychology, 51, 247-267.

  12. Luman, Osterlaan, Hyde, van Meel, Sergeant (2007): Heart rate and reinforcement sensitivity in ADHD. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 48, 890-898.

  13. Tonhajzerová, Ondrejka, Farský, Višňovcová, Mešťaník, Javorka, Jurko, Čalkovská (2016): Attention deficit/hyperactivity disorder (ADHD) is associated with altered heart rate asymmetry. Physiol Res. 2014;63 Suppl 4:S509-19.

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  15. Griffiths, Quintana, Hermens, Spooner, Tsang, Clarke, Kohn (2017): Sustained attention and heart rate variability in children and adolescents with ADHD. Biol Psychol. 2017 Mar;124:11-20. doi: 10.1016/j.biopsycho.2017.01.004. n = 473

  16. Rukmani, Seshadri, Thennarasu, Raju, Sathyaprabha (2016): Heart Rate Variability in Children with Attention-Deficit/Hyperactivity Disorder: A Pilot Study. Ann Neurosci. 2016 Jul;23(2):81-8. doi: 10.1159/000443574. n = 20

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  19. Bunford, Evans, Zoccola, Owens, Flory, Spiel (2017): Correspondence between Heart Rate Variability and Emotion Dysregulation in Children, Including Children with ADHD. J Abnorm Child Psychol. 2017 Oct;45(7):1325-1337. doi: 10.1007/s10802-016-0257-2.

  20. Kim, Yang, Lee (2015): Changes of Heart Rate Variability during Methylphenidate Treatment in Attention-Deficit Hyperactivity Disorder Children: A 12-Week Prospective Study. Yonsei Med J. 2015 Sep;56(5):1365-71. doi: 10.3349/ymj.2015.56.5.1365.

  21. http://www.hrv24.de/HRV-Medikamente.htm

  22. http://www.hrv24.de/pdfs/Deborah-Loellgen-Medikamente-und-HF_HRV-Herzratenvariabilitaet-Herzfrequenzvariabilitaet-2011.pdf