Autor: Ulrich Brennecke
Review: Dipl.-Psych. Waldemar Zdero
Unbehandeltes ADHS hat nicht nur akute Verhaltenssymptome, sondern zeigt massive langfristige Folgen, die oft das gesamte Leben der Betroffenen beeinträchtigen.
Gesundheitliche Auswirkungen
- Verringerte Lebenserwartung um bis zu 8 bis 11 Jahre
- Erhöhtes Risiko von Suizid, (Verkehrs-)Unfällen, schweren Verletzungen und Knochenbrüchen
- Erhöhtes Risiko von Kriminalität und Gewalt
Komorbide Erkrankungen
- Psychiatrische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, bipolare Störung und posttraumatische Belastungsstörungen häufiger
- Körperliche Erkrankungen wie Schlafstörungen, Atemwegserkrankungen, Infektionen und Suchterkrankungen häufiger
Verhaltensauffälligkeiten und soziale Folgen
- Erhöhtes Risikoverhalten und ein höheres Risiko, Opfer von Missbrauch und Mobbing zu werden
- Bildungsprobleme und berufliche Nachteile, einschließlich schlechterer Bildungschancen, verringerten Schulleistungen, geringerer Berufsfähigkeit und niedrigerem Einkommen
Vorteile einer medikamentösen Behandlung
- Medikamente wie Stimulanzien und Atomoxetin verbessern nicht nur die Symptome, sondern schützen durch die Symptomverbesserung auch vor den oben genannten Risiken
- Sie verbessern die Lebensqualität der Betroffenen und verringern den sonstigen medizinischen Behandlungsbedarf und die Gesundheitskosten
Wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft
-
ADHS-Betroffene haben ein geringeres Einkommen und zahlen weniger Steuern und Sozialabgaben
- Sie verursachen höhere Gesundheits- und Bildungskosten sowie Schäden durch Arbeitsausfälle, Arbeitslosigkeit, Berufsunfähigkeit und Kriminalität
1. Folgerisiken von ADHS¶
ADHS-Betroffene müssen massive Einschränkungen ihrer Lebensqualität in Kauf nehmen.
Ein unbehandeltes / nicht angemessen behandeltes ADHS hat massive Auswirkungen auf die gesamte Lebenszeit, z.B.:
1.1. Lebenserwartung um 8 bis 11 Jahre verkürzt¶
- Lebenserwartung um 8 bis 11 Jahre verringert
- 8,4 Jahre bei ADHS in der Kindheit, das nicht persistiert
- 11,1 Jahre bei ADHS, das ins Erwachsenenalter persistiert
- möglicherweise aufgrund genetischer Ursachen.
- auch (aber nicht nur) aufgrund verringerter Gewissenhaftigkeit
- das niedrigste Quartil (25 %) von Gewissenhaftigkeit geht (selbst bei Hochbegabten und unabhängig von ADHS) mit einer um 7 bis 8 Jahre verkürzten Lebenswartung einher
-
ADHS-Betroffene unter den 5 bis 7 % der niedrigsten Gewissenhaftigkeit
- 1,27- bis 4,6-fache vorzeitige Sterblichkeit. Je nach Studie zwischen
-
mehr als 4,6-fach (bei Erwachsenen) insbesondere durch Unfälle.
- bis zu 25-fach bei hoher Anzahl zusätzlicher Komorbiditäten
- 4,25-faches Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit bei erstmaliger ADHS-Diagnose im Erwachsenenalter.
- 2,85-fach (Mädchen und Frauen)
- 1,8-faches Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit insgesamt
- 1,7-faches Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit aufgrund von Verkehrsunfällent
- 1,4-fach (Kinder und Jugendliche)
- 1,27-fach (Jungen und Männer)
- Suizidrisiko erhöht
- 4,83-faches Selbstmordrisiko insgesamt
- 4,1-faches Suizidrisiko bei Frauen
- 2,9-faches Risiko
- 2,4-faches Risiko von Suizid bei ADHS insgesamt
- 2,3-faches Risiko
- Bei unbehandeltem ADHS dementsprechend noch höher
- Selbstmordgedanken und Selbstmordversuche erhöht
- nicht allerdings bei Veteranen mit ADHS
- 10-faches Risiko einer vorzeitigen Sterblichkeit bei Betroffenen von ADHS, Sucht, ODD oder CD, jedoch nicht aufgrund der Störungen selbst, sondern aufgrund komorbider erhöhter psychopathischer Traits
- 2-faches Risiko, einem Mord zum Opfer zu fallen
1.2. Häufigere Unfälle und Verletzungen¶
1.2.1. Verletzungen¶
- Verletzungen erhöht
- um 41 % bei jungen Erwachsenen
- um 250 % bei Kindern und Jugendlichen
- Risiko von Knochenbrüchen erhöht
- bei Mädchen um 60 % erhöht
- bei Jungen um knapp 40 % erhöht
- Stressfrakturen um 17 % erhöht
- Gehirnerschütterungen
- bei Kindern zwischen 11 und 14 Jahren mit ADHS doppelt so häufig
- häufiger, bei zugleich verlängerter Heilungszeit; Heilungszeit wird durch Stimulanzien normalisiert
- Kopfverletzungen aufgrund mancher Unfallarten bei ADHS bis mehr als doppelt bis mehr als drei mal so häufig
- Kinder mit Augenverletzungen hatten 3,5 mal häufiger ADHS als Kinder ohne Augenverletzungen.
- Selbstverletzendes Verhalten
- um 58 % häufiger
- bei 12- bis 13-jährigen mit ADHS erhöht
- Vorsätzliche Selbstvergiftung 1,52-fach bis 4,65 fach erhöht.
In einer Klinik für Verletzungen war das Risiko für die 12 bis 13 Jahre alten Patienten verdoppelt, ADHS zu haben.
1.2.2. Verkehrsunfälle und Unfallschäden¶
- Kinder mit ADHS zeigen riskanteres Verhalten beim Überqueren die Straße
- 40 % der Autofahrer mit ADHS hatten mindestens 2 Unfälle, gegenüber 6 % der nicht betroffenen Fahrer.
- 60 % der Autofahrer mit ADHS hatten einen Unfall mit Personenschaden, gegenüber 17 % der nicht betroffenen Autofahrer.
- dies dürfte eher auf komorbide ODD und/oder CD zurückgehen. Für ADHS selbst wurde in einer Metastudie eine um 23 % erhöhte Unfallquote gefunden.
- Die Schadenssumme von Autofahrern mit ADHS war fast drei Mal so hoch wie die Schadenssumme von nicht betroffenen Autofahrern.
- Autofahrer mit ADHS verloren drei Mal so häufig ihren Führerschein wie nicht betroffene Autofahrer. Dies könnte auch aus einer aufgrund Desorganisation beeinträchtigten Verteidigungsfähigkeit vor Gericht resultieren.
- 2,74-faches Risiko von Autounfällen mit Verletzungen bei Betroffenen ab 65 Jahren
- riskanteres Autofahrverhalten
- mehr Fehler in Fahrsimulatoren, insbesondere bei Exekutivfunktionsproblemen
Eine Metaanalyse von 16 Studien zeigte:
- das Unfallrikiso für Fahrer mit ADHS ist um 23 % erhöht
- dies entspricht der Risikoerhöhung, wie sie auch durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht wird
-
ADHS-Betroffene fahren offenbar häufiger Auto als Nichtbetroffene, weshalb der tatsächliche Wert eher unterhalb der 23 % liegen dürfte
- die Behauptung eines fast vierfachen Unfallrisikos aus einer Studie von Barkley et al. (1993) dürfte auf komorbide ODD und/oder CD zurückgehen. Für ADHS selbst ist sie nicht zu halten.
-
ADHS-Betroffene werden häufiger wegen Geschwindigkeitsübertretungen verwarnt, nicht aber häufiger wegen Trunkenheit oder rücksichtslosem Fahren
1.3. Häufiger Täter und Opfer von Gewalt und Mobbing¶
ADHS-Betroffene haben ein höheres Risiko in Bezug auf:
- Gewalt in der Beziehung
- als Täter:
- 2,5-faches Risiko (OR 2,5, Metaanalyse, k = 6 Studien)
- 6,4-mal häufiger Täter häuslicher Gewalt als Nichtbetroffene
- als Opfer:
- 1,78-faches Risiko (OR 1,78, Metaanalyse, k = 4 Studien)
- Sexualisierte Gewalt
- als Täter:
- 2,73-faches Risiko (OR 2,73, Metaanalyse, k = 3 Studien)
- als Opfer:
- 1,84-faches Risiko (OR 1,84, Metaanalyse, k = 6 Studien)
- 2,01-faches Risiko (OR 2,01)
Studien berichten ein erhöhtes Risiko für Kindesmisshandlung.
Kinder mit ADHS berichten 3-mal so häufig, gemobbt worden zu sein, wie Kinder ohne ADHS.
1.4. Höhere Kriminalität¶
Die Kriminalitätsrate unter ADHS-Betroffenen ist massiv erhöht. 19 % der ADHS-Betroffenen hatten Straftaten begangen, 0 % der Kontrollgruppe (Durchschnittsalter 22 Jahre)
- Risiko von Gefängnisstrafen aufgrund von Kriminalität
- 9-faches Risiko
- 4,8-faches Risiko
- 2,9-faches Risiko
- Verhaftungen / Festnahmen erhöht
- 21-faches Risiko für Erwachsene mit Hyperaktivität (21 % vs. 1 %)
- 4,18-faches Risiko für Jugendliche mit Hyperaktivität (46 % vs. 11 %)
- 2,2-faches Risiko
- 2,05-faches Risiko
- Verurteilungen wegen Straftaten
- 3,3-faches Risiko
- Männer:
- 6,03-faches Risiko für Gewaltdelikte
- 3,57-faches Risiko für gewaltfreie Straftaten
- Frauen:
- 10,5-faches Risiko für Gewaltdelikte
- 4,04-faches Risiko für gewaltfreie Straftaten
Massiv erhöhte ADHS-Quote bei Gefängnisinsassen:
- Bei bis zu 72 % der Gefängnisinsassen in asiatischen, westeuropäischen und nordamerikanischen Staaten wurde ADHS festgestellt
- 14 % bis 45 %
- 31 % der jugendlichen Häftlinge
- 20 bis 30 % aller jungen erwachsenen Gefängnisinsassen.
- 28 % aller Inhaftierten in den USA
- 27,6 % von 146 untersuchten Sexualstraftätern (n=146, WURS 90 Pkt.)
- 25 % aller Inhaftierten in den USA
- 25 %
- 22 % der Patienten in forensischer Psychiatrie (n = 86)
- 17,5 % JVA-Häftlinge (n = 244)
- 17,3 % der jugendlichen Häftlinge
- 17 % aller für leichte bis mittlere Straftaten einsitzende junge Männer in Litauen. Die ADHS-betroffenen Insassen waren jünger und hatten größere Verhaltensprobleme im Gefängnis. Keiner von ihnen hatte zuvor eine ADHS-Diagnose erhalten.
- 9,1 % von 55 untersuchten irischen Häftlingen
Interessanterweise sind Amphetamine die von den ADHS-betroffenen Gefängnisinsassen am häufigsten konsumierten Drogen. Amphetamin ist bekanntlich der Medikamentenwirkstoff mit der höchsten Effektstärke gegen ADHS.
Eine Untersuchung über die Korrelation von ADHS-Symptomen und kriminogenen Denkweisen fand, dass
- Unachtsamkeit konsequent und stark mit kriminogenen Denkweisen verbunden war, insbesondere mit
- Cutoff
- kognitiver Trägheit
- Diskontinuität
-
Impulsivität positiv mit kriminogenen Denkweisen korrelierte, und zwar mit
- Hyperaktivität war nicht mit kriminogenen Denkweisen verbunden
ADHS-Medikation verringerte die Kriminalitätsrate von ADHS-Betroffenen
- bei Männern um 31 %
- bei Frauen um 41 %
1.5. Komorbide Gesundheitsprobleme¶
Es gibt Hinweise, dass ADHS eine kausale Ursachenwirkung hat für ein erhöhtes Risiko von:
- schwerer klinischer Depression
- posttraumatischer Belastungsstörung
- Suizidversuchen
- Anorexia nervosa
Es fanden sich keine Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen ADHS und:
- bipolarer Störung
- Angst
- Schizophrenie
1.5.1. Psychische Erkrankungen¶
Erhöhte Wahrscheinlichkeit einer stationären psychiatrischen Behandlung. Unter 166 stationär behandelten psychiatrischen Patienten fand sich bei 59 % ein ADHS.
1.5.1.1. Neurodegenerative Erkrankungen¶
Bis zu 5-fach erhöhtes Risiko neurodegenerativer Erkrankungen.
Laut einer Metastudie fanden 12 von 16 Studien eine Erhöhung des Risikos neurodegenerativer Störungen durch ADHS, bei allerdings niedrigem absoluten Risiko.
1.5.1.1.1. Demenz (bis 6-fach)¶
Das Gesamtdemenzrisiko ist 4-fach erhöht.
Vaskuläre Demenz bewirkt schwere kognitive Beeinträchtigungen, die das tägliche Funktionieren beeinträchtigen, und kann durch bildgebende Verfahren diagnostiziert werden.
ADHS-Betroffene haben ein 6-fach höheres Risiko für vaskuläre Demenz und zwar unabhängig von weiteren Risikofaktoren einer vaskulären Demenz, wie u.a. Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit und Schlaganfall.
Ursache für das erhöhte Risiko für vaskuläre Demenz könnte der deutlich schlechtere kardio- und zerebrovaskuläre Gesundheitszustand von Erwachsenen mit ADHS sein.
Das Risiko für eine Lewy-Body-Demenz / Lewy-Körper-Demenz ist bei ADHS erhöht, wobei die Risikoerhöhung mal mit nur 6 % und mal von derselben Autorengruppe in einer früheren Veröffentlichungen gerade für die Lewy-Körper-Demenz als deutlich erhöht genannt wurde.
Menschen mit Lewy-Körperchen-Demenz haben 5,1 Mal häufiger eine ADHS-Diagnose, unabhängig von Alter und Geschlecht.
1.5.1.1.2. Parkinson (bis 2,5-fach)¶
Parkinson (1,5- bis 2,5-fach)
Parkinson-Betroffene haben 3,7 Mal häufiger ADHS, unabhängig von Alter und Geschlecht.
1.5.1.1.3. Alzheimer¶
Menschen mit Alzheimer haben das 4,9-fache ADHS-Risiko, unabhängig von Alter und Geschlecht.
Eine Studie fand eine Korrelation zwischen dem ADHS-PRS (Polygenic Risk Score) und Alzheimer.
Eltern von ADHS-Betroffenen zeigten in einer schwedischen Kohortenstudie ein um 55 % erhöhtes Risiko von Alzheimer. Bei Großeltern war das Risiko noch in geringerem Maße erhöht.
1.5.1.2. Depression (bis 5,5-fach)¶
- 5,5-faches Risiko einer schweren depressiven Episode vor dem Erwachsenwerden. 50 % aller ADHS -Betroffenen haben eine solche.
- Depressionen erhöht
- 4,12-faches Risiko (sehr große Studie, n = 1.250.000)
- 2,5-faches bis 4-faches Risiko von Depressionen bei Mädchen
-
ADHS bei Kindern erhöht das Risiko von Depressionen im Jugendalter.
- Komorbiditäten erhöhen Risiko zusätzlich:
- 7,9-faches Risiko klinisch relevanter Depressionssymptome bei ADHS und einer erlittenen Gehirnerschütterung
1.5.1.3. Essstörungen (3,6-fach)¶
- 3,6-faches Risiko für Essstörungen bei Mädchen
- Adipositas (2-faches Risiko)
-
ADHS-Symptome in der frühen Kindheit erhöhen das Risiko
- eines hohen BMI in der mittleren Kindheit um 19 %
1.5.1.4. Angststörungen (bis 3,3-fach)¶
- 1,2 bis 3,3-faches Risiko von Angststörungen. Lebenszeitprävalenz 10 – 15 % Gesamtbevölkerung, 12 bis 50 % bei ADHS
- Komorbiditäten erhöhen Risiko weiter
- 16,4-faches Risiko klinisch relevanter Angstsymptome bei ADHS und einer erlittenen Gehirnerschütterung
1.5.1.5. Posttraumatische Belastungsstörung, PTBS (2,4-fach)¶
ADHS-Betroffene haben das 2,37-fache Risiko, eine Posttraumatische Belastungsstörung zu erleiden wie ihre nicht ADHS-diagnostizierten Geschwister.
1.5.2. Verhaltensbesonderheiten¶
1.5.3. Körperliche Erkrankungen¶
- erhöhtes Risiko für die meisten körperlichen Erkrankungen (34 [97 %] von 35 untersuchten Krankheiten), geschlechtsunabhängig
1.5.3.1. Sexuell übertragbare Krankheiten (4-fach)¶
Betroffene mit Hyperaktivität wurden 4-mal so häufig gegen sexuell übertragbare Krankheiten behandelt wie Nichtbetroffene (16 % vs. 4 %).
1.5.3.2. Atemwegserkrankungen (bis 3,2-fach)¶
- Erkrankungen der Atemwege (2,4 bis 3,2-faches Risiko), vor allem genetisch verursacht, z.B.:
* Asthma
* chronisch obstruktive Lungenerkrankung
1.5.3.3. Suchtrisiko (bis 2,9-fach)¶
- Alkoholkonsum erhöht
- Rauchen häufiger
- 2,36-faches bis 8,61-faches Risiko, zu rauchen. ADHS-betroffene Erwachsene haben ein um 40 % (OR 1,4) bis 50 % erhöhtes Risiko zu rauchen (OR = 1,5). Umgekehrt haben junge erwachsene Raucher doppelt so häufig ADHS.
-
ADHS-betroffene Jugendliche haben ein verdoppeltes (OR = 2) bis verdreifachtes Risiko, zu rauchen
- eine Studie fand keinen Zusammenhang zwischen ADHS-Symptomen und Rauchen
- Cannabis
- Cannabisanbhängigkeit 2,85 bis 2,91-fach erhöht
- Marihuanakonsum erhöht
- 1,77-faches Risiko einer Substanzabhängigkeit (Sucht)
Die Mehrheit der Untersuchungen über ADHS und Alkoholmissbrauch findet eine positive Korrelation.
1.5.3.4. Infektionen (bis 2,8-fach)¶
- Infektionen in Kindesalter erhöht
- Salmonellose (180 % häufiger)
- Akute Atemwegsinfektionen (40 % häufiger)
- Akute Gastroenteritis (30 % häufiger)
- Harnwegsinfektionen (30 % häufiger)
- Alle Antiinfektiva wurden Kindern mit ADHS signifikant häufiger verschrieben
- Die Zahl der Arztbesuche war bei Kindern mit ADHS signifikant höher.
Bakterielle oder Virusinfektionen können auch eine Mitursache von ADHS sein.
1.5.3.5. Paradontitis (2,29-fach)¶
Jugendliche mit ADHS hatten ein 2,29-faches Risiko, im späteren Leben an Parodontitis zu erkranken als Kontrollpersonen.
1.5.3.6. Geburtskomplikationen bei Müttern mit ADHS (bis 1,8-fach)¶
Unter 45.737 schwangeren Frauen mit ADHS, die mit 42.916 Frauen ohne ADHS verglichen wurden, fanden sich bei Müttern mit ADHS höhere Raten für fast jede Art von Geburtskomplikationen, die meist mit einer 1,2- bis 1,8-fach höheren Wahrscheinlichkeit auftraten.
1.5.3.7. Schlaganfallrisiko (bis 1,4-fach)¶
- Schlaganfallrisiko erhöht
* Risiko für ischämischen Schlaganfall um 15 % erhöht
* Risiko für großarteriellen atherosklerotischen Schlaganfall um 40 % erhöht
1.5.3.8. Leicht erhöhter Blutdruck im Alter¶
ADHS in der Kindheit korrelierte mit einem durchschnittlich um 3,5 mmHg erhöhten systolischen und um 2,2 mmHg erhöhten diastolischen Blutdruck im Alter von 45 Jahren.
1.5.3.9. COVID-19-Risiko höher, Verlauf erschwert¶
ADHS und Tourette sind mit einem erhöhten COVID-19-Risiko und einem schwereren COVID-9-Verlauf verbunden.
1.5.3.10. Karies¶
ADHS-Symptome in der frühen Kindheit erhöhen das Risiko für Karies im Jugendalter um 10 %.
1.6. Mehr Teenagerschwangerschaften¶
- 2,3-faches Risiko einer frühen Schwangerschaft bei unbehandelten Jugendlichen mit ADHS. Teenager-Schwangerschaften sind bei unbehandeltem ADHS um 27 % häufiger. Bei behandeltem ADHS verringerte sich das Risiko sehr deutlich.
- 42 Mal so viele Mutterschaften bis zum Alter von 20 Jahren wie Nichtbetroffene (zweifelhaft - Angabe konnte bislang nicht verifiziert werden).
1.7. Bildungsnachteile¶
- Schlechtere Bildungschancen
- 94 % der Kinder mit ADHS haben Schulprobleme (laut Elternberichten)
- 32 % der Betroffenen mit Hyperaktivität schaffen keinen Highschool-Abschluss (Sekundarschule, 12. Klasse)
- Hochschulabschlüsse um 27 % seltener
- Schulabschlüsse um 11 % seltener
- geringere Ausbildungsabschlüsse
- seltener Bachelorabschluss
- Mehr Schulfehlzeiten (diagnostiziertes ADHS, einschließlich medikamentös behandeltes ADHS)
- bis 10 Jahre: 7 %
- 11 bis 14 Jahre: 24 %
- ab 15 Jahren: 23 %
- Mehr Schulausschlüsse (diagnostiziertes ADHS, einschließlich medikamentös behandeltes ADHS)
- 4,97-fach im Quintil mit höchster Deprivation
- 14,75-fach im Quintil mit niedrigster Deprivation
- 5,4-fach bei Jungen
- 9,42-fach bei Mädchen
- Erhöhter sonderpädagogischer Förderbedarf (diagnostiziertes ADHS, einschließlich medikamentös behandeltes ADHS)
- psychische Gesundheit 52,85-fach
- soziale, emotionale und Verhaltensstörungen 19,97-fach
- Autismus-Spektrum-Störung 13,72-fach
- Lernbehinderung 8,10-fach
- körperliche Gesundheit 6,97-fach
- körperliche oder motorische Beeinträchtigung 6,28-fach
- Lernschwierigkeiten 5,44-fach
- Kommunikationsprobleme 4,78-fach
- sensorische Beeinträchtigung 3,62-fach
-
ADHS bewirkt langfristig ein verringertes emotionales schulisches Engagement, das zusätzlich von Schüler-Lehrer-Konflikten moderiert wird.
- Ein hoher Polygener Risikoscore
- für ADHS korrelierte mit schlechteren Noten in Sprache und Mathematik
- für Anorexia nervosa oder bipolarer Störung korrelierte mit besseren Noten in Sprache und Mathematik
- für Schizophrenie und Major Depression zeigten wechselhaften Einfluss auf Schulnoten
- für Autismus-Spektrum-Störungen hatte keinen Einfluss auf Schulnoten
1.8. Berufliche Nachteile und Einkommensverluste¶
Erhebliche berufliche Nachteile sind eine häufige Folge von ADHS.
- Arbeitsplatzwechsel um 59 % erhöht
- Weniger Vollzeitjobs, mehr Teilzeitjobs
- Frauen (in Japan) mit ADHS scheinen mit noch höherer Wahrscheinlichkeit lediglich einen Teilzeitjob zu haben als Männer mit ADHS.
- Beschäftigungsquote um 28 % verringert
- 3-faches Risiko, einen Job zu verlieren
- Höhere Entlassungsrate 1.1 vs 0.3 Jobs/Zeit
- Häufiger Stellenwechsel 2.7 vs 1.3 Jobs/ 2- 8 J SE insbesondere im Alter
- Schlechtere Beurteilungen am Arbeitsplatz
- Nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung 6 Monate nach Schulabgang
- gesamt 1,39-fach
- Jungen 1,40-fach
- Mädchen 1,59-fach
- anderthalbmal so häufig beeinträchtigte Arbeitsfähigkeiten (ca. 30 % ggüber ca. 20 % bei Nichtbetroffenen)
- Keine volle Beteiligung am Arbeitsmarkt, insbesondere bei: (am Beispiel Schweden)
- Grundschule als höchstem Bildungsabschluss (OR: 4,03)
- komorbiden psychischen Störungen (OR: 2,77)
- in Dörfern/Kleinstädten wohnend (OR: 1,77)
- Männer seltener als Frauen (OR: 0,55)
Übersetzt mit www.DeepL.com/Translator (kostenlose Version)
1.9. Verringerte Lebensqualität¶
- Verringerte Lebensqualität (Quality of life)
- Gesundheitsbezogene QoL erheblich verringert
- 4-fach erhöhtes Risiko eines verringerten Längenwachstums und geringerer Gewichtszunahme mit 8 und 10 Jahren. Eine Stimulanzienbehandlung verstärkte dieses Risiko.
-
ADHS in der Kindheit sagt emotionale Probleme im späteren Leben voraus. Diese sind genetisch vermittelt.
- Lebensunzufriedenheit ist eine typische Folge von ADHS.
Nach einer Studie mit n = 1000 Teilnehmern führt ADHS im Erwachsenenalter zu einer erheblichen Einschränkung der Lebenszufriedenheit (Quality of Life). In den Bereichen
- Familienleben
- Partnerschaft
- Soziales Leben
- Einbindung in Gesellschaft
- Gesundheit und Fitness
- Berufsleben
- Erreichen von Lebenszielen
erreichten ADHS-Betroffene im Mittel ca. 20 % schlechtere Werte als Nichtbetroffene.
Bei Erwachsenen mit den höchsten 10 % der ADHS-Symptom-Ausprägung nach ADHS-E traten Belastungen durch allgemeine Lebensunzufriedenheit 4,10-fach häufiger und Belastungen durch mangelnde soziale Unterstützung 3,3-fach häufiger auf als bei Nichtbetroffenen.
1.10. Scheidungen / Trennungen häufiger¶
- Scheidungen
- um 87 % erhöht
- Frauen (in Japan) mit ADHS scheinen eine noch höhere Scheidungsraten zu haben als Männer mit ADHS.
- 3- bis 5-faches Risiko von Trennungen und Scheidungen
1.11. Umzüge häufiger¶
Erwachsene mit ADHS ziehen 2,35 Mal so häufig um wie Nichtbetroffene.
1.12. Depressionen bei Eltern von ADHS-Kindern erhöht¶
Eltern von ADHS-Kindern hatten das 4,3-fache Risiko von Depressionen wie Eltern von nicht betroffenen Kindern.
2. Schutzwirkung durch ADHS-Behandlung¶
ADHS-Medikamente verringern die Risiken von ADHS-Symptomen und Folgewirkungen. Laut einer Metastudie verringert eine Medikation mit Stimulanzien die genannten Risiken um 9 bis 59 %.
Eine Metastudie von 40 Untersuchungen fand eine robuste Schutzwirkung von ADHS-Medikamenten in Bezug auf
- Stimmungsstörungen
- Suizidalität
- (Auto)Unfälle
- Verletzungen
- traumatische Hirnverletzungen
- Bildung und akademische Ergebnisse. Indifferent dagegen:
- Substanzmissbrauch
- Kriminalität
2.1. Verringerte vorzeitige Sterblichkeit, weniger Suizide¶
MPH verringerte bei Kindern mit ADHS die Gesamtmortalitätsrate um 20 %. Eine verzögerte Einnahme von MPH korrelierte mit einer um 5 % erhöhten Sterblichkeit. Die Langzeiteinnahme verringerte die Gesamtmortalitätsrate um 16 %.
Bei der Einnahme von ADHS-Medikamenten (Stimulanzien oder Atomoxetin) wurde keine erhöhte Sterblichkeit und eine um 22,2 % verringerte Sterblichkeit durch unnatürliche Todesursachen festgestellt.
Stimulanzien verringerten in mehreren großen Studien bei ADHS das Risiko für Selbstmordversuche um:
- 11,6 % (in allen Altersgruppen)
- 19 %
- 42 %
- 59 % bei Einnahme seit 3 Monaten und einem halben Jahr
- 72 % bei Einnahme seit mehr als einem halben Jahr
- Methylphenidat bei ADHS ging nach 90 Tagen mit einer Verringerung des zuvor deutlich erhöhte Selbstmordrisikos einher.
- Andere ADHS-Medikamente (Nicht-Stimulanzien) zeigten keine oder nur sehr geringe Verringerung der Suizidalität, z.B. 4 %
Eine schwedische Registerstudie untersuchte alle n = 22.714 Jugendliche und Erwachsene, die zwischen 2006 und 2021 eine ADHS-Diagnose erhalten hatten.
ADHS-Medikamente verringerten während der Einnahme das Risiko einer Suizidalität / von Todesfällen im Vergleich zu Zeiten ohne Einnahme:
Verringertes Risiko nachfolgender Suizidalität:
- Dextroamphetamin: verringert um 31 % (aHR 0,69)
- Lisdexamfetamin: verringert um 24 % (aHR 0,76)
- Kombinationsmedikation: verringert um 15 % (aHR 0,85)
- Methylphenidat: verringert um 8 % (aHR 0,92)
Erhöhtes Risiko nachfolgender Suizidalität:
- Atomoxetin erhöhte das Risiko um 20 % (aHR 1,20)
- Guanfacin: erhöhte das Risiko um 65 % (aHR 1,65)
- Clonidin: erhöhte das Risiko um 92 % (aHR 1,92)
2.2. Weniger Unfälle und Verletzungen¶
2.2.1. Weniger Unfälle¶
ADHS-Medikation verringert die Unfallhäufigkeit bei betroffenen Jungen und Mädchen, als Kinder wie als Jugendliche. um 43 % und traumatische Hirnverletzungen reduzierten sich um 49 % bis 66 %.
2.2.2. Weniger Verkehrsunfälle¶
- weniger Verkehrsunfälle
- bei Männern um 38 % bis 40 %
- bei Frauen um 42 %
- Verringerung schwerer Verkehrsunfälle (bei Männern) um 50 %
- verbesserte Fahrleistungen im Simulator
2.2.3. Weniger Frakturen (Brüche)¶
Jede medikamentöse Behandlung von ADHS verringerte das Risiko
- von Frakturen insgesamt
- um 39 % bis 74 % laut 6 Kohortenstudien, durch Stimulanzien wie durch Nichtstimulanzien
- um 32 bis 41 laut Selbstauskunftsstudie
Eine Behandlung von ADHS mit Methylphenidat verringerte das Risiko
- von Stressfrakturen (Ermüdungsbrüchen)
- um 22,4 %, wobei dieser Wert sogar noch geringer war als bei Nichtbetroffenen
- auf um 16 % weniger als bei Nichtbetroffenen
- von Trauma-Frakturen (Unfallbrüchen)
- um 23 % bei einer Einnahme von MPH über mindestens 180 Tage
- auf denselben Wert wie bei Nichtbetroffenen
- Bei mit Nichtstimulanzien behandelten ADHS-Betroffenen verdoppelte sich die Risikoerhöhung für Knochenbrüche auf 37 % gegenüber dem Risiko von Nichtbetroffenen im Vergleich zu der Risikoerhöhung aller ADHS-Betroffenen, das 17 % höher war als bei Nichtbetroffenen.
- von unbeabsichtigten Verletzungen um 15 % bzw. mit einer Effektstärke von 0,88
- von Gehirntraumata um 73 %
- von Vergiftungen
- von verletzungsbedingten Notaufnahmen um 9 %
- von Verbrennungen bei Jugendlichen mit ADHS
- um 57 % bei MPH-Einnahme seit 90 Tagen und länger
- um 30 % bei MPH-Einnahme seit weniger als 90 Tagen
2.2.4. Normalisierte Heilungszeit bei Gehirnerschütterung¶
Die erhöhte Heilungszeit von ADHS-Betroffenen für Gehirnerschütterungen wurde durch Stimulanzien normalisiert
2.3. Weniger sexuell übertragbare Krankheiten und Teenagerschwangerschaften¶
- weniger sexuell übertragbare Krankheiten bei Männern um 30 bis 40 %
- weniger Teenager-Schwangerschaften
2.4. Weniger Komorbiditäten¶
ADHS-Medikamente verringert die Häufigkeit und Schwere von folgenen Komorbiditäten.
2.4.1. Verringerte Psychiatrische Hospitalisierung¶
Eine schwedische Registerstudie untersuchte alle n = 22.714 Jugendliche und Erwachsene, die zwischen 2006 und 2021 eine ADHS-Diagnose erhalten hatten.
ADHS-Medikamente verringerten während der Einnahme das Risiko einer psychiatrischen Krankenhauseinweisung im Vergleich zu Zeiten ohne Einnahme:
- Amphetaminmedikamente: um 26 % (aHR 0,74)
- Lisdexamfetamin: um 20 % (aHR 0,80)
- Kombinationsmedikation: um 15 % (aHR 0,85)
- Dextroamphetamin: um 12 % (aHR 0,88)
- Methylphenidat: um 7 % (aHR 0,93)
- Atomoxetin: unverändert
- Guanfacin: unverändert
- Modafinil: unverändert
- Clonidin: unverändert.
2.4.2. Weniger Depressionen¶
ADHS-Medikamente verringern das Risiko von Depressionen:
- 3 Jahre nach der Einnahme um 40 %
- während der Einnahme um 20 %
-
MPH bei langfristiger Einnahme bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS um rund 30 %
- Stimulantien im Laufe von 10 Jahren um über 60 %
2.4.3. Weniger Angststörungen¶
ADHS-Stimulanzien über 10 Jahre verringerten das Risiko von Angststörungen um über 85 %
2.4.4. Weniger Verhaltensstörungen und ODD¶
ADHS-Stimulantien über 10 Jahre verringerten das Risiko von
- Verhaltensstörung (Conduct Disorder) um knapp 70 %
-
ODD (Oppositionelles Defizitverhalten) um rund 55 %
MPH bei langfristiger Einnahme verringerte bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS das Risiko von CD und ODD um rund 50 % Kurzfristige Einnahme verringerte das Risiko weniger deutlich.
2.4.5. Weniger Bipolare Störungen¶
ADHS-Stimulantien verringerten über 10 Jahre das Risiko von bipolarer Störung um über 50 %.
2.4.6. Weniger Psychosen¶
MPH bei langfristiger Einnahme verringerte bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS das Risiko von psychotischen Störungen um rund 17 %. Kurzfristige Einnahme verringerte das Risiko weniger deutlich.
2.5. Verringerter Suchtmittelkonsum¶
ADHS-Medikamente verringern:
- Tabakkonsum
- die Anzahl der Raucher um 50 %
- die Anzahl derer, die anfangen zu rauchen
- Substanzmissbrauch
- um 31 %
- auf das Maß Nichtbetroffener
- Alkoholkonsum
- Cannabiskonsum
- Einnahme illegaler Drogen
ADHS-Medikamente bewirken keine Erhöhung des Risikos für Betroffene:
- für Alkoholmissbrauch oder -abhängigkeit (11 Studien, über 1300 Teilnehmer)
- für Nikotinmissbrauch oder -abhängigkeit (6 Studien, 884 Teilnehmer)
- für Kokainmissbrauch oder -abhängigkeit (7 Studien, 950 Teilnehmer)
- für Cannabismissbrauch oder -abhängigkeit (9 Studien, über 1100 Teilnehmer) nicht erhöhen (Humphreys et al., 2013).
Eine Metaanalyse über 6 Studien mit n = 1.014 Probanden ergab für die mit Stimulanzien (hier: MPH) medikamentierten Teilnehmer ein signifikant verringertes Risiko einer späteren Sucht. Das Risiko einer späteren Sucht, sei es durch Alkohol oder andere Substanzen, ist danach um das 1,9-fache geringer (also nahezu halbiert).
Eine weitere Metaanalyse fand ein verringertes Craving und eine Erhöhung der Abstinenz durch ADHS-Medikamente (Stimulanzien ebenso wie Atomoxetin) bei Suchtbetroffenen mit ADHS.
2.6. Weniger Adipositas¶
Betroffene mit einer Stimulanzienmedikation waren 26 % seltener fettsüchtig (BMI über 30) als unmedikamentierte Betroffene (30,5 % zu 41,2 %) .
Betroffene mit einer Stimulanzienmedikation waren zu 42 % häufiger normalgewichtig (BMI 18,5 bis 25) als unmedikamentierte Betroffene (38,7 % zu 27,2 %) .
2.7. Paradontitis¶
Atomoxetin bewirkte ein um 58 % verringertes Risiko einer späteren Erkrankung an Paradontitis.
2.8. Verringerte allgemeine Hospitalisierung¶
Eine schwedische Registerstudie untersuchte alle n = 22.714 Jugendliche und Erwachsene, die zwischen 2006 und 2021 eine ADHS-Diagnose erhalten hatten.
ADHS-Medikamente verringerten während der Einnahme das Risiko einer nichtpsychiatrischen Krankenhauseinweisung im Vergleich zu Zeiten ohne Einnahme:
- Amphetaminmedikamente: um 38 % (aHR 0,62)
- Lisdexamfetamin: um 36 % (aHR 0,64)
- Kombinationsmedikation: um 33 % (aHR 0,67)
- Dextroamphetamin: um 28 % (aHR 0,72)
- Methylphenidat: um 20 % (aHR 0,80)
- Modafinil: um 19 % (aHR 0,81)
- Atomoxetin: um 16 % (aHR 0,84)
- Guanfacin: unverändert
- Clonidin: unverändert
2.9. Seltener Opfer von Gewalt, Mobbing und Missbrauch¶
ADHS-Betroffene, die mit MPH behandelt wurden, wurden seltener Opfer von Mobbing/Cyberbullying (körperliche Viktimisierung, Isolation, Zerstörung von Eigentum durch andere und sexuelle Viktimisierung), zerstörten häufiger Dinge anderer und zeigten häufiger Mobbingverhalten (täterseitig).
ADHS-betroffene Kinder, die mit MPH oder ATX behandelt wurden, erlitten signifikant seltener Missbrauch als unbehandelte Betroffene.
Eine ADHS-Behandlung reduzierte Gewalt in der Beziehung.
2.10. Geringere Kriminalitätsrate¶
ADHS-Medikamente verringern für Betroffene
- die Kriminalitätsrate
- bei Männern um 31 %
- bei Frauen um 41 %
- insbesondere bei aus einem Impuls begangenen Straftaten
2.11. Verbesserte Schulleistungen und Bildungsabschlüsse¶
ADHS-Medikamente verbessern die schulische Leistung:
- Eine dreimonatige Behandlung mit ADHS-Medikamenten bewirkte
- eine Notenverbesserung um mehr als neun Punkte (Skala: 0 bis 320)
- eine Verringerung des Risikos, keine Empfehlung für die höhere Sekundarschulstufe zu erhalten, um 20 %
- Die Testergebnisse von ADHS-Betroffenen während der Zeit, in der sie Medikamente einnahmen, waren um 4,8 Punkte (Skala: 1 bis 200) höher als während der Zeit, in der sie keine Medikamente einnahmen.
- Das Absetzen von ADHS-Medikamenten korrelierte mit einem kleinen signifikanten Rückgang des Notendurchschnitts
Betroffene, die mit Stimulanzien behandelt wurden, erzielten knapp anderthalbmal so häufig einen Abschluss oberhalb der Highschool (in etwa: Gymnasium) (rund 58 %) als nicht medikamentös behandelte Betroffene (41,3 %).
ADHS-Stimulantien verringerten das Risiko, sitzen zu bleiben, in den USA um knapp 60 %
ADHS-Betroffene haben eine verringerte Motivation, sich im kognitiven oder körperlichen Bereich anzustrengen. Amphetaminmedikamente steigerten die Motivation gleichmäßig in beiden Bereichen bis nahe an das Niveau gesunder Kontrollpersonen.
2.12. Verbesserte Arbeitsfähigkeit und Einkommen¶
Betroffene mit einer Kombination aus retardierter und unretardierter Medikation waren mehr als anderthalbmal so häufig in Vollzeit berufstätig (52,9 %) als unmedikamentierte Betroffenen (33,3 %).
Betroffene mit einer Stimulanzienmedikation waren 30 % seltener erwerbslos als unmedikamentierte Betroffene (37,6 % zu 53,5 %) .
Betroffene mit einer Stimulanzienmedikation verdienten
- zu 25 % häufiger zwischen 25.000 und 150.000 USD / Jahr als unmedikamentierte Betroffene (63,7 % zu 50,9 %)
- zu knapp 30 % seltener weniger als 25.000 USD / Jahr als unmedikamentierte Betroffene (24,5 % zu 34,2 %)
2.13. Häufiger reguläre Krankenversicherung¶
Eine kommerzielle Krankenversicherung im Gegensatz zu einer staatlichen hatten:
- 44,7 % der unmedikamentierten Betroffenen
- 56,4 % der mit unretardierten Stimulanzien behandelten Betroffenen
- 65,2 % der mit retardierten Stimulanzien behandelten Betroffenen
- 79,4 % der kombiniert mit retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelten Betroffenen
2.14. Geringerer Behandlungsbedarf, geringere Gesundheitskosten¶
Die Anzahl der stationären Behandlungen wird durch eine kombinierte Stimulanzienbehandlung um bis zu 82 % verringert:
- unmedikamentierte ADHS-Betroffene: 0,629 / Jahr
- mit Kombination von retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelt: 0,111 / Jahr
- mit retardierten oder unretardierten Stimulanzien behandelt: 0,27 / Jahr
Die Anzahl der ambulanten Behandlungen wird durch eine kombinierte Stimulanzienbehandlung bis zu halbiert:
- unmedikamentierte ADHS-Betroffene: 4,59 / Jahr
- mit Kombination von retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelt: 2,3 / Jahr
- mit retardierten oder unretardierten Stimulanzien behandelt: 3,5 / Jahr
Die Anzahl der Notaufnahme-Behandlungen wird durch eine kombinierte Stimulanzienbehandlung um bis zu 63 % verringert:
- unmedikamentierte ADHS-Betroffene: 0,862 / Jahr
- mit Kombination von retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelt: 0,380 / Jahr
Die jährlichen Gesundheitskosten werden durch eine kombinierte Stimulanzienbehandlung um bis zu 70 % (12.740 USD / Jahr) verringert:
- unmedikamentierte ADHS-Betroffene: 18.200 USD / Jahr
- mit Kombination von retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelt: 5.460 USD / Jahr
- mit retardierten Stimulanzien behandelt: 8.970 USD / Jahr
- mit unretardierten Stimulanzien behandelt: 9.190 USD / Jahr
Wir interpretieren den Unterschied der Kombination unretardierter und retardierter Stimulanzien gegenüber der Einnahme von retardierten oder unretardierten Stimulanzien allein als Zeichen einer verlängerten Tagesabdeckung und einer feineren / detaillierteren Medikamenteneinstellung,
2.15. Verbesserte Lebensqualität¶
Eine Medikation mildert die durch ADHS verursachte Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erheblich ab.
Eine Metaanalyse fand beim Absetzen von Medikamenten bei Kindern und Jugendlichen eine Verschlechterung der Lebensqualität um SMD = 0,2, nicht aber bei Erwachsenen. Dabei dürfte das Absetzen von ADHS-Medikamenten überproportional häufig bei Betroffenen vorkommen, die Nebenwirkungen erleiden. Wenn das Absetzen in der Summe gleichwohl die Lebensqualität beeinträchtigt, dürfte der Gewinn an Lebensqualität durch Stimulanzien bi ADHS im Normalfall größer sein als 0,2.
2.16. Keine dauerhafte Schutzwirkung einer lange zurückliegenden Behandlung¶
Bei Erwachsenen, die im Alter von 6 bis 10 Jahren eine individuelle ADHS-Therapie erhielten, fand sich 18 Jahre später sehr gemischte Ergebnisse.
- eine Verbesserung der ADHS-Symptome, die dem Follow-Up nach 8 Jahren entsprach
- 18 % hatten keine ADHS-Diagnose mehr
- 55 % hatten eine Teilremission; davon:
-
ADHS-I 33 %
-
ADHS-HI 13 %
-
ADHS-C 54 %
- 27 % hatten weiter eine ADHS-Diagnose; davon:
-
ADHS-I 67 %
-
ADHS-HI 17 %
-
ADHS-C 17 %
- funktionelle Beeinträchtigung in Bezug auf
- Finanzen 28 %
- tägliche Verantwortlichkeiten 28 %
- Gemeinschaftsaktivitäten 23 %
- Lernen/Erwerb neuer Lerninhalte 21 %
- schlechtere schulische / berufliche Ergebnisse als erwartet
- Schul- und Berufsabschlüsse
- so häufig wie in Gesamtbevölkerung
- deutlich schlechtere Noten
- sehr viel seltener Abitur / Fachhochschulreife als Gesamtbevölkerung
- erhöhte Erwerbslosigkeit
- aktuell erwerbslos: 17 %
- ca. 30 % häufiger als Gesamtbevölkerung (Studie vergleicht mit 2011, als Erwerbslosigkeit 30 % höher war als 2019)
- 25 % waren über ein Jahr erwerbslos
- 52 % waren in den vergangenen Jahren einmal erwerbslos
- häufigeren Kontakt mit Justizsystem als erwartet
- gesundheitliche Beeinträchtigungen, Komorbiditäten
- dreifache Rate externalisierender oder internalisierender Störungen
- dreieinhalbfache Rate an Medikation wegen psychischen Problemen
- 27 % hatten eine Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
- antisoziale Persönlichkeitsstörung 12 %, RR 6,8 (ca. 6 Mal so häufig; Gesamtbevölkerung: 2 %)
- vermeidende Persönlichkeitsstörung RR 2,0 (doppelt so häufig)
- schizoide Persönlichkeitsstörungen RR 2,0 (doppelt so häufig)
- paranoide Persönlichkeitsstörung RR 1,3 (30 % häufiger)
- Suchtprobleme
- Drogenkonsum: 15 %; stark häufiger
- Rauchen etwas häufiger
- Alkohol etwas häufiger
- Gewichtsprobleme
- Übergewicht anderthalbmal so häufig wie in Gesamtbevölkerung
- Fettsucht 30 % häufiger als in Gesamtbevölkerung
-
Chronische Schmerzen
- Kinder mit ADHS zeigten eine Prävalenz von chronischen Schmerzen von bis zu 66 % (mindestens wöchentlicher Schmerz über mehr als 3 Monate). Eine Stimulanzienbehandlung verringerte die Rate chronischer Schmerzen. Eine andere Studie fand eine verringerte Schmerzwahrnehmung bei Jugendlichen mit ADHS, was bei einer Stimulanzienbehandlung verschwand.
- Mehrere soziale Ergebnisse waren günstig
- langfristige Beziehung/Verheiratung: 63 %
- niedrige Lebenszufriedenheit, insbesondere in den Bereichen
- Gesundheit
- Beruf/Karriere
- Freizeit-/Erholungsaktivitäten
- Eigene Kinder
- Eigene Person
- Sexualität
- Beziehungen zu anderen
- Lebenszufriedenheit insgesamt
2.17. Numbers needed to treat¶
Wie viele Betroffene muss man langfristig mit MPH behandeln, um eine der nachfolgend genannten Langzeitfolgen einer unbehandelten ADHS zu vermeiden? Die Ergebnisse waren geschlechtsunabhängig:
- 3 behandelte Betroffene = 1 vermiedene Klassenwiederholung
- 3 behandelte Betroffene = 1 vermiedene ODD (Oppositionelles Defizitverhalten)
- 3 behandelte Betroffene = 1 vermiedene Verhaltensstörung (Conduct Disorder)
- 3 behandelte Betroffene = 1 vermiedene Angststörung (mit 2 Auswirkungsarten)
- 4 behandelte Betroffene = 1 vermiedene schwere Depression
- 4 behandelte Betroffene = 1 vermiedener schwerer Autounfall (in Simulation)
- 5 behandelte Betroffene = 1 vermiedene bipolare Störung
- 6 behandelte Betroffene = 1 vermiedener Raucher
- 10 behandelte Betroffene = 1 vermiedene Suchterkrankung
3. Finanzielle Folgen von ADHS¶
3.1. Behandlungskosten bei ADHS¶
Behandlungskosten sind die reinen Kosten für Therapie, Medikation und Arztbesuche zum Zwecke der ADHS-Diagnose und ADHS-Behandlung.
Als jährliche Kosten für eine medikamentöse Behandlung einschließlich der Kosten für Arztbesuche und Laboruntersuchungen wurden genannt:
- 1998 bei Erwachsenen: 1.262 USD
- 2001 bei Erwachsenen: 1.673 USD
- 2004: 1.710 USD bis 2.567 USD
- 2024: 1.505 EUR bei Kindern und Jugendlichen im ersten Jahr nach der Diagnose. Die ADHS-Gruppe verursachte im Vergleich zu Gleichaltrigen ohne ADHS die 2,86-fachen Kosten. Alter und Komorbiditäten beeinflussten die Kosten signifikant.
3.2. Gesundheitskosten bei ADHS¶
Gesundheitskosten umfassen neben den unmittelbaren Behandlungskosten des ADHS selbst außerdem die weiteren medizinischen Kosten für aus ADHS resultierenden Komorbiditäten (z.B. Suchtprobleme) und dem erhöhten Unfallrisiko.
Eine dänische Kohortenstudie von 2016 ermittelte 2.636 EUR höhere jährliche Gesundheitskosten für ADHS-Betroffene (4.868 EUR anstatt 1.912 EUR = das 2,55-fache).
Hinzu traten weitere 477 EUR höhere jährliche Gesundheitskosten für Partner von ADHS-Betroffenen.
ADHS führt zu mehr als verdoppelten Gesundheitskosten.
Eine Metastudie für Europa zwischen 1990 und 2013 errechnete jährliche Gesundheitsvorsorgekosten bei ADHS von 2.022 bis 2.390 EUR je betroffenem Kind/Jugendlichen mit ADHS. Hinzutraten Gesundheitskosten für Familienmitglieder, die auf die Betreuung eines ADHS-Kindes/Jugendlichen zurückzuführen waren von 1339 bis 1826 EUR je Betroffenem.
Für 1999 bis 2001 fanden sich in den USA höhere jährliche Gesundheitskosten bei ADHS-Betroffenen:
- verdoppelte medizinische Gesamtkosten (5.651 USD vs. 2.771 USD), darunter
- ambulante Kosten (3.009 USD vs. 1.492 USD)
- stationäre Kosten (1.259 USD vs. 514 USD)
- Kosten für verschreibungspflichtige Medikamente (1.673 USD vs. 1.008 USD)
Die durch ADHS verursachten Gesundheitsausgaben in den USA betragen jährlich 20,6 Milliarden USD.
Kinder mit ADHS stellen 5,4 % der Medicaid-Bevölkerung des Bundesstaates New York, verursachen jedoch mehr als 18 % der Gesamtkosten, mithin 3,2-mal erhöht.
Die höheren Kosten resultieren aus verhaltensmedizinischen Diensten und Medikamenten.
Pro erwachsenem ADHS-Betroffenen wurden für 2018 jährliche gesamtgesellschaftliche Mehrkosten an Gesundheitsleistungen von 1.635 USD genannt.
Kinder mit ADHS in Flamen (Belgien) benötigten 2002 eine intensivere Gesundheitsfürsorge als ihre nicht betroffenen Geschwister. Die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen betrug:
- Allgemeinarzt (60,3 % ggüber 37,4 %)
- Facharzt (50,9 % ggüber 12,9 %)
- Notaufnahme (26 % ggüber 12,1 %)
- Krankenhauseinweisungen (14 % ggüber 8,4 %)
Die jährlichen Gesundheitskosten für ein Kind mit ADHS betrugen das 6-fache des nicht betroffenen Geschwisterkindes (588 EUR ggüber 92 EUR). Die öffentlichen Kosten waren mehr als verdoppelt (779 EUR ggüber 371 EUR).
Grundschulkinder mit Hyperaktivität verursachten 17,6-mal höhere durchschnittliche jährliche Kosten (562 £ anstatt 30 £) in allen Bereichen (außer Kosten für nicht psychische Gesundheit). Die Kosten waren durchweg durch das männliche Geschlecht und bei einigen Kostencodes durch Verhaltensstörungen erklärbar. Es ist anzunehmen, dass externalisierende Störungen wie ODD und CD einen eigenen Beitrag beisteuerten.
Die jährlichen Gesundheitskosten von ADHS-Betroffenen wurden durch eine kombinierte Stimulanzienbehandlung um bis zu 70 % (12.740 USD / Jahr) verringert:
unmedikamentierte ADHS-Betroffene: 18.200 USD / Jahr
mit Kombination von retardierten und unretardierten Stimulanzien behandelt: 5.460 USD / Jahr
mit retardierten Stimulanzien behandelt: 8.970 USD / Jahr
mit unretardierten Stimulanzien behandelt: 9.190 USD / Jahr
3.3. Angehörigenkosten bei ADHS¶
Angehörigenkosten sind die Kosten der Eltern oder Pflegeberechtigten für den zusätzlich aus dem ADHS der Betroffenen entstehenden Aufwand.
Eine dänische Kohortenstudie von 2016 ermittelte 7.997 EUR jährliche zusätzliche direkte und indirekte Kosten je Partner eines ADHS-Betroffenen.
Eine Studie ermittelte für ADHS-Betroffene im Alter von 14 bis 17 die 5-fachen direkten jährlichen familiären Kosten (“im Zusammenhang mit der Belastung der Pflegepersonen”) ohne Behandlungskosten und indirekte Kosten.
Eine Metastudie für Europa zwischen 1990 und 2013 errechnete jährliche Gesamtkosten bei ADHS von 9.860 Euro pro Kind und 14.483 Euro pro Jugendlichem mit ADHS. Davon entfielen auf Produktivitätsverluste der Familienmitglieder 22 % bis 14 %.
Für erwachsene ADHS-Betroffene wurden für 2018 jährliche gesamtgesellschaftliche Mehrkosten in Höhe von 14.092 USD pro Erwachsenem genannt.
Betreuer von Erwachsenen mit ADHS benötigen 0,8 Stunden pro Woche zusätzlich für ADHS-bezogener Pflege im Vergleich zu Erwachsenen in der US-Gesamtbevölkerung. Daraus resultieren jährliche Mehrkosten von 6,6 Milliarden USD.
Eine Metastudie von 19 Untersuchungen ermittelte jährliche Gesamtkosten von ADHS in den USA (in USD 2010) zwischen 176 und 309 Mrd. USD (1,17 % bis 2,05 % des US-BIP). Davon entfielen auf Spillover-Kosten, die von den Familienmitgliedern von Personen mit ADHS getragen werden, 33 Mrd. USD bis 43 Mrd. USD (0,22 % bis 0,29 % des US-BIP).
3.4. Bildungskosten bei ADHS¶
Eine Metastudie für Europa zwischen 1990 und 2013 errechnete jährliche Gesamtkosten bei ADHS von 9.860 EUR pro Kind und 14.483 EUR pro Jugendlichem mit ADHS. Davon entfielen auf Bildungskosten 62 % bzw. 42 %.
Eine Metastudie von 19 Untersuchungen ermittelte jährliche Gesamtkosten von ADHS in den USA (in USD 2010) zwischen 176 und 309 Mrd. USD (1,17 % bis 2,05 % des US-BIP):
- bei Erwachsenen: 105 bis 194 Mrd. USD (0,7 % bis 1,29 % des US-BIP)
- insbesondere Produktivitäts- und Einkommensverluste (87 Mrd. USD bis 138 Mrd. USD) (0,58 % bis 0,92 % des US-BIP)
- bei Kindern/Jugendlichen: 38 bis 72 Mrd. USD (0,25 % 0,48 % des US-BIP)
- insbesondere Gesundheitsfürsorge: 21 Mrd. USD - 44 Mrd. USD (0,14 % 0,29 % des US-BIP)
- davon entfielen auf Bildung: 15 Mrd. USD - 25 Mrd. USD (0,1 % bis 0,17 % des US-BIP)
- Spillover-Kosten, die von den Familienmitgliedern von Personen mit ADHS getragen werden: 33 Mrd. USD bis 43 Mrd. USD (0,22 % bis 0,29 % des US-BIP)
3.5. Erhöhte Sozialleistungen¶
Eine dänische Kohortenstudie von 2016 ermittelte häufigerer Bezug von Sozialleistungen (Krankengeld oder Erwerbsunfähigkeitsrente) durch ADHS-Betroffene und ihre Partner.
3.6. Indirekte Schäden durch ADHS¶
3.6.1. Erhöhte Arbeitsfehlzeiten, Erwerbslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit¶
Für erwachsene ADHS-Betroffene wurden für 2018 jährliche gesamtgesellschaftliche Mehrkosten in Höhe von 14.092 USD pro betroffenem Erwachsenem genannt.
Davon entfielen auf
- Erwerbslosigkeits-Mehrkosten: 54,4 % (7.666 USD / Betroffenem)
- Erwachsene Männer mit ADHS sind 2,1 Mal so häufig erwerbslos wie Nichtbetroffene. Ihre Arbeitslosenquote ist damit um 22,1 %-Punkte erhöht.
- Erwachsene Frauen mit ADHS sind 1,3 Mal so häufig erwerbslos wie Nichtbetroffene. Ihre Arbeitslosenquote ist damit um 9,7 %-Punkte erhöht.
- Die jährlichen Mehrkosten in den USA betragen 66,8 Milliarden USD (55,8 Milliarden USD bei Männern und 11 Milliarden USD bei Frauen mit ADHS). Dies entspricht 0,325 % des BIP.
- Produktivitätsverluste: 23,4 % (3.298 USD / Betroffenem)
- 13,6 Arbeitstage ADHS-bedingte Fehlzeiten
- 21,6 Arbeitstage ADHS während der Anwesenheit verloren
- Der 35 Tage-Schnitt des Produktivitätsausfalls verteilte sich auf
- Arbeiter: 55,8 Tage
- Dienstleistungsarbeiter: 32,6 Tage
- Techniker: 19,8 Tage
- Facharbeiter: 12,2 Tage
- Verlorene Produktivitätskosten aufgrund von ADHS von 28,8 Milliarden USD (19,9 Milliarden USD bei Männern und 8,9 Milliarden USD bei Frauen mit ADHS). Dies entspricht 0,14 % des BIP.
- Arbeitnehmer mit ADHS fehlten 3,5 Mal so häufig wegen “inoffizieller” Abwesenheit (4,33 vs. 1,13 Tagen)
- 22,1 Tage jährlicher Produktivitätsverlust
Eine schwedische Registerstudie der Jahre 1998 bis 2008 fand bei ADHS-Betroffenen:
- 12,2 Tage mehr Arbeitslosigkeit (252 Arbeitstagen wären dies 4,84 %)
- 19-fache Wahrscheinlichkeit einer Erwerbsunfähigkeitsrente
- Erwerbsunfähigkeiten erklärten sich größtenteils durch komorbide geistige Behinderung und Entwicklungsstörung, sind also einer Verbesserung durch eine konsequentere Behandlung nur eingeschränkt zugänglich.
Eine recht kleine deutsche Studie ermittelte eine um 24,8 % höhere Arbeitslosigkeit.
3.6.2. Vorzeitige Sterblichkeit¶
Für erwachsene ADHS-Betroffene wurden für 2018 jährliche gesamtgesellschaftliche Mehrkosten in Höhe von 14.092 USD pro Erwachsenem genannt.
Erwachsene mit ADHS weisen eine verdoppelte jährliche Sterblichkeitsrate auf (vornehmlich aufgrund erhöhter Rate von Verkehrs- und anderen Unfällen.
Daraus resultiert im Jahr 2018 ein gesellschaftlicher Produktivitätsverlust von insgesamt etwa 3,2 Milliarden USD (0,016 % des BIP 2018).
ADHS-Betroffene haben mit 1,7-facher Wahrscheinlichkeit mindestens einen Unfall:
- Kinder (28 % ggüber 18 %)
- Jugendliche (32 % ggüber 23 %)
- Erwachsene (38 % ggüber 18 %)
Die Folgekosten für ADHS-Betroffene waren nur bei Erwachsenen erhöht (483 USD vs. 146 USD = 3,3-fach).
Einige Studien betrachten lediglich die Kosten für das Gesundheitssystem und sind daher nicht geeignet, die wirtschaftlichen Auswirkungen von ADHS adäquat zu beschreiben.
- Für Deutschland existieren keine aktuellen Zahlen. Ältere Studien, die allenfalls noch historischen Wert besitzen, bezifferten die Gesundheitskosten für ADHS in Deutschland in 2002 auf 142.000.000 EUR (630 EUR / Patient, also für 225.000 Betroffene. In Anbetracht der tatsächlichen Fallzahl ist der Kostenaufwand erheblich höher.) und in 2003 auf 230.000.000 EUR insgesamt. Diese Zahlen beinhalteten lediglich die Behandlungskosten.
- Eine Studie fand eine Gesamtbelastung (“economic burden”) von 47,55 Mio. Dollar bei 69.353 diagnostizierten ADHS-Betroffenen in Korea in 2012. Dies entsprach 684 Dollar je Betroffenem und 0,004 % des koreanischen BIP (Bruttoinlandsprodukts) im Jahr 2012.
3.6.3. Einkommensdefizite bei ADHS¶
3.6.3.1. Verringertes Einkommen¶
Eine Langzeitstudie über 20 Jahre an 604 Probanden zeigte, dass ADHS-Betroffene mit 30 Jahren ein geringeres Nettoeinkommen und eine größere finanzielle Abhängigkeit von den Eltern haben als Nichtbetroffene. Dies gilt auch, wenn die DSM-Kriterien nicht mehr erfüllt werden. Dieses Defizit bleibt lebenslang bestehen und führt zu einem um 1,27 Millionen Dollar niedrigeren zu erwartenden Lebenszeiteinkommen bei Männern und einem um bis zu 75 % niedrigeren Nettovermögen zum Rentenbeginn als bei Nichtbetroffenen. Daneben erzielen ADHS-Betroffene Erwachsene, wenn sie in ihrer Kindheit nicht diagnostiziert und behandelt wurden, ein deutlich geringeres Einkommen als ihre nicht betroffenen Zwillinge und verursachen pro Person 20.000 EUR höhere Kosten pro Jahr.
Eine schwedische Registerstudie der Jahre 1998 bis 2008 fand bei ADHS-Betroffenen ein um 17 % geringeres Jahreseinkommen.
Amerikanische ADHS-Betroffene erreichten 2003 weniger akademische Meilensteine jenseits einer Highschool. ADHS-Betroffene hatten mit 34 % um 42,3 % seltener eine Vollzeitbeschäftigung als Nichtbetroffenen mit 59 %. Außer bei 18 bis 24 - Jährigen war das durchschnittliche Haushaltseinkommen signifikant verringert, unabhängig von akademischen Leistungen oder persönlichen Merkmalen. Der nationale Produktivitätsverlust der Arbeitskraft im Zusammenhang mit ADHS wurde bei einer angenommenen Prävalenz von 2,3 % auf 67 bis 116 Milliarden USD geschätzt (0,58 % bis 1,01 % des US-BIP).
Das Einkommen mit ADHS lag 2003 bei:
- Männer: 45.645 USD ggüber 54.399 USD (16,1 % weniger)
- Frauen: 37.607 USD ggüber 49.738 USD (24,4 % weniger)
Bei der aktuellen Prävalenz von 5 % für Erwachsene wäre mehr als das Doppelte anzunehmen. Der Verbraucherpreisindex in den USA stiegt zwischen 2003 und 2020 um 40 %. Angenommen, Einkommen und BIP wären im gleichen Maße gestiegen, ergäben sich 2020 183 bis 322 Milliaden USD (0,87 % bis 1,54 % des BIP).
Eine dänische Kohortenstudie von 2016 ermittelte geringeres Erwerbseinkommen bei ADHS-Betroffenen in den fünf Jahren vor der Erstdiagnose.
ADHS-Betroffene Erwachsene, wenn sie in ihrer Kindheit nicht diagnostiziert und behandelt wurden, erzielten ein deutlich geringeres Einkommen als ihre nicht betroffenen Zwillinge und zahlten weniger Steuern.
3.6.3.2. Aus verringertem Einkommen entfallende Steuer- und Sozialabgaben¶
Wir kennen bislang nur eine Studie, die die hieraus entgangenen Steuer- und Sozialabgaben für Deutschland berechnete.
Die deutschen Nettosteuer- und Sozialabgabeneinnahmen eines 2010 geborenen Nichtbetroffenen wurden um 80.000 EUR höher ermittelt als die eines nicht behandelten ADHS-Betroffenen. ADHS-Interventionen, die eine Verbesserung des Bildungsniveaus bewirkten, führten zu fiskalischen Vorteilen durch höhere Steuereinnahmen über die gesamte Lebensdauer.
Für jeden Euro, der für eine neue ADHS-Intervention ausgegeben wird, wurden 1,39 EUR an abgezinsten Nettosteuereinnahmen und 3,02 EUR an abgezinsten Bruttosteuereinnahmen errechnet.
Umgerechnet auf die unbehandelten Erwachsenen in Deutschland und auf Werte von 2020 haben wir jährliche Verluste an Netto-Steuer- und Sozialabgabeneinnahmen von 5,916 Milliarden EUR errechnet. Dies entspricht 1,63 % des Bundeshaushalts.
Nicht eingerechnet sind Einsparungen durch
- verringerte Kriminalität
- 111 Millionen EUR ersparte Gefängniskosten jährlich
- 500 Millionen EUR verringerte Schäden durch Straftaten jährlich
- verringerte vorzeitige Sterblichkeit: 580 Millionen EUR jährlich
- Angehörigenkosten: 2 Milliarden EUR jährlich
- Produktivitätsverluste am Arbeitsplatz: 11 Milliarden EUR jährlich
3.7. Wirtschaftliche Gesamtkosten¶
Eine Studie nennt 182.000 USD (Stand 2015) höhere Kosten aus medizinischer Versorgung, Ausbildung und Kriminalitätsfolgen je ins Erwachsenenalter persistierendem ADHS-Fall in den USA.
Eine australische Studie benennt soziale und wirtschaftlichen Gesamtkosten von ADHS von zwischen 8,40 und 17,44 Milliarden USD bei Kosten pro Betroffenem von 15.664 USD pro Jahr (2018/2019). Von den Gesamtkosten entfielen auf
- Produktivitätskosten 81 %
- Mitnahmeverluste 11 %
- Kosten für das Gesundheitssystem 4 %
Der Verlust an Wohlbefinden war erheblich und wurde mit 5,31 Milliarden USD taxiert.
Eine dänische Kohortenstudie von 2016 ermittelte 22.721 EUR jährliche zusätzliche direkte und indirekte Kosten je ADHS-Betroffenem (Stand 2016).
Auf erwachsene ADHS-Betroffene entfielen 23.072 EUR pro Jahr.
Eine weitere dänische Studie an gleichgeschlechtlichen Zwillingen zeigte für Erwachsene mit ADHS, wenn sie in ihrer Kindheit nicht diagnostiziert und behandelt wurden:
- höhere jährliche Gesamtkosten von 20.134 EUR als für seine Geschwister (Stand 2010)
- ein deutlich geringeres verfügbares Einkommen
- niedrigere gezahlte Steuern
- höherer Erhalt staatlicher Leistungen
- höhere Kosten für Gesundheit und Sozialfürsorge
- höhere Kriminalität
Zwei amerikanische Studien benennen die jährlichen gesamtgesellschaftlichen ADHS-bedingten Mehrkosten auf 6.799 USD pro Kind (19,4 Mrd. USD) und 8.349 USD pro Jugendlichem (13,8 Mrd. USD) (Stand 2017/2018). Die Kosten verteilten sich auf
- Ausbildungskosten (59,9 % bei Kindern, 48,8 % bei Jugendlichen)
- direkte Gesundheitskosten (25,9 % bei Kindern, 29,0 % bei Jugendlichen)
- Betreuungskosten (14,1 % bei Kindern, 11,5 % bei Jugendlichen).
Eine Studie ermittelte 14.576 USD pro ADHS-Betroffenem (Stand 2005) bei einer Schätzungsbandbreite zwischen 12.005 USD und 17.458 USD.