Cortisol ist kein Neurotransmitter, sondern ein (Stress-)Hormon. Es ist das wichtigste Hormon der HPA-Achse.
1. Arbeitsweise des Cortisolsystems¶
Cortisol ist ein Kortikosteroid.
Kortikosteroide umfassen
- Mineralkortikosteroide:
- Glukokortikosteroide
nehmen Einfluss auf den Eiweiß-, Kohlehydrat- und Fettstoffwechsel
-
Cortisol
- Corticosteron
- Dexamethason
- langsamwirkendes künstliches Glucucorticoid
- Androgene
stimulieren Eiweissstoffwechsel, erhöhen Muskelmasse
Cortisol ist das wichtigste Stresshormon der HPA-Achse. Seine Wirkung geht weit über Stresssymptome hinaus. Die Bedeutung von Cortisol betrifft primär die Regelung der HPA-Achse (insbesondere deren Wiederabschaltung), die Steuerung des Immunsystems (Beendigung der Entzündungsreaktion und Erhöhung der Fremdkörperbekämpfung, TH1-/TH2-Shift) sowie auch die Vermittlung von Stressreaktionen.
Mehr hierzu unter ⇒ Die HPA-Achse / Stressregulationsachse.
1.1. Reaktion¶
Das für Stress ebenfalls höchst relevante Katecholaminsystem (Katecholamine: Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) reagiert schnell über G-Protein-gekoppelte Rezeptoren.
Das Cortisolsystem reagiert demgegenüber
-
einerseits langsam über eine Regulation der Genexpression und
-
ausserdem schnell durch nicht-genexpressionsverändernde Mechanismen (Rezeptorbindung)
-
Das von der Nebenniere ins Blut abgegebene Cortisol wird zu 90 % an Proteine gebunden. Erst wenn die Bindungskapazität dieser Proteine überschritten ist, bindet Cortisol unspezifisch an Albumin und wird im Blut frei.
-
Erhöhungen von Cortisol korrelieren mit einer gleichzeitigen stressinduzierten Freisetzung von Noradrenalin und der α1-adrenergen Rezeptoraktivierung.
-
Höhere Aggressivität korreliert mit geringerer Erregung nach einer persönlichen Zurückweisung als Stressor.
Aggressivität korreliert demnach mit einer abgeflachten Cortisolstressantwort.
-
Hohe Zurückhaltung und soziale Erwünschtheit korrelieren in den meisten Studien mit einer erhöhten Cortisolstressantwort auf den Stressor einer sozialen Ablehnung.
-
Männer zeigen eine höhere Cortisolstressantwort als Frauen
-
Cortisol beeinflusst das Lernen bei Angst, Furcht und anderem Stress.
1.2. Rezeptoren¶
Cortisol bindet an zwei Rezeptortypen, den Mineralocorticoidrezeptor (MR) und den Glucocorticoidrezeptor (GR). Diese sind unterschiedlich cortisolaffin und bilden daher gemeinsam ein Rezeptorsystem, das unterschiedliche Aufgaben hat.
Nach der Balancehypothese bilden der durch Stimulation an Erregbarkeit zunehmende MR-Typ und der durch Stimulation an Erregbarkeit verlierende GR-Typ ein Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht kann durch lang anhaltende Cortisolausschüttung (bei chronischem Stress) gestört werden.
Die beiden Rezeptoren haben außerdem unterschiedliche Wirkungen auf das Gedächtnis.
Die MR- und GR-Rezeptoren werden bei Cortisolbindung auf verschiedene Weisen aktiv:
- unmittelbar (hormonelle Wirkung, schnell)
- genexprimierende Wirkung (langsam) als Transkriptionsfaktor:
- Adressierung der MR oder GR
- bewirkt Rezeptor-Translokation in den Zellkern.
Dabei ziehen sich die Rezeptoren in den Zellkern zurück und können dann nicht mehr angesprochen werden. Dies bewirkt eine Verringerung der Rezeptoraktivität.
- dort direkte oder indirekte Interaktion mit spezifischen Glucocorticoid Response Elements (GRE) in der nukleären DNA
- verändert Expression zahlreicher Gene.
z.B. von
- Enzymen der Gluconeogenese
- β2-Adrenozeptoren
Der MR und der GR sind mit Hitzeschockproteinen assoziiert.
1.2.1. Mineralocorticoidrezeptor (MR)¶
Der Mineralocorticoidrezeptor (MR, Aldosteron-Rezeptor, NR3C2) regelt vornehmlich:
- die Auswirkungen des basalen Cortisolspiegels
- die Bewertung neuer Situationen
- die Einleitung und Organisation der Stressantwort
Sind MR unter Laborbedingungen isoliert, binden sie das Mineralocorticoid Aldosterol genauso stark wie Cortisol, letzteres jedoch 10 Mal stärker als der GR.
- Kd ca. 0.5–2 nm für Cortisol, Corticosteron und Aldosteron
Im Körper (überwiegend) sowie im Gehirn (teilweise) tritt jedoch das Enzym HSD-11β in unmitlelbarer Nähe der MR auf. HSD-11β Typ 2 verwandelt Cortisol prä-rezeptorisch in das inaktive Cortison, sodass die MR kaum an Cortisol und ganz überwiegend an Aldosteron bindet, während HSD-11β Typ 1 die Cortisolregeneration fördert.
1.2.1.1. MR und 11β-HSD im Gehirn und Körper¶
Im Gehirn scheinen MR (außer in Bezug auf Blutdruck und Salzappetit) vorwiegend Glucocorticoide zu binden, weil im Gehirn der prä-Rezeptor-Metabolismus von Cortisol zum inaktiven Cortison durch 11β-HSD Typ 2 (11β-HSD2) weniger ausgeprägt ist. Im Gehirn sind die MR also häufig 10 mal stärker Cortisol-affin als die GR, was dazu führt, dass GR im Gehirn erst bei sehr starkem Cortisolasuschpttungen adressiert werden.
1.2.1.1.1. 11β-HSD Typ 2 - Cortisol hemmend¶
11β-HSD Typ 2 (11β-HSD2) ist eine hochaffine Dehydrogenase, die Glucocorticoide deaktiviert und so die Wirkung von Cortisol und Cortiscosteron abschwächt, sodass MR stärker oder nur noch an Aldosteron binden
11β-HSD Typ 2 findet sich in
- Niere (distaler Nephron)
- 11β-HSD2-Mangel oder -Hemmung verursacht Mineralokortikoidüberschuss und bewirkt Bluthochdruck durch Überaktivierung der renalen MR mit Cortisol/Corticosterol.
- Plazenta
- Fötus (auch Gehirn)
- Schutz vor vorzeitige Reifung des fötalen Gewebes und der daraus folgenden Entwicklungsaktivierung (ebenso in Plazenta)
- ventromediale und paraventrikuläre (PVN) Kerne des Hypothalamus (moderat)
-
Amygdala (moderat)
-
Locus coeruleus (moderat)
- subkommissurales Organ (moderat)
- Nucleus tractus solitarus (NTS) (moderat)
Die zuletzt genannten Gehirnregionen sind mit der Regulation von Blutdrucks und Salzhunger assoziiert, die primär durch das Mineralocorticoid Aldosteron und nicht durch Glucocorticoide aktiviert werden, was auf 11β-HSD Typ 2 - assoziierte MR hindeutet. Die meisten anderen Regionen des Gehirns, in denen sich MR finden, unterliegen einer Steuerung durch Glucocorticoide, wie z.B. die Kognition im Hippocampus. Daher ist anzunehmen, dass die Mehrheit der MR-positiven Zellen Gehirn (z.B. im Hippocampus) 11β-HSD2-negativ ist, da diese in vivo überwiegende Glucocorticoide binden.
Nach unserem Verständnis erfolgt die cortisolerge Wiederabschaltung der HPA-Achse primär durch GR im Hypothalamus, sodass die MR hier nicht oder nur gering mit 11β-HSD Typ 2 - assoziiert sein dürften, um eine selektive Adressierung der Hypothalamus-GR nur bei hohen Cortisolspiegeln zu ermöglichen. Im Hypothalamus finden sich Kolokationen von GR und MR in parvozellulären, nicht aber in magnozellulären Regionen des PVN.
1.2.1.1.2. 11β-HSD Typ 1 - Cortisol verstärkend¶
11β-HSD Typ 1 (11β-HSD1), das in den meisten intakten Zellen vorkommt, katalysiert die Regeneration aktiver Glucocorticoide und verstärkt so die zelluläre Wirkung von Cortisol und Corticosteron.
11β-HSD1 findet sich in:
- Leber
- Fettgewebe
- Muskeln
- Pankreasinseln
- Entzündungszellen
- Keimdrüsen
- bei Adipositas auch im Fettgewebe
- 11β-HSD1-Mangel oder -Hemmung verbessern metabolisches Syndrom
- Gehirn von Erwachdenen, nicht bei Föten
- verschlimmert den glucocorticoidbedingten kognitiven Verfall im Alter
- 11β-HSD1-Mangel oder -Hemmung verbessern kognitiven Funktionen im Alter
- Wirkung in der Humantherapie noch unklar
1.2.1.2. Auftreten des MR¶
MR treten mit größter Dichte auf:
- in limbischen Neuronen
-
Hippocampus
- Stimulation des MR-Rezeptors im Hippocampus erhöht neuronale Erregbarkeit (GR verringert sie)
-
Gyrus dentates
-
Amygdala
-
laterale Septumkerne
- in einigen corticalen Regionen
- entorhinaler Cortex
- motor output neurons
- sehr gering im Hypothalamus
1.2.1.3. MR-Agonisten¶
Agonisten von MR sind
- Aldosteron
-
Cortisol
- Corticosteron
- Fludrocortison
- Eine Aktivierung des MR durch den MR-Agonisten Fludrocortison konnte bei Borderline-Betroffenen die emotionale Empathie erhöhen. Die kognitive Empathie blieb unverändert.
1.2.2. Glucocorticoidrezeptor (GR)¶
Der Glucocorticoidrezeptor (GR, NR3C1) spielt eine zentrale Rolle bei der Stressreaktion. Wenn Stress die HPA-Achse aktiviert, werden aus der Nebenniere Cortisol und andere Glucocorticoide ausgeschüttet, die an den GR binden. Daneben ist der GR auch an der Gehirnentwicklung und Neuroplastizität beteiligt. Ratten, die in den ersten 21 Tagen je 3 Minuten einer neuen Umgebung ausgesetzt wurden, zeigten eine erhöhte Empfindlichkeit des GR, was den hemmenden Effekt von Glucocorticoiden auf die neuronale Erregbarkeit und Plastizität des CA1-Feldes verstärkte.
Dies geht Hand in Hand damit, dass frühkindlicher Stress die Expression von GR und MR beeinflusst.
Der GR ist mit 2 Hitzeschockproteinen assoziiert.
1.2.2.1. Auftreten des GR¶
Der GR tritt mit größter Dichte auf:
- im parvozellulären paraventrikulären Kern (PVN) des Hypothalamus
- in Neuronen aufsteigender aminerger Pfade
- in limbischen Neuronen, die die PVN-Funktion transsynaptisch über Pfade modulieren, die auf ein inhibitorisches hypothalamisches GABA-Netzwerk einwirken, das den PVN umgibt
-
Hippocampus
- nicht in CA3 von Erwachsenen
- Stimulation des GR-Rezeptors im Hippocampus verringert neuronale Erregbarkeit (MR erhöht sie)
-
Gyrus dentatus
-
Amygdala
-
laterale Septumkerne
- in einigen corticalen Regionen
1.2.2.2. Agonisten des GR¶
Bindungsaffinität: Dexamethason > Cortisol, Corticosteron > Aldosteron
-
Cortisol
- Der GR wird aufgrund seiner 10 fach schwächeren Cortisolbindung als MR nur bei sehr hohen Cortisolspiegeln adressiert, wenn alle MR belegt sind, also
- bei ultradianen Impulsen
- dem Tagesmaximum oder
- bei Stressreaktion.
- Kd ca. 10–20 nm für Cortisol und Corticosteron
- Dexamethason
- selektiver GR-Agonist
- Rückkopplungsschleife zwischen GR und SERT:
- Dexamethason-Bindung an GR erhöht SERT-Expression in Abhängigkeit von der SERT-Gen-Variante
-
SERT-Gen-Varianten beeinflussen die GR-, MR- und FKBP5-Expression nach frühem Stress
1.2.2.2. Antagonisten des GR¶
Mifepriston (RU 486) ist ein GR-Antagonist.
1.2.2.3. Regelbereiche des GR¶
Der GR regelt / beeinflusst:
- die Expression von rund 10 % aller Gene
- die Wiederabschaltung der HPA-Achse zur Beendigung der Stressreaktion
- schnell die neuronale Erregbarkeit
- die Mobilisierung von Energie für die Erholungs- und Wiederherstellungsphase
- die Förderung von Gedächtnisbildung zur Erinnerung des aktuellen Stressprozesses für zukünftige Stressreaktionen
- die Aktivierung von CRH und aufsteigenden aminergen Pfaden in der Amygdala
- die Metabolisierung von Enzymen
- hat anti-inflammatorische Wirkung durch Bindung von Cortisol an GR im Zytosol der Leukozyten
- induziert Synthese anti-inflammatorischer Zytokine
- hemmt NF-κB (einer der wichtigsten pro-inflammatorischen Transkriptionsfaktoren)
- Aufmerksamkeit
- Wahrnehmung
- Gedächtnis
- emotionale Verarbeitung
- Lernen
1.2.2.4. Genvarianten des GR¶
Der GR-9β-Haplotyp des Glucocorticoid-Rezeptor-Gens NR3C1 bewirkt eine erhöhte GRβ-Expression und wurde mit ADHS in Verbindung gebracht. Die GRβ-Variante bindet jedoch kein Cortisol, ist transkriptionell inaktiv und gilt als dominant-negativer Inhibitor der funktionellen GRα-Variante. Der GR-9β-stabilisierende Polymorphismus wurde mit einer erhöhten ACTH- und Cortisolstressantwort in Verbindung gebracht.
Der Bcll GG-Haplotyp des GR dagegen zeigte bei Männern eine abgeflachte Cortisolstressantwort und bei Frauen eine stark erhöhte Cortisolstressantwort (wobei die Probandinen alle hormonell verhüteten).
Eine langanhaltende Stressbelastung verringert die GR-Expression. Das könnte eine verminderten negativen Rückkopplung der HPA-Achse bewirken. Beobachtet wurde ein langsameres Absinken des Cortisolspiegels zum Ausgangswert nach einem akuten Stressor, also eine verlängerte Zeit bis zur Erholung.
Die kombinierte hemmende Wirkung des GR-9β-Haplotyps und der Stressbelastung kann die GR-Aktivität auf ein pathologisch niedriges Niveau reduzieren und so zu ADHS-bedingtem Verhalten beitragen. Der GR-9β-Haplotyp des Glucocorticoidrezeptor-Gens NR3C1 ist mit einem erhöhten ADHS-Risiko assoziiert. Bei Trägern dieses Haplotyps korreliert Stressbelastung und ADHS-Schweregrad stärker als bei Nicht-Trägern. Diese Gen-Umwelt-Interaktion ist nochmals verstärkt, wenn die Betroffenen zugleich Träger des homozygoten 5-HTTLPR L-Allels anstatt des S-Allels waren. Diese zwei- und dreiseitigen Wechselwirkungen spiegelten sich im Volumen der grauen Substanz des Kleinhirns, des parahippocampalen Gyrus, des intracalcarinen Kortex und des Gyrus angularis. Dies belegt, dass Genvarianten im Stressreaktionsweg der HPA-Achse beeinflussen, wie Stressbelastung auf den Schweregrad von ADHS und die Gehirnstruktur wirkt.
1.2.3. Pregnan-X-Rezeptor (PXR / SXR)¶
Der beim Menschen SXR genannte nukleare Rezeptor kommt in mehreren Untertypen vor. PRX.1 bindet
-
Pregnenolon und seine Metaboliten
- 17α-Hydroxypregnenolon
- Progesteron
- 17α-Hydroxyprogesteron
- 5β-Pregnan-3,20-dion
-
Cholesterin (schwach)
-
synthetische Glucocorticoid-Agonisten
- Dexamethason-t-butyl-acetat (stark)
- 6,16α-dimethyl Pregnenolon (ein Pregnenolon-Derivativ) (stark)
- Dexamethason-21-acetat (moderat)
- Dexamethason (schwach)
-
Glucocorticoid-Antagonisten
- Pregnenolon 16α-carbonitril (moderat)
- Mifepriston (RU486) (moderat)
nicht aber
Insgesamt bindet PXR mit deutlich geringerer Affinität als GR und MR. Von den PXR-1 Agonisten bindet nur Dexamethason-t-butylacetat an den PXR2.
Der PXR-Rezeptor kommt in der Leber häufig und im Gehirn selten vor. Der Rezeptor ist ZNS-Kapillaren zu finden, wo er p-Glykoprotein direkt hochreguliert, was einen Schutzmechanismus bei chronisch hohen Plasmacortisolspiegeln darstellen könnte.
1.2.4. Rezeptorheterodimere: MRMR, GRGR, MRGR¶
Wenn sich MR- und GR-Rezeptoren zugleich in einer Zelle befinden, können sie heterodimerisieren, d.h. MRGR, GRGR oder MRGR bilden.
Möglicherweise dienen die drei verschiedene Dimere aufgrund unterschiedlicher Affinität zu Corticosteroiden dazu, die zelluläre Sensibilität auf unterschiedliche Corticoidkonzentrationen zu erhöhen. Die Cortisolspiegel differieren über den zirkadianen Rhythmus und nach Stressbelastung stark.
1.2.5. Stress verändert das GR-/MR-Gleichgewicht¶
- Frühkindlicher Stress führt zu einer verringerten Ausprägung der GR, während die Anzahl der MR nicht verringert oder sogar erhöht ist.
⇒ Corticosteroid-Rezeptor-Hypothese der Depression Dies bedeutet, dass die Abschaltung der HPA-Achse beeinträchtigt wird.
- Langfristige Hypersekretion von Glucocorticoiden unter Stress bewirkt eine Downregulation der Glucocorticoidrezeptoren (GR) im Hippocampus.
Bei kurzfristigen Stresssituationen entsteht keine Downregulation, der negative Feedbackmechanismus bleibt intakt. Langanhaltender Stress bewirkt eine Downregulation der GR, sodass die (durch die GR vermittelte) Abschaltung der HPA-Achse durch Cortisol nicht mehr funktioniert.
- Zusammen mit der bei ADHS-HI (mit Hyperaktivität) abgeflachten Cortisolstressantwort führen verringerte GR-Level zu einer verminderten Abschaltreaktion der GR. Die HPA-Achse fährt dadurch nicht wieder herunter, sondern bleibt daueraktiviert.
- Bei ADHS-I sind die Cortisolantworten auf akuten Stress dagegen überhöht, sodass die GR häufig adressiert werden, weshalb bei ADHS-I im Gegensatz zu ADHS-HI ein übermäßig häufiges oder zu frühes Herunterfahren der HPA-Achse vorliegen dürfte.
- Ein für die MR zuständiges Gen ist ein Kandidatengen für die Entstehung von ADHS.
1.3. Tonisches (basales) und phasisches (stressbedingtes) Cortisol¶
Cortisol hat über den basalen (tonischen) Cortisolspiegel, der einem circadianen Tagesrhythmus unterliegt, Regelungsfunktionen außerhalb der Stressregulation.
Die phasische (akute) Cortisolstressantwort hat dagegen spezifische Aufgaben hinsichtlich der Stressregulation.
Die Tagesaufgaben von Cortisol werden über den Mineralocorticoidrezeptor (MR) abgewickelt, der 10 mal cortisolaffiner ist als der Glucocorticoidrezeptor (GR). Da niedrigere Cortisolspiegel zunächst eine Bindung an den MR eingehen, wird der GR nur bei sehr hohen Cortisolspiegeln aktiviert, wie sie als Reaktion auf einen akuten schweren Stressor auftreten (Cortisolstressantwort).
1.4. Circadianer basaler Cortisolrhythmus¶
- Die Hormonstaffel der HPA-Achse wird über den Tag verteilt in 7 bis 10 Schüben ausgeschüttet.
- Blutcortisolwerte:
- höchster Wert 30 bis 60 Minuten nach dem Aufwachen (Cortisol Awakening Response, CAR)
- üblich: 165–690 nmol/l (Cortisol total) bzw. 5–23 nmol/l (freies Cortisol).
- sehr starkes Abfallen bis 9 Uhr Vormittags
- weiter deutliches Abfallen bis zum Mittag
- schwaches weiteres Abfallen bis zum Abend
- niedrigster Wert vor dem Schlafen und in erster Schlafphase
- ca. 2 Stunden nach Mitternacht leichter Anstieg bis zum Aufstehen
- Messungen müssen über Tagesprofil oder zu identischer Tageszeit erfolgen
-
Cortisol kann sich (wie auch andere Stresshormone) bereits durch Einstich bei Blutabnahme erhöhen. Siehe hierzu unten unter Messung von Cortisol.
- Speichelcortisolwerte entsprechen den Blutcortisolwerten
2. Wirkung auf Cortisol¶
2.1. Verstärkend auf Cortisol¶
Cortisol verstärkend sind:
- 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (11β-HSD, HSD-11β)
- Enzymfamilie
- HSD-11β Typ 1 aktiviert Glucocorticoide
- HSD-11β Typ 2 deaktiviert Glucocorticoide
- siehe hierzu unten unter “Hemmend auf Cortisol”
- wohl der wichtigste Regulator des Zugangs endogener Glucocorticoide zu ihren Rezeptoren (GR oder MR)
- essentielle Funktion innerhalb der HPA-Achse
-
ACTH
-
Noradrenalin
- IGF1
- IGF1 besitzt eigene IGF1-Rezeptoren, die in der gesamten Nebenniere anzutreffen sind. Verringerte IGF1-Spiegel und ein Kaloriendefizit können so einen erniedrigten Cortisolspiegel verursachen.
- Serotonin
- Serotonin-Vorstoffe erhöhen den Cortisolspiegel
- D,L-5-hydroxytryptophan (Oxitriptan, Zwischenprodukt bei der Serotoninsynthese aus L-Tryptophan)
- Tryptophan
- Serotoninwiederaufnahmehemmer erhöhen den Cortisolstressantwort
- Escitalopram in höherer Dosierung (20 mg) erhöht die Cortisolantwort auf akuten Stress
- Fluvoxamin
- Fluvoxamin ist ein SSRI, sodass die Cortisolerhöhung dem oben beschriebenen Muster von Serotonin folgt
- Desipramin
- Desipramin ist neben der vorrangigen Noradrenalinwiederaufnahmehemmung sekundär auch ein Serotoninwiederaufnahmehemmer, sodass die Cortisolerhöhung dem oben beschriebenen Muster von Serotonin folgt
- folglich auch Imipramin, da dies zu Desipramin umgewandelt wird
- Gleiches wurde für andere SSRI berichtet
- Serotonin-Agonisten erhöhen den Cortisolspiegel
- D-Fenfluramin (ein wegen Herzklappenschädigung nicht mehr erhältliches Medikament) erhöht den Cortisolspiegel
- Koffein
- erhöht den Noradrenalinspiegel im Ruhezustand und die Noradrenalinstressantwort
- potenziert (verdoppelt) die Adrenalinstressantwort
- potenziert (verdoppelt) die Cortisolstressantwort
- Die Effekte waren unabhängig von der Menge und Gewohnheit des Kaffeekonsums. Es scheinen keine Gewöhnungseffekte einzutreten.
- Die koffeinbedingte Cortisolerhöhung tritt bei Frauen wie bei Männern auf, differiert aber in der Wirkung etwas.
- Nahrungsaufnahme
- Proteinreiche Mahlzeiten erhöhten den Cortisolspiegel, im Gegensatz zu proteinarmen Mahlzeiten
- Nahrungsaufnahme erhöhte in 37 von 40 Probanden den Cortisolspiegel
- Bei Frauen könnte die Cortisolreaktion stärker durch metabolische Effekte bestimmt werden als bei Männern
2.2. Hemmend auf Cortisol¶
Cortisol hemmend sind:
- 11β-Hydroxysteroid-Dehydrogenase (11β-HSD, HSD-11β)
- Enzymfamilie
- HSD-11β Typ 1 aktiviert Glucocorticoide
- HSD-11β Typ 2 deaktiviert Glucocorticoide
- metabolisieren Corticoide innerhalb der Zielzellen selbst (Prä-Rezeptor-Metabolismus)
- 11β-HSD katalysieren die Umwandlung von Cortisol und seinem inaktiven Metaboliten Cortison beim Menschen ebenso wie die Umwandlung von Corticosteron und 11-Desoxycorticosteron bei Nagetieren
- wohl der wichtigste Regulator des Zugangs endogener Glucocorticoide zu ihren Rezeptoren (GR oder MR)
- essentielle Funktion innerhalb der HPA-Achse
- FKB51 (FKBP51, FK506-binding protein 51)
FKB51 ist ein funktioneller Antagonist des GR-Glucocorticoidrezeptors.
- Oxytocin, nasal gegeben, schwächt die Cortisolantwort auf akuten Stress dosisabhängig ab.
- Mifepriston (RU-486)
- Nahrungsmangel und anderer IGF1-Mangel kann die Cortisolproduktion hemmen
3. Regelbereiche von Cortisol¶
Cortisol überwindet die Blut-Hirn-Schranke (anders als Adrenalin und Noradrenalin) und kann so im Körper als Hormon und im Gehirn als Neurotransmitter agieren.
3.1. Verhaltenswirkung von Cortisol¶
Cortisol verändert:
- Verhalten
- Gefühle
- z.B. Furcht
- Stimmung
-
Cortisol wirkt depressionsfördernd
- Gedächtnisleistung
- bei moderatem Niveau: Verbesserung
- bei hohem Niveau: Verschlechterung
- Eine stressinduzierte Cortisolfreisetzung führt im PFC zu einer Überstimulation der Noradrenalin-α1-Rezeptoren. Noradrenalin beeinträchtigt über Noradrenalin-α1-Rezeptoren die Funktion von PFC und Arbeitsgedächtnis. Die gleichzeitige Adressierung dieser Rezeptoren verstärkt diesen Effekt.
3.2. Endokrine Wirkung von Cortisol¶
- Wirkung auf Neurotransmitter
- Bildung von Katecholaminen (Dopamin, Noradrenalin)
- Beeinflusst Serotoninrezeptoren
3.2.1. Cortisol wirkt aktivierend¶
3.2.1.1. Cortisol aktiviert Dopamin¶
Dopamin
* eine stressinduzierte Cortisolfreisetzung führt im PFC zu einer Überstimulation der Dopamin D1-Rezeptoren. Dies wurde mit einer beeinträchtigten PFC-Funktion und Defiziten im Arbeitsgedächtnis in Verbindung gebracht.
Cortisol blockiert im PFC Katecholamintransporter auf Gliazellen ausserhalb der Synapsen, die den Abtransport überschüssigen Dopamins und Noradrenalins aus den Zellen bewirken. Fällt dieser Abtransport aus, erhöht dies den Dopamin- und Noradrenalinspiegel in den Zellen und damit deren Wirkung.
* Glucocorticoide regulieren die Dopaminfreisetzung im PFC und im ventralen Tegmentum (VTA, eine der wichtigsten Hirnregionen der Dopaminproduktion) über Glucocorticoidrezeptoren (GR) im PFC (und nicht im VTA) und verändern das Abfeuern von dopaminergen Projektionen.
* Cortisol aktiviert das mesocorticolimbische dopaminerge System
3.2.1.2. Cortisol aktiviert Noradrenalin¶
Cortisol blockiert im PFC Katecholamintransporter auf Gliazellen ausserhalb der Synapsen, die den Abtransport überschüssigen Dopamins und Noradrenalins aus den Zellen bewirken. Fällt dieser Abtransport aus, erhöht dies den Dopamin und Noradrenalinspiegel in den Zellen und damit deren Wirkung. Erhöhte Noradrenalinspiegel im PFC beeinträchtigen die Funktion des PFC.
3.2.1.3. Cortisol aktiviert Serotonin¶
Zumindest kurzfristig erhöhen Cortisol und Stress den Serotoninspiegel.
- Stress erhöht die neuronale Serotoninaktivität in den dorsalen Raphekernen (DRN). Dadurch
- erhöhte cFos-Expression in 5-HT-Neuronen
-
5-HT-Freisetzung in den DRN und in den von ihnen mit Serotonin adressierten Gehirnregionen.
- Nur auswegloser, nicht aber behebbarer Stress führt zu einer Serotoninerhöhung in DRN, Hippocampus und Amygdala.
Fliehbarer und nicht unvermeidlicher Stress erhöht dagegen die Serotoninfreisetzung im periaquäduktalen Grau.
Corticosteron spielt bei diesen Effekten eine entscheidende Rolle, indem es die Tryptophan-Hydroxylase-Aktivität und den Serotoninstoffwechsel im Gehirn stimuliert.
Anders als die noradrenergen Zellen im Nucleus coeruleus erhöht sich die Feuerrate der Serotoninzellen der DRN durch Stress nicht, obwohl Stress die cFos-Expression erhöht.
3.2.1.4. Cortisol aktiviert Amygdala¶
Cortisol aktiviert den peptidergen CRH-Kern der Amygdala
3.2.1.5. Cortisol aktiviert Energiemobilisierung¶
Cortisol stimuliert die Energiemobilisierung durch Aktivierung von:
- Glykolyse in der Leber
- Proteolyse
3.2.1.6. Cortisol erhöht Vasokonstriktion¶
Cortisol potentiert die Vasokonstriktion.
3.2.2. Cortisol wirkt hemmend¶
Cortisol wirkt hemmend auf:
-
CRH
Glucocorticoide (Cortisol) hemmen die CRH-Produktion und damit die erste Stufe der HPA-Achse.
-
Noradrenalin
Glucocorticoide (Cortisol) hemmen die Noradrenalin-Produktion im Nucleus coeruleus, und damit mittelbar die Wirkungen von Noradrenalin.
Noradrenalin regt die CRH-Produktion an und hemmt (bei grösseren Mengen) die Funktion des PFC.
- Serotonin
Im Falle einer verringerten Verfügbarkeit des Serotonin-Vorläufers Tryptophan bewirkt Cortisol eine verringerte Synthese, Freisetzung und des Stoffwechsels von Serotonin und damit ein erhöhtes Risiko für Depressionen.
- Beta-Endorphin
-
Cortisol verringert Melatonin in Fischen
- Gonadotropin-Ausschüttung in der Hypophyse
-
Wachstumshormon-Produktion
- Thyreotropin- (Thyrotropin)-Sekretion
- unterdrückt die 5′-Deiodinase, die das relativ inaktive Tetraiodothyronin (T4) in Triiodothyronin (T3) umwandelt
- macht die Zielgewebe von Sexualsteroiden und Wachstumsfaktoren resistent gegen diese
- wirkt mittels Insulin auf das Fettgewebe, was
-
viszerale Adipositas
- Insulinresistenz
- Dyslipidämie
- Hypertonie (metabolisches Syndrom X)
- welches direkte Auswirkungen auf den Knochen hat
- und so Osteoporose bewirken kann
- Hypoththalamus-Hypophyse-Gonaden-Achse
-
Cortisol verringert Testosteronbildung in Leydig-Zellen deutlich
- dadurch Störung Reproduktion beim Mann
- Knochen- und Muskelwachstum
3.2.3. Cortisol hemmt die Stresssysteme¶
3.2.3.1. Cortisol hemmt HPA-Achse¶
Cortisol ist das (zeitlich) letzte Stresshormon der HPA-Achse und hat neben einigen Stressaktivierungen auch die Aufgabe, die auf eine begrenzte Aktivitätsdauer ausgelegte HPA-Achse wieder herunterzuregeln. Dies funktioniert, indem lediglich die Glucocortikoid-Rezeptoren (GR) - die etwa nur 1/10 so empfindlich auf Cortisol sind wie die Mineralocorticoid-Rezeptoren (MR) - die Herunterregulation der HPA-Achse bewirken. Niedrige Cortisolspiegel, die nur die MR auslasten, bewirken keine HPA-Achsen-Hemmung, sondern nur besonders hohe Cortisolspiegel (bei denen nach der Sättigung der empfindlicheren MR-Rezeptoren auch die unempfindlichen GR-Rezeptoren angesprochen werden).
Sind die GR aktiviert, regeln sie die HPA-Achse herunter, indem sie die Ausschüttung von
-
CRH
-
Vasopressin
- Cytokinen und
- POMC verringern
und (zumindest bei Ratten) die Informationsabspeicherung erleichtern. Dadurch werden erfolgreiche Stressbewältigungsstrategien leichter im Gedächtnis verankert.
3.2.3.2. Cortisol hemmt Sympathikus¶
Cortisol verringert die Aktivität des Sympathikus:
- in Ruhe
- während Stress
- nach Stress
3.3. Cortisol und das Immunsystem¶
Cortisol beeinflusst alle wichtigen homöostatischen Systeme des Körpers, einschließlich der angeborenen und erworbenen Immunität
Insbesondere hemmt Cortisol das innate Immunsystem:
- Hemmung des NF-kB
- hemmt dessen proinflammatorische Wirkung in
- Makrophagen
- Monozyten
- T-Zellen
- unterdrückt Produktion von
- inflammatorisch wirkenden Zytokinen, wie z.B.:
-
IL-6
-
TNF-alpha
-
IL-1beta
-
IFN-gamma
- inflammatorisch wirkenden Akut-Phase-Proteinen
- CRPhs
- Ferritin
- Ceruloplasmin
- inflammatorisch wirkenden Prostaglandinen
3.3.1. Cortisol hemmt (die von CRH geförderten) Entzündungen¶
Cortisol ist der stärkste körpereigene Immunsystemunterdrücker, vorwiegend durch Hemmung des entzündungsfördernden Transkriptionsfaktors NF-kappa B (NF-kB)
Bei Stress fördert der Sympathikus (aktivierender Teil des bei Stress früh eingreifenden vegetativen Nervensystems) die Entstehung pro-inflammatorischer (entzündungsfördernder) Zytokine (Entzündungsproteine oder T-Helfer-Typ1-Zytokine = TH1-Zytokine), z.B. Tumor-Nekrose-Faktor alpha, Interleukin IL-1, IL-2 und IL-12, Interferon gamma), die jedoch nur kurzfristig vorteilhaft sind. Sind sie (aufgrund langanhaltendem Stress) zu lange aktiv, greifen sie Zellen und Gewebe an, was neben der Entartung von Zellen (Krebs) und der Schädigung des Immunsystems zu chronisch entzündlichen Darmerkrankungen führen kann.
Um die Wirkung der von CRH geförderten pro-inflammatorischen Zytokine zeitlich zu begrenzen, wirkt das von der HPA-Achse (bei Stress spät eingreifend) ausgeschüttete Cortisol hemmend auf die pro-inflammatorischen Zytokine:
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Cortisol hemmt die Produktion von Interleukin IL-12 und IL-18
- dies hemmt TH1-Antworten
- diese ist gekennzeichnet durch Hemmung von
- Immunglobulin IG-G3-Antikörper
- Tumornekrosefaktor TNF-a,
- Interferon IFN-c
- Interleukin IL-2
Cortisol aktiviert Abwehr von Fremdkörpern (Bakterien, Parasiten)
* Cortisol fördert TH2-Antworten
* dies ist gekennzeichnet durch Förderung anti-inflammatorischer (entzündungshemmender) Zytokine (T-Helfer-Typ2-Zytokine / TH-2-Zytokine), z.B.
* Interleukin IL-4,
* Interleukin IL-5
* Interleukin IL-6
* Stress verursacht eine erhöhte Cortisol- und TNF-α-Stressantwort. Bei Gewöhnung an den Stressor verringert sich die Cortisolstressantwort, scheinbar aber nicht (oder langsamer?) die IL-6-Stressantwort.
* Interleukin IL-10
* Interleukin IL-13.
* diese TH-2-Zytokine wehren extrazelluläre Erreger (Bakterien, Parasiten) ab und fördern Basophile, Mastzellen und Eosinophile, was bei einem Überschießen Allergien fördern kann.
* TH1-Hemmung und TH2-Förderung wird auch TH1/TH2-Shift genannt
* Neben Cortisol scheint auch Noradrenalin eine Verschiebung TH1 nach TH2 zu bewirken, während Serotonin und Melatonin eine Verschiebung von TH2 nach TH1 vermitteln könnten.
* Die Modulation der Neurotransmitters auf das TH1 / TH2-Gleichgewicht könnte relativ sein, mit dem Ziel, physiologische Spiegel zu einem früheren Ungleichgewicht in der Rezeptorsensitivität und Cytokinproduktion wiederherzustellen. Dies könnte in Bezug auf die Wirksamkeit von Antidepressiva und anderen Medikamenten, die diese Neurotransmitter beeinflussen, relevant sein.
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Cortisol verringert daneben die Bildung von Ödemen (Wassereinlagerungen).
- Das Einwandern von Zellen und Flüssigkeit aus dem intravaskulären Raum in das Gewebe wird unterbunden wird. Dies beruht u.a. auf der Hemmung von Histamin.
3.3.2. Immunologische Folgen von zu wenig Cortisol (Hypocortisolismus)¶
Entzündungsprobleme, z.B.:
- Neurodermitis (atopisches Exzem, Neurodermatitis)
- Fibromyalgie
- Darmentzündungsstörungen
3.3.3. Immunologische Folgen von zu viel Cortisol (Hypercortisolismus)¶
Allergien
3.4. Neurotoxische Wirkungen von Glucocorticoiden (Cortisol) bei lang anhaltendem Stress¶
3.4.1. Allgemeine Wirkungen von Cortisol bei Stress¶
Glucocorticoide (beim Menschen ist dies vorrangig Cortisol) sind die wichtigsten Stresshormone, die grundsätzlich nicht nur Stressantworten erlauben, stimulieren oder unterdrücken, sondern auch eine Vorbereitung einer körperlichen Reaktion auf einen nachfolgenden (zu erwartenden) Stressor bewirken. Glucocorticoide wirken (bei geringen Pegeln und kurzen Wirkzeiten) neuroprotektiv, sodass sie vor schädlichen Folgen von Stress schützen, beispielsweise, indem sie bestimmte mRNA-Expressionen erhöhen.
Glucocorticoide (Cortisol) dämpfen Hypothalamus und Hypophyse in zwei Phasen. In der schnellen Phase wird der Ausstoß und in der langsamen Phase die Synthese von CRH und ACTH gehemmt.
Cortisol hat eine Blutplasmahalbwertzeit von ca. 1,7 Stunden, wird über die Leber enzymatisch abgebaut und verestert mit dem Urin ausgeschieden. Im Urin ist nur etwa 1 % des Cortisols frei nachweisbar.
Schädlich wird Cortisol jedoch, wenn es zu lange ausgeschüttet wird, ganz besonders in der frühen Kindheit und in der Jugend.
Glucocorticoide (z.B. Cortisol) beeinflussen das Verhalten und bewirken im Gehirn neurochemische und neurodegenerative Veränderungen.
Cortisol beeinflusst
- Aktivierung zentraler Neurotransmittersysteme
- Verstärkung der Aktivität der HPA-Achse (anstatt der Hemmung bei kurzfristiger Wirkung)
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Cortisol erhöht die mRNA-Expression von CRH in der zentralen Amygdala.
- Aktivierung des Vegetativen Nervensystems. Cortisol bereitet so eine Stressantwort des Herzens und der Blutgefäße vor.
3.4.2. Neurotoxische Wirkungen von Cortisol¶
Langanhaltende hohe Cortisolausschüttung bewirkt spezifische Stresssymptome:
- Muskelschwund
- Hyperglykämie (erhöhter Blutzucker)
- Fettansatz in
- Gesicht
- Nacken
- Stamm
- Abdomen (Bauch)
- Haut dünner und brüchiger
- Wundheilung verschlechtert
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Osteoporose
- Nierensteine
- Infektionsanfälligkeit erhöht
- Hypertonie (Bluthochdruck)
- Erregbarkeit
- Depressionen
- Auch die Gabe künstlicher Glucocorticoide erhöht die Depressionsgefahr
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Cortisol beeinflusst Stimmung und Affekt negative Stimmung
- Psychosen
- Appetitstörungen
- Libidostörungen
- Impotenz
- Schlafstörungen
- Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation)
- Gedächtnisprobleme
Durch die Bindung von Hormonen an die Corticosteroidrezeptoren werden Genexpressionen beeinflusst.
3.5. Cortisol beeinflusst Gehirnentwicklung¶
Glucocorticoide beeinflussen die Entwicklung des Gehirns vor und nach der Geburt und sind für eine gesunde Gehirnreifung unabdingbar. Glucocorticoide
- leiten terminale Reifung ein
- gestalten Axone und Dendriten um
- beeinflussen das Überleben von Neuronen und Gliazellen
- verringerte oder überhöhte Glucocorticoidspiegel verursachen Struktur- und Funktionsanomalien bei Neuronen und Gliazellen
- Wirkung oft über gesamte Lebensspanne
- Glucocorticoide verursachen die Differenzierung der Vorläuferzellen des Nebennierenmarks zu chromaffinen Zellen, die Katecholamine produzieren.
Die Regulierung von Glucocorticoiden erfolgt durch
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HPA-Achse
- prä-Rezeptor-Metabolismus (HSD-11β Typ 1 und 2)
Da ADHS auch als Gehirnentwicklungsstörung umschrieben wird, sollte der mögliche Einfluss von Glucocorticoiden als endogene Stresshormone des Kindes vor oder nach der Geburt, aus Übertragung via Plazenta durch die Mutter oder durch Medikamenteneintrag, im Auge behalten werden.
3.6. Cortisol beeinflusst Energiehaushalt¶
Cortisol beeinflusst
- Glykolyse
Die Regelung der Glykolyse der Katecholamine erfolgt durch Glucocorticoide
- Gluconeogenese
kann zusammen mit Beeinträchtigung der Glycolyse zu reduzierter Energiebereitstellung aus dem Kohlenhydratstoffwechsel bei längeren Belastungen führen
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Cortisol erhöht die adrenalininduzierte Lipolyse (Fettspaltung, Fettverdauung)
Beeinträchtigung kann durch verringerte ACTH-Spiegel noch verstärkt werden
- Beeinträchtigung der metabolischen Adaption in Regenerationsphasen
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Cortisol erhöht den Erfolg von angenehmen oder zwanghaften Aktivitäten (Einnahme von Saccharose, Fett und Drogen). Dies motiviert zur Einnahme von „Komfortnahrung“.
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Cortisol erhöht systemisch die Fettdepots im Bauchraum. Dies bewirkt
- eine Hemmung von Katecholaminen im Hirnstamm und
- eine Hemmung der CRH-Expression im Hypothalamus, was die CRH-induzierte ACTH-Anregung hemmt
- Während chronischer Stress und hohe Glucocorticoide bei Ratten die Körpergewichtszunahme erhöhen, bewirkt dies bei Menschen entweder eine erhöhte Nahrungszufuhr und Gewichtszunahme oder eine verminderte Nahrungsaufnahme und Gewichtsabnahme.
- Mehrere Studien zeigen eine Korrelation zwischen der Cortisolstressantwort und dem Taille-Hüft-Verhältnis, sodass ein niedrige Cortisolstressantwort mit einem niedrigen Taille-Hüft-Verhältnis einhergeht (wenig ausgeprägte Taille) währen eine hohe Cortisolstressantwort mit einem hohen Taille-Hüftverhältnis verbunden ist (ausgeprägte Taille).
3.7. Cortisol beeinflusst Katecholamine¶
Cortisol beeinflusst
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Katecholaminbiosynthese indem Katecholamin produzierende Enzyme gefördert werden
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Katecholaminspeicherung
- Hemmung des Katecholaminabbaus
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Synthese, Dichte, Affinität und Antwort adrenerger ß2-Rezeptoren
- die durch ß- bzw. α1- Adrenorezeptoren induzierte Produktion von Second-Messengern
3.8. Cortisol beeinflusst Genexpression, Transkriptionsfaktoren und Gehirnregionen¶
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Cortisol beeinflusst bis zu 20 % der exprimierten menschlichen Gene beeinflusst
- Glucocorticoidrezeptor interagiert wechselseitig mit Transkriptionsfaktoren zur koordinierten (hochgradig stochastischen) Regulation von Gehirnfunktionen, Wachstum, Immunität und Stoffwechsel:
- AP1
- CoUPTF1
- NFκB
- STATs, d
Die Wirkung von Cortisol kann sich verändern, wenn Stress lange anhält.
- Ein signifikanter Cortisolanstieg auf akuten Stress ist mit einer Deaktivierung von Gehirnregionen verbunden. Deaktiviert werden
- limbisches System
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Hypothalamus
- medio-orbitofrontaler Cortex (mOFC)
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anteriorer cingulärer Cortex (ACC)
4. Messung von Cortisol¶
- Speichelcortisolwerte entsprechen den Blutcortisolwerten, wenn auch mit einer Zeitverzögerung von einigen Minuten
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Cortisol kann sich (wie auch andere Stresshormone) bereits durch Einstich bei Blutabnahme erhöhen. Etwa ein Drittel aller Erwachsenen zeigt auf eine Venenpunktion zur Blutabnahme bereits einen Cortisolanstieg, ebenso 50 bis 80 % der Kinder, vor allem bei ADHS (Cortisolanstieg und Alpha-Amylase-Anstieg).
Daher empfiehlt sich dringend eine Wartezeit von 30 bis 40 Minuten zwischen Punktur und Blutabnahme.
Diese Ergebnisse zeigen sich auch bei Tieren. Bei Kühen lagen die Blutcortisolwerte unmittelbar nach der Venenpunktion bei 2,07 bis 3,81 ng/ml, 18 Minuten später bei 1,43 bis 2,61 ng/ml, also im Schnitt signifikant um 31 % niedriger. Fraglich ist allerdings, ob diese Unterschiede bei Tieren wirklich aus dem Einstich selbst resultieren oder ob es nicht eher eine Stressreaktion auf die Angst vor einer unbekannten Behandlung ist. Dass eine solche Angst bei Tieren (die nicht wissen, was nach dem Einstich noch auf sie zu kommt und die für die Blutabnahme möglicherweise erst einmal eingefangen werden mussten) grösser ist als bei Menschen, denen klar ist, dass es sich nur um einen kleinen Piekser handelt, und dass ansonsten nichts weiter schlimmes passiert, wäre nachvollziehbar.