ACTH wird in der Hypophyse gebildet, der zweiten Stufe der HPA-Achse.
⇒ Hypophyse (2. Stufe): ACTH
1. Bildung und Hemmung von ACTH¶
1.1. Erhöhte ACTH-Bildung durch¶
1.1.1. CRH¶
- injiziertes CRH bewirkt
-
ACTH-Blutplasma-Antwort-Maximum nach 15 Minuten
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Cortisol-Blutplasma-Maximum nach 30 Minuten
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Cortisol-Speichel-Maximum nach 45 Minuten
- injiziertes CRH und Vasopressin bewirkt
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ACTH-Blutplasma-Antwort-Maximum nach 15 Minuten
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Cortisol-Blutplasma-Maximum nach 45 Minuten
-
Cortisol-Speichel-Maximum nach 60 Minuten
1.1.2. Interleukin-2 (IL-2)¶
Interleukin-2 von T-Lymphozyten erhöht die ACTH-Ausschüttung.
1.1.3. Tumor Nekrose Faktor (TNF)¶
Tumor Nekrose Faktor (TNF) von Makrophagen erhöht die ACTH-Ausschüttung.
1.1.4. Vasopressin¶
Vasopressin erhöht die ACTH-Ausschüttung.
1.1.5. Delta(9)-tetrahydrocannabinol¶
Delta(9)-tetrahydrocannabinol erhöht die ACTH-Ausschüttung.
1.1.6. Adrenalin¶
- Adrenalin
- Adrenalin aus dem Nebennierenmark stimuliert die ACTH-Sekretion durch Bindung an α1-adrenerge Rezeptoren auf corticotrophe Zellen des Hypophysenvorderlappens
- Adrenalin stimuliert die CRF-induzierte cAMP-Akkumulation, die als ”second messenger” der ACTH-Sekretion fungiert
- Adrenalin stimuliert ACTH stärker als Noradrenalin
- Adrenalin moduliert die Basal-, Peak- und mittlere ACTH-Konzentration mit und bestimmt die Höhe der ACTH-Pulsamplitude allein
1.1.7. Noradrenalin¶
Noradrenalin erhöht die ACTH-Ausschüttung (ggf nur indirekt?).
1.1.8. Chronische Hemmung der Stickstoffmonoxid-Synthase¶
Eine chronische Hemmung der Stickstoffmonoxid-Synthase erhöht die ACTH-Ausschüttung.
1.1.9. Glucagon-like peptide 1 (GLP-1)¶
Glucagon-like peptide 1 (GLP-1), in den medialen paraventrikulären Kern des Hypothalamus gespritzt, erhöht ACTH, nicht aber, wenn in die Amygdala gespritzt.
1.2. Verringerte ACTH-Bildung durch¶
1.2.1. Cortisol (Feedback-Schleife)¶
-
Cortisol hemmt die Hypophyse und damit die Sekretion von ACTH
- negative Rückkoppelung benötigt mehrere Stunden
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Cortisol bewirkt Inhibition der Transkription des Pro-Opiomelanocortin (POMC) durch Bindung des Glucocorticoidrezeptor-Steroid-Komplexes an die DNA. Proteolytische Spaltung des POMC verringert ACTH in der Hypophyse.
- Desipramin kehrt das negative Feedback durch Cortisol in ein positives um, Resipin kehrt bei Morbus Cushing die Umkehrung um.
- Wird Cortisol ohne Tagesrhythmusschwankungen gegeben, bewirkt dies eine verringerte Hemmung der ACTH-Ausschüttung. Dies deutet darauf hin, dass Störungen des circadianen Systems eine überhöhte ACTH-Ausschüttung auslösen können.
Nach unserem Verständnis sind ADHS-HI und ADHS-C häufig durch Abschaltproblem der HPA-Achse geprägt.
- Eine dauerhafte Cortisonbehandlung bewirkt eine starke Verringerung bis Einstellung der ACTH-Produktion durch die Hypophyse. Dies könnte nach unserem Verständnis eine langfristige Folge der ungebremsten ACTH-Ausschüttung durch Beseitigung des Tagescortisolrhythmus sein.
1.2.2. Oxytocin¶
Oxytocin verringert die ACTH-Ausschüttung.
Eine Blockade der Oxytocinrezeptoren im Gehirn durch die intracerebrale Gabe von Oxytocinantagonisten in den paraventrikluären Kern des Hypothalamus erhöhte bei Ratten die Aktivität der HPA-Achse und die basalen ACTH- und Cortisolblutspiegel, während die stressinduzierten Blutspiegel von ACTH und Cortisol verringert wurden. Das stressinduzierte Angstverhalten änderte sich nicht. Eine Gabe von Oxytocinantagonisten in das medio-laterale Septum bewirkte keine basale ACTH-Veränderung, verringerte jedoch die stressinduzierte ACTH-Erhöhung auf emotionalen Stress, nicht jedoch auf kombiniert emotionalen und körperlichen Stress. Eine Gabe von Oxytocinantagonisten in die Amygdala bewirkte weder basale noch stressinduzierte Veränderungen der HPA-Achse.
Zusammengefasst bedeutet dies, dass Oxytocin die HPA-Achse durch Hemmung von Hypothalamus und Hypophyse herunterreguliert und dadurch
- die basalen Blutspiegel von ACTH und Cortisol verringert (was bei vielen psychischen Störungen typisch ist)
- sowie den stressinduzierten Blutspiegel von ACTH und Cortisol verringert (was bei externalisierenden psychischen Störungen typisch ist).
1.2.3. Alkoholismus¶
Exzessiver Alkoholkonsum verändert die HPA-Achse, wobei die Änderungen bereits auf der CRH und ACTH-Stufe der HPA-Achse in Form von verringerten Hormonreaktionsspiegeln erfolgen.
2. Wirkung von ACTH¶
2.1. Neuroendokrine Wirkung von ACTH¶
-
ACTH wirkt auf die Nebennierenrinde
- Förderung von
- Cortisolproduktion
-
DHEA-Produktion
-
ACTH wirkt auf den PFC
- erhöht die dimensionale Komplexität des EEG, was die Hemmung zwischen konkurrierenden aktiven Zellverbänden verringert und so eine weniger fokussierte Wahrnehmung erzeugt
- verringert die Negative difference wave (processing negativity) bei unterschiedlichen Signalen auf dem linken und rechten Ohr, was zu einer verstärkten Beachtung irrelevanter Reize führt
2.2. Verhaltenswirkung von ACTH¶
ACTH
- verschlechtert
- die Selektion der Aufmerksamkeit (einzelne Reize beachten, andere ausblenden)
- die Fokussion der Aufmerksamkeit
- erhöht Ablenkbarkeit
- lässt unverändert
- die geteilte Aufmerksamkeit (alle Reize beobachten)
Die Verringerung der Aufmerksamkeitsfokussierung wird durch intravenös wie durch intranasal gegebenes ACTH ausgelöst.
ACTH löst einen speziellen Verarbeitungsmodus des Kortex aus, der durch eine weitere Verteilung der Ressourcen bei der Verarbeitung von Reizen gekennzeichnet ist.
ACTH beeinträchtigte die Verhaltensleistung bei Aufgaben des konvergenten Denkens, wenn sie mündlich präsentiert wurden. ACTH scheint die hemmende Kontrolle des PFC zu verringern, die für ein geordnetes analytisches Denken notwendig ist.
3. Details zu ACTH¶
- Bei Kindern mit ADHS wurden bei keinem Subtyp veränderte basale ACTH-Werte gefunden.
- Eine augmentierende (unterstützende) Behandlung mit einem ACTH 4-9 Analogon (Semax) bei ADHS wird erörtert. Untersuchungen zeigen, dass MPH (allein) deutlich höhere Verbesserungen zeigt als ein ACTH 4-9 Analogon (allein).
- Eine chronische Hemmung der Stickstoffmonoxid-Synthase erhöht die ACTH-Antwort auf körperliche Bewegung und verringert die ACTH-Antwort auf den Stressor Zwang/Bewegungseinschränkung. Dies deutet auf eine stressorspezifische Modulation von ACTH durch Stickstoffmonoxid-Synthase hin.
- Anders als bei Cortisol (siehe unter Cortisol: Details zu Cortisol) unterscheiden sich die auf einen Stressor ausgeschiedenen Plasma-ACTH-Werte nicht nach Persönlichkeitseigenschaften.
- Bei gesunden Erwachsenen korreliert Novelty Seeking nicht mit ACTH-Werten.
- Epilepsie wird mit ACTH-Gabe behandelt.
- In einer Untersuchung an Ratten verbesserte eine ACTH-Gabe bei höheren interiktalen Spitzen auftretende Aufmerksamkeitsprobleme.
- Bei frühen Stresserfahrungen können Störungen der ACTH-Rezeptorsysteme entstehen, die eine Löschung der Angsterfahrung verhindern und so eine langfristige Stressbelastung verursachen. Dies kann durch ACTH-Gabe verbessert werden. Die Veränderung der ACTH-Rezeptorsysteme könnte unserer Auffassung nach möglicherweise Folge einer Down-/Upregulationsreaktion sein. ⇒ Downregulation / Upregulation
-
SHR-Ratten, die als ein Tiermodell von ADHS-HI gelten, zeigen erhöhte ACTH- und verringerte basale Cortisolspiegel.
- Eine ACTH-Behandlung förderte bei einigen Ratten Hyperaktivität.
4. Veränderungen von ACTH durch chronischen Stress¶
Chronischer Stress bewirkt in Bezug auf ACTH:
-
ACTH in der Hypophyse erhöht
-
ACTH-Antwort auf CRH erhöht
-
basale Blut-ACTH-Spiegel unverändert
Es sollte stets bedacht werden, dass Momentberichte als Folgen von chronischem Stress je nach Dauer der Stresseinwirkung lediglich ein Übergangsstadium der Rezeptor-Down- oder Upregulation darstellen können (vergleiche das Phasenmodell der Stressentstehung).