Der Nucleus accumbens (Teil des Striatums) spielt eine zentrale Rolle bei der Umsetzung von emotionalen Informationen in motorische Handlungen. Er wird vom präfrontalen Cortex (PFC) moduliert, der seinerseits Informationen aus sensorischen und limbischen Gehirnbereichen erhält. Der PFC beeinflusst dopaminerge und cholinerge Neuronen in verschiedenen Hirnregionen, die die Aktivität des Nucleus accumbens und anderer limbischer Gehirnareale regulieren. Die Aktivität des Nucleus accumbens wird auch von der Amygdala und dem Hippocampus beeinflusst, die emotionale bzw. Kontextinformationen an den Nucleus accumbens senden. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen dem PFC und subkortikalen Regionen (u.a. Striatum), bei der ein hoher Dopaminspiegel im PFC mit einem niedrigen Dopaminspiegel in subkortikalen Regionen korreliert und umgekehrt.
Ein Verlust der dopaminergen Aktivität im PFC führt zu erhöhter Aktivität im Nucleus accumbens und kann zu Verhaltensdefiziten führen.
Weiter besteht eine Interaktion zwischen dem Hippocampus, dem PFC und dem Nucleus accumbens, bei der das jeweilige Aktivitätsverhältnis die Aktivität des Nucleus accumbens reguliert. Schließlich spielt Dopamin bei der funktionellen Konnektivität zwischen verschiedenen Gehirnregionen eine Rolle.
3. Interaktionen der dopaminergen Gehirnareale¶
3.1. Nucleus accumbens als Schaltzentrale zwischen Emotion und Handeln¶
Der Nucleus accumbens (Teil des Striatum) ist die zentrale Schaltstelle bei der „Übersetzung“ limbischer Informationen in motorische Antworten.
Der PFC erhält Informationen aus den sensorischen und limbischen Gehirnarealen und projiziert seinerseits an den Nucleus accumbens, wodurch er zielgerichtetes Handeln fördert.
Der mediale Bereich des PFC (mPFC) moduliert dopaminerge und cholinerge Neuronen im Hirnstamm, im basalen Vorderhirn und im Septum, die an den Nucleus accumbens sowie die Amygdala und Hippocampus im limbischen System senden und beeinflusst damit deren Aktivität. Die Amygdala sendet emotionale Informationen glutamaterg an den Nucleus accumbens, der Hippocampus sendet Kontextinformationen glutamaterg an den Nucleus accumbens.
Der PFC steuert damit kognitive und exekutive Prozesse, die auf Motivation, Emotion, Lernen oder Gedächtnis beruhen.
3.2. Die Dopaminwippe zwischen PFC und subkortikalen Regionen (u.a. Striatum)¶
Hohe Dopaminspiegel im PFC bewirken verringerte Dopaminspiegel in subkortikalen Regionen und umgekehrt.
Der PFC wird von Amygdala und Hippocampus glutamaterg in Bezug auf die Beurteilung einer Situation auf ihr Gefahrenpotenzial hin aktiviert. Glutamaterge Efferenzen aus dem mPFC beeinflussen über präsynaptische Kontakte auf dopaminerge Nervenenden die tonische Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens.
Die basolaterale Amygdala wird dopaminerg vom PFC über dessen Stressreaktionen informiert, wobei die Amygdala zudem stressabhängig dopaminerg vom VTA adressiert wird.
Der mPFC projiziert direkt und indirekt über den pedunculopotinen tegmentalen Nucleus ins ventrale Tegmentum (VTA), das die Hauptquelle für Dopamin im Nucleus accumbens darstellt.
Ein Verlust des exzitatorischen Einflusses auf dopaminerge Neurone der VTA scheint die tonische Dopamin-Ausschüttung im Nucleus accumbens zu reduzieren, was wiederum zu einer Sensibilisierung der subkortikalen Dopamin-Rezeptoren führt (Upregulation). Läsionen des medialen PFC – egal in welchem Alter – erhöhen die subkortikale dopaminerge Aktivität, vor allem im Nucleus accumbens im Striatum, was neben biochemische Veränderungen auch Verhaltensdefizite verursacht.
Dabei kommt es wohl darauf an, auf welcher Hirnseite die Läsion erfolgt. Die dopaminerge Aktivität subcorticaler Regionen hängt offenbar vom Dopaminspiegel im mPFC in den beiden Gehirnhemisphären ab. Unkontrollierbarer Stress erhöhte Dopamin insbesondere im rechten Cortex. Dopaminmangel im linken oder rechten PFC, mPFC oder ACC erhöhte die Stressanfälligkeit. Eine Studie fand eine erhöhte stressbedingte Bildung von Magengeschwüren durch chronischen Kältestress bei Ratten.
-
Dopaminmangel
- im rechten Cortex bewirkte
- Dopaminspiegel im Striatum beidseitig verringert (bei Ratten)
- im linken Cortex bewirkte
- Dopaminumsatz in der Amygdala beidseitig erhöht (bei Ratten)
- beidseitig im Cortex bewirkte (bei Ratten)
- Dopaminspiegel im rechten Nucleus accumbens verringert
- Dopaminumsatz im linken Nucleus accumbens erhöht
- Dopaminumsatz in der rechten Amygdala verringert
- Dopaminspiegel in der linken Amygdala erhöht
- im mPFC bewirkte
-
Dopamin-Ausschüttung im Nucleus accumbens erhöht
- im PFC bewirkte
- schon bei leichtem Stress erhöhte Dopamin-Ausschüttung im Nucleus accumbens; dadurch Cortisolspiegel erhöht(bei neugeborenen Ratten)
- im PFC bewirkte
- erhöhte Amphetamin-Sensitivität aufgrund erhöhter Dopaminempfindlichkeit, die sich wohl aus einer erhöhten Dichte von Dopamin D2-Rezeptoren im Nucleus accumbens ergibt.(bei Ratten)
-
Dopaminausschüttung
- im PFC bewirkt
- verringerte Dopaminspiegel in subcorticalen Regionen.
- verringerte Dopaminspiegel im Striatum(Rhesusaffen, DA-Stimulation durch Amphetamin)
Mit Sauerstoffmangel bei einem Kaiserschnitt geborene Ratten zeigen eine erhöhte dopaminerge Reaktion im Nucleus accumbens, Hyperaktivität und eine erhöhter Dopamintransporterdichte im rechten PFC. D1- und D2-Rezeptoren waren unverändert. Unter chronischem Stress zeigte sich zudem ein Dopaminmangel im rechten PFC.
Träger des COMT Val/Val-Polymorphismus, welcher mehr COMT im PFC synthetisiert, was zu einem schnelleren Dopaminabbau, also zu niedrigeren Dopaminspiegeln im PFC führt, zeigten geringere tonische und erhöhte phasische Dopaminspiegel in subcorticalen Gehirnregionen.
Zwischen PFC und Striatum scheint – zumindest bei Gesunden – eine Art “Dopamin-Wippe” bestehen. Wenig Dopamin im PFC soll dabei mit viel Dopamin im Striatum korrelieren und umgekehrt.
Dass ein mesocorticales Dopamindefizit zu einem subcorticalen (mesolimbischen) Dopaminüberschuss führt, deckt sich mit vielen Beweisen dafür, dass mesocorticales Dopamin einen tonisch hemmenden Einfluss auf subcorticales Dopamin ausübt, auch im Nucleus caudatus (bei Rhesusaffen und Ratten).
Möglicherweise handelt es sich dabei aber auch lediglich um zeitliche Unterschiede eines Anstiegs, da eine 15 Jahre jüngere Untersuchung bei einem durch Amphetamin induzierten Dopaminanstieg im PFC fand, dass dieser deutlich länger anhielt als der Anstieg im Nucleus caudatus. Ebenfalls denkbar wäre, dass die durch PET gefundenen Ergebnisse nicht mit denjenigen übereinstimmen, die durch Umwelteinflüsse induziert werden.
Eine mPFC-Stimulation scheint eine phasische Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens hervorrufen zu können, wobei Häufigkeit und Dauer der mPFC-Stimulation die Dopaminfreisetzung im NAc modulierte. Eine Erhöhung der Frequenz der direkten Stimulation des MFB von 10 - 60 Hz bewirkte einen Anstieg der Dopaminfreisetzung.
Eine Erhöhung der Frequenz der MFB-Stimulation erhöhte das extrazelluläre Dopamin im NAc, da die Rate der stimulierten Freisetzung die Aufnahmekinetik überholte. In einer anderen Studie erreichte die Dopaminfreisetzung im NAc ihr Maximum
- bei einer mPFC-Stimulationsdauer von 5 s und mehr bei 10 bis 20 Hz
- bei einer mPFC-Stimulationsdauer unter 5 s bei hohen Frequenzen wie 60 Hz
3.3. Die dopaminerge Interaktion von Nucleus accumbens, Hippocampus und mPFC¶
Eine vertiefende Darstellung zur nachfolgenden Darstellung findet sich bei Klein.
Der Nucleus accumbens wird vom mPFC und dem Hippocampus adressiert. Ob eine langfristige Verstärkung der Reaktionen des Nucleus accumbens auf Reize des PFC oder des Hippocampus stattfindet (neurologisches Korrelat: Langzeitpotenzierung, Lerneffekte), hängt von anderweitigen Dopaminspiegeln ab.
Reize aus dem Hippocampus verstärkten Lernvorgänge im Nucleus accumbens, wenn D1-Agonisten (anregend) gegeben wurden, während D1-Antagonisten (hemmend) die Langzeitpotenzierung blockierten.
Reize aus dem mPFC verstärkten Lernvorgängen im Nucleus accumbens, wenn D2-Antagonisten (hemmend) gegeben werden, während D1-Agonisten (anregend) die Langzeitpotenzierung blockierten.
Dies führt zu folgender Hypothese von Goto und Grace:
3.3.1. Aktivitätsverhältnis Hippocampus zu mPFC regelt Aktivität des Nucleus accumbens¶
3.3.1.1. Hippocampus aktiver als mPFC: Nucleus accumbens aktiv¶
Ist der Hippocampus aktiver als der mPFC, sendet der Hippocampus an den mPFC.
Die Folgen sind:
-
Nucleus accumbens hat eine erhöhte Aktivität
- weil Hippocampus und mPFC gleichzeitig aktiv sind
- Gesamtanstieg von Dopamin im Nucleus accumbens
- Aktivierung dopaminerger D1-Rezeptoren im Nucleus accumbens
- aufgrund Hemmung inhibitorischer Verbindungen vom ventralen Pallidum zur VTA
- bei gleichzeitiger phasischer Dopamin-Ausschüttung,
- z.B. durch exzitatorische Signale aus dem pedunculopontinen tegmentalen Nucleus, der ebenfalls vom mPFC innerviert wird
- D1-Rezeptor-Stimulation erhöht den Calcium-Einstrom bei NMDA-Rezeptoraktivität
- dadurch Langzeitpotenzierung der hippocampalen Eingänge.
- gleichzeitig D2-Rezeptor-abhängige Langzeitdepression der präfrontalen Eingänge
- wahrscheinlich durch verschiedene 2nd messenger-Systeme
- z.B. die NMDA-Rezeptor-induzierte Synthese von NO
3.3.2.2. mPFC aktiver als Hippocampus: Nucleus accumbens gehemmt¶
Ist der mPFC aktiver als der Hippocampus, sendet der mPFC an den Hippocampus.
Die Folgen sind:
- Aktivität des Nucleus accumbens wird gehemmt
- inhibitorische Projektionen des Nucleus accumbens
- Disinhibition des ventralen Pallidum
- dadurch inhibitorische Projektionen des ventralen Pallidum zur VTA
- dadurch verminderte tonische Dopamin-Ausschüttung im Nucleus accumbens
- präsynaptische D2-Rezeptoraktivität wird verringert
- Signale vom mPFC an den Nucleus accumbens werden verstärkt
- dadurch Langzeitpotenzierung der mPFC-Eingänge
Die Langzeitpotenzierung der Eingänge an den Nucleus accumbens aus dem Hippocampus wie aus dem PFC lassen sich durch elektrische Reizung von Nervenfasern mit hoher Wiederholfrequenz (die eine Aktivierung bewirkt) der jeweils anderen Region umkehren.
3.4. Interaktion Locus coeruleus und Mittelhirn¶
Bei betäubten Ratten führte die Stimulation des Locus coeruleus mit einem einzigen Impuls zu einer Erregung, auf die eine Hemmung der elektrischen Aktivität einzelner Dopamin-Neuronen im Mittelhirn (VTA, Substantia nigra) folgte. Eine Burst-Stimulierung bewirkte eine länger anhaltende Hemmung. Reserpin unterband diese Reaktion, was auf eine noradrenerg vermittelte Reaktion hindeutet.
3.5. Dopamin und funktionelle Konnektivität¶
Dopamin scheint die funktionelle Konnektivität bestimmter Gehirnregionen spezifisch zu beeinflussen. Amisulprid (ein D2-/D3-Antagonist) erhöhte laut einer Studie die funktionelle Konnektivität vom Putamen zum Precuneus und vom ventralen Striatum zum präzentralen Gyrus. L-DOPA (ein Dopamin-Vorstoff) erhöhte die funktionelle Konnektivität vom ventralen Tegmentum zu Insula und Operculum sowie zwischen ventralem Striatum und vlPFC und verringerte die funktionelle Konnektivität zwischen ventralem Striatum und dorsalem Caudatus mit dem mPFC.
3.6. Dopaminelemente in verschiedenen Gehirnarealen¶
DA = Dopamin; NE = Noradrenalin